Zur strategischen (Neu-)Ausrichtung

Politikbeeinflussung durch die Friedensbewegung

von Ute Finckh-Krämer

Auch die aktivste und erfolgreichste Basisbewegung muss irgendwann überlegen, wie sie ihre Forderungen so gegenüber der offiziellen Politik vertritt, dass sie ihr Ziel erreicht. Für friedenspolitische Forderungen liegt die Zuständigkeit in der Regel bei Bundesregierung und Bundestag, also müssen diese direkt oder indirekt angesprochen werden. Ganz selten passiert es, dass eine Kampagne ihr Ziel durch Gerichtsentscheidungen erreicht – das war z.B. beim Protest gegen das Bombodrom in Brandenburg der Fall. Auch in diesem Fall war aber eine parallele Lobby- bzw. Advocacyarbeit hilfreich.

Der erste Schritt jeder Lobby- oder Advocacyarbeit ist es, ehrlich zu prüfen, ob das Thema eine Chance hat, große politische Aufmerksamkeit zu erreichen und damit „Chefsache“ zu werden. Das schaffen friedenspolitische Themen nur selten – und wenn, dann nur, wenn sich ein breites politisches Bündnis dafür bilden lässt, das zu einem entsprechenden Medienecho führt. Das wurde bei den Protesten gegen den Irakkrieg 2002/03 erreicht und seit 2013 beim Thema „Rüstungsexporte“.

Eine erste Kontaktaufnahme sollte bei Abgeordneten erfolgen, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie den jeweiligen Zielen nahe stehen. Anschließend ist es notwendig, sich an Abgeordnete aller Fraktionen zu wenden, unabhängig davon, wie erfolgversprechend man das kurzfristig einschätzt. Bei Anliegen, die „Chefsache“ sein könnten, sollte neben den zuständigen FachpolitikerInnen auch die jeweilige Fraktionsspitze angesprochen werden.

Aber Achtung: es gibt oft auch eine „Gegenlobby“. Beim Irakkrieg reichte es, über die Großdemo am 15.2.2003 der rot-grünen Regierung den Rücken zu stärken, beim Thema „Rüstungsexporte“ müssen die FachpolitikerInnen erreicht werden.

Meistens ist es also zunächst notwendig, herauszufinden, wer fachlich zuständig ist. So kann vermieden werden, dass Briefe, die an ein Ministerium oder eine Bundestagsfraktion gerichtet werden, aufgrund von unklarer Zuständigkeit von Büro zu Büro wandern und aufgrund dessen unbeantwortet bleiben. Einfach alle Abgeordneten anzuschreiben, erhöht die Chance auf Beachtung des eigenen Anliegens im Zweifel nicht. Abgeordnete erhalten täglich –zig Briefe und Mails, die an alle Abgeordneten gehen. Ihre Büros sortieren dann strikt nach drei Prinzipien aus: Absender aus dem Wahlkreis? Fachliche Zuständigkeit? Thema, das den Abgeordneten persönlich stark interessiert? Wenn die Antwort dreimal nein heißt, wird entweder weitergeleitet (was dann heißt, dass der Brief oder die Mail irgendwo x-mal ankommt) oder nach dem Motto „die Zuständigen werden sich schon kümmern“ in die „Ablage Papierkorb“ aussortiert.

Es reicht meist nicht, nur auf die Abgeordneten zuzugehen, die dem Thema aufgeschlossen gegenüber stehen, und zu hoffen, dass sie es dann schaffen, das Anliegen durchzusetzen. Das funktioniert vielleicht, um eine Erhöhung des Etats für den Zivilen Friedensdienst um 5 Millionen € oder eine Plenardebatte des Themas „Zivile Krisenprävention“ zu einem „medienwirksamen“ Zeitpunkt und mit Ministerrede zu erreichen, aber nicht für einen grundsätzlichen Wechsel der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung oder den Abzug der US-amerikanischen B61-Atombomben aus Büchel.

Ideal ist es, wenn lokal verankerte fachkundige Organisationen fachlich zuständige, aber skeptische Abgeordnete in ihrem Wahlkreis oder zumindest in ihrem Landesverband ansprechen können. Die Diskussionen der „Pressehütte Mutlangen“ mit Abgeordneten aus Baden-Württemberg sind da ein gutes Beispiel. Und wer es schafft, mit einem fachlich zuständigen Abgeordneten eine – im Zweifelsfall kontroverse – Podiumsdiskussion zu organisieren, hat damit die Aufmerksamkeit seines Büros (das die inhaltliche Vorbereitung leistet), was ausgesprochen wichtig ist.

Sinnvoll ist, zu recherchieren, ob und ggf. was der oder die Abgeordnete zu dem Thema schon gemacht hat. Gibt es einen Antrag aus Oppositionszeiten, eine Kleine  Anfrage, eine Positionierung auf abgeordnetenwatch.de, an die angeknüpft werden kann? Wenn nein, gibt es einen Anknüpfungspunkt im Parteiprogramm, im Wahlprogramm oder – im Falle von Abgeordneten der Regierungsparteien – im Koalitionsvertrag? Selbst wenn sich bei der Recherche herausstellt, dass jemand – sagen wir – Rüstungsexporte befürwortet, kann es sinnvoll sein, das offen anzusprechen und dann die eigenen Gegenargumente darzulegen und um ein Gespräch darüber zu bitten.

Bei großen Zielen ist es wichtig, konkrete Zwischenschritte zu benennen. Die Rüstungsexportberichte der GKKE enthalten Empfehlungen, die Abgeordnete in die Debatte innerhalb des Bundestages und mit den fachlich Zuständigen in den Ministerien einbringen können, was sehr hilfreich ist.

Wenn ein Thema neu und ungewohnt ist, wie aktuell „Ziviles Peacekeeping“, gibt es weitere Besonderheiten.[1] Die entsprechenden Überlegungen helfen aber auch beim Kontakt zu Abgeordneten, die neu im Bundestag oder im Themengebiet sind. Oder für Gespräche mit Fraktions- und AbgeordnetenmitarbeiterInnen.

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt