Das Forum Friedenspsychologie

Psychologie in der Praxis der Friedensarbeit

von Miriam Schroer

Aus der Tradition der Friedensbewegungen entstanden in Deutschland zahlreiche zivilgesellschaftliche Friedensorganisationen und -netzwerke, die kontinuierlich bestimmte Themen vorantreiben. Ein Teil dieser Vereinigungen setzt sich mit öffentlichen Kampagnen für friedenspolitische Ziele in Deutschland, Europa und weltweit ein. Andere unterstützen Friedensinitiativen in Konfliktregionen.  Zum Spektrum der Friedensorganisationen zählen zudem Gruppen, die hierzulande im Bereich der zivilen Konfliktbearbeitung arbeiten. Ein weiterer Teil unterstützt friedenswissenschaftliche Forschung, die Vernetzung der Forschenden und die Verbreitung der Ergebnisse, wie z.B. die Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung. In diesem Bereich liegt der Schwerpunkt der Arbeit des Forums Friedenspsychologie (FFP).

Das Forum Friedenspsychologie wendet sich an Angehörige der Berufe, die im Bereich der Psychologie und angrenzenden Gebieten tätig sind. Es wurde 1982 im Kontext der westdeutschen Friedensbewegung, der Demonstrationen gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland und des NATO-Doppelbeschlusses gegründet. Der ursprüngliche Name war „Friedensinitiative Psychologie * Psychosoziale Berufe“. 1986 wurde der Zusammenschluss ein eingetragener Verein. 1992 entwickelten ost- und westdeutsche Mitglieder eine neue Plattform, die auf die veränderte weltpolitische Lage eingeht. 1996 erhielt das Forum Friedenspsychologie seinen heutigen Namen. Daran wurde auch die Schwerpunktverlagerung der ursprünglich eher an der damaligen Friedensbewegung orientierten Arbeit hin zur Förderung und Verbreitung psychologischer Friedens- und Konfliktforschung deutlich. Das Forum Friedenspsychologie hat derzeit etwa 90 Mitglieder und 120 Mitglieder der Mailingliste.

Ziel des Forums ist es, laut Plattform, „von der Psychologie her einen spezifischen Beitrag zu leisten zur Vermeidung von Krieg und zur Verwirklichung einer friedlicheren und gerechteren Welt“ (Forum Friedenspsychologie 1992, 1). Themen der Friedenspsychologie „sind vor allem Analyse und Veränderung der psychischen und sozialen Prozesse, die der Lösung globaler und lokaler Probleme entgegenstehen [...], sowie die Analyse und Förderung der psychischen und sozialen Prozesse, die die Lösung von globalen Problemen ermöglichen [...]“ (ebenda, 3). Wesentliche Aufgabe des FFP ist es, friedenspsychologische Forschung zu diesen Themen zu unterstützen und deren Anwendung zu fördern. Die wichtigsten Aktivitäten des Forums werden im Folgenden kurz skizziert: friedenspsychologische Forschung und Vernetzung, Nachwuchsförderung, politische Stellungnahmen und internationale Vernetzung.

Friedenspsychologische Forschung und Vernetzung
Zu den wesentlichen Aktivitäten des FFP gehört die Entwicklung, Weitergabe und Diskussion psychologischer Friedens- und Konfliktforschung. In den 1980er Jahren wurden große friedenspsychologische Kongresse einberufen. 1.200 Menschen nahmen 1983 in Dortmund am ersten Friedenskongress psychosozialer Berufe teil. Unter den Sprechern waren u.a. Erich Fried und Peter Schütt. Leitthemen der Kongresse der frühen 1980er Jahre waren psychologische Perspektiven der Aufrüstungs- und Abschreckungspolitik. Seit 1988 finden jährlich wissenschaftliche Tagungen statt. Die Veranstaltungstitel zeigen, dass zeitgeschichtliche Ereignisse und Grundfragen bearbeitet werden. Zu den allgemeinen Themen zählen z.B. „Gewaltfreie Konfliktlösungen“ (1992 in Jena), „Menschenrechte und Frieden“ (1998 Marburg) und „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (2010 in Bielefeld). Die Auseinandersetzung mit aktuellen zeitgeschichtlichen Fragen spiegelt sich in Themen wie „Vorurteile, interkulturelle und ethnische Konflikte“ (Marburg 1995), oder „Psychologische Analysen und Interventionsansätze im Kontext von makrosozialen Bedrohungen, Terrorgefahren und Intergruppenkonflikten“ (Jena 2006) wider.

Ein wichtiger Teil der Arbeit ist die Veröffentlichung friedenspsychologischer Forschung in Büchern, Buchreihen (z.B. die Buchreihe Friedenspsychologie im LIT-Verlag) und Sonderheften wissenschaftlicher Zeitschriften (z.B. Cohrs/Boehnke 2008). Das FFP ist an der Herausgabe der Zeitschrift „Wissenschaft und Frieden“ beteiligt. Dort veröffentlichte es mehrfach die „Yellow Pages“ zu Schwerpunktthemen wie der Militarisierung im Kontext der europäischen Verfassung. Wilhelm Kempf, langjähriges Vorstandsmitglied, gibt zudem die Zeitschrift „Communication and Conflict Online“ heraus.

2. Nachwuchsförderung
Die Nachwuchsförderung bildet einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit. In einer Praktikumsbörse auf der Internetseite des Forums können sich Studierende über konkrete Institutionen im Bereich der Friedensarbeit informieren, die Praktikumsplätze anbieten.

Das FFP vergibt seit 2007 jährlich den „Gert-Sommer-Preis für Friedenspsychologie“ für friedenspsychologische Abschluss- und Qualifizierungsarbeiten. Zu den Themen der ausgezeichneten Untersuchungen gehören die subjektiven Bewertungen eines Transitional Justice Prozesses durch Oppositionelle, demokratische Schulkultur, Opferbewusstsein und dessen Effekt auf Intergruppenbeziehungen sowie Nachrichtenmedien als Ressource für Frieden und Versöhnung.

3. Politische Stellungnahmen
In politischen Stellungnahmen kommentiert das Forum Friedenspsychologie friedenspolitisch relevante Ereignisse aus einer psychologisch fachlichen Perspektive. So weisen die Stellungnahmen z.B. auf die Verwendung von Feindbildern und Propaganda in deutschen Medien hin und analysieren Rechtfertigungsstrategien für die Kriegsbeteiligung Deutschlands. Sie untermauern aus psychologischer Sicht die Bedeutung gewaltfreier Konfliktlösungen und der Einhaltung der Menschenrechte für einen nachhaltigen Frieden. Neben eigenen Stellungnahmen beteiligt sich das FFP außerdem an Kampagnen anderer Friedensorganisationen.

4. Internationale Vernetzung
Wichtiges Anliegen des FFP ist die internationale Vernetzung friedenspsychologischer Forschung und Praxis. Das FFP ist Mitglied im „International Network of Psychologists for Social Responsibility“ (INPsySR) und in weiteren friedenspsychologischen Netzwerken.

Im Juni 2007 wurde das INPsySR in Prag gegründet. Gründungsmitglieder sind die finnischen und die US-amerikanischen Psychologists for Social Responsibility und das Forum Friedenspsychologie. Das Netzwerk organisierte mehrere friedenspsychologische Symposien bei internationalen Kongressen in Berlin (2008) und Oslo (2009). In Oslo lud das Netzwerk zu einer Diskussion im Anschluss an den Film von Marianne Galvin über die Rolle von MilitärpsychologInnen im US-Militärgefängnis Guantanamo ein. Zu den offenen Vollversammlungen kamen jeweils mehr als 70 Personen, von denen sich viele für die weitere Zusammenarbeit in bestimmten Arbeitsgruppen eintrugen. Themen der Gruppen sind Erstellung eines Curriculums für Friedenspsychologie, Kulturen des Friedens, Friedenspsychologische Forschung sowie Praxis der Traumaarbeit.

5. Ausblick
Das Forum Friedenspsychologie hat in knapp 30 Jahren kontinuierlich friedenspsychologische Themen bearbeitet. Daraus ist eine friedenspsychologische Forschungsgemeinde in Deutschland und die Mitgestaltung eines wachsenden internationalen Netzwerks entstanden. Die Mailingliste ist seit ihrer Initiierung 2006 zu einem deutschsprachigen Kommunikationsmedium für die Thematik geworden. Innerhalb der Psychologie hat die Friedens- und Konfliktforschung einen gewissen Stellenwert errungen, z.B. mit dem Handbuch Konflikt- und Friedenspsychologie (Sommer/Fuchs 2004) und mit Veröffentlichungen in allgemeinen psychologischen Überblickswerken (z.B. Sommer 2006, Schroer 2010). Zu den Aufgaben für die kommenden Jahre gehören weitere friedenspsychologische Tagungen, die Gewinnung und Förderung friedenspsychologischen Nachwuchses, die Weiterentwicklung der internationalen Vernetzung und die Stärkung des interdisziplinären Austauschs. Trotz der Zusammenarbeit mit anderen friedenswissenschaftlichen Disziplinen, z.B. bei der Zeitschrift Wissenschaft und Frieden, ist der Stellenwert psychologischer Perspektiven in der Friedens- und Konfliktforschung bislang zu gering. Allerdings nimmt in politikwissenschaftlichen und IB-Diskussionen die Kritik an Theorien zu, die ein rein rationales Denken der Protagonisten gewaltförmiger Konflikte annehmen. Daher ist zu hoffen, dass die Bedeutung friedenspsychologischer Perspektiven in der Friedens- und Konfliktforschung und der Konfliktbearbeitung zunehmen wird.

 

Literatur
Cohrs, C. & Boehnke, K. (Hrsg.) (2008). Social psychology and peace [special issue]. Social Psychology, 3 (1)

Forum Friedenspsychologie (1992): Allgemeine Informationen. www.friedenspsychologie.de/docs/FFP_Programm_deutsch.pdf, Zugriff am 19.12.2009

Schroer, M. (2010): Friedenspsychologie. Krieg und Frieden - feministische Perspektiven der Friedenspsychologie. In: G. Steins (Hrsg.): Handbuch Psychologie und Geschlechterforschung, Wiesbaden: VS Verlag

Sommer G, Fuchs A, (Hrsg.) 2004. Krieg und Frieden - Handbuch der Konflikt- und Friedenspsychologie. Weinheim: Beltz

Sommer, G. (2006). Friedenspsychologie. In H. W. Bierhoff & D. Frey (Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie und Kommunikationspsychologie. Göttingen: Hogrefe, S. 258-263

UNESCO (1945): Verfassung der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO). Im Internet verfügbar unter: www.unesco.de/verfassung.html?&L=0, Zugriff am 19.12.2009.

 

Miriam Schroer ist Evaluatorin und Trainerin im Bereich Konfliktbearbeitung und Demokratieförderung. Sie promoviert zum Thema „Männlichkeit und zivilgesellschaftliche Friedensarbeit in Bosnien und Herzegowina“. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt NETWASS (Networks against School Shootings) an der Freien Universität Berlin und 2. Vorsitzende des Forums Friedenspsychologie. Kontakt: schro [at] zedat [dot] fu-berlin [dot] de .

Links: Forum Friedenspsychologie: www.friedenspsychologie.de; International Network of Psychologists for Social Responsibility: www.inpsysr.org

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Miriam Schroer ist Evaluatorin und Trainerin im Bereich Konfliktbearbeitung und Demokratieförderung. Sie promoviert zum Thema „Männlichkeit und zivilgesellschaftliche Friedensarbeit in Bosnien und Herzegowina“. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt NETWASS (Networks against School Shootings) an der Freien Universität Berlin und 2. Vorsitzende des Forums Friedenspsychologie. Kontakt: schro@zedat.fu-berlin.de.