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Zur Einleitung in den Schwerpunkt
Psychologie und Frieden
vonHinsichtlich der Gräueltaten im Nationalsozialismus – man denke nur an den Holocaust oder z.B. an die Massenerschießungen von Babyn Jar (nahe Kiew) im September 1941, als die deutsche Wehrmacht innerhalb von zwei Tagen über 33.000 Jüdinnen und Juden hinrichtete – wurde festgestellt, dass es „ganz normale“ - vor allem - Männer, aber auch Frauen z.B. als KZ-Aufseherinnen waren, die zu solchen Taten fähig waren. Als Beobachterin des Eichmann-Prozesses sprach Hannah Arendt in diesem Kontext von der „Banalität des Bösen“.
Die Auseinandersetzungen um die Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit der Bundesrepublik zeigt, wie schwer sich eine Gesellschaft damit tut, eigene Verbrechen und politisches Versagen als solche anzuerkennen und aufzuarbeiten. Erinnert sei an Fritz Bauer und die beharrlichen Widerstände, die Nazi-Verbrechen justiziell aufzuarbeiten. Sehr empfehlenswert ist hierzu die Lektüre des Buches von Ronen Steinke: „Fritz Bauer – oder Auschwitz vor Gericht“.
In diesem Schwerpunkt beleuchten verschiedene Autorinnen und Autoren Aspekte des Zusammenhangs zwischen psychischen Konstellationen und gewalttätigem Handeln. Dabei stellen sich auch Fragen hinsichtlich der Auswirkungen auf überlebende Opfer und Täter nach Gewalthandlungen, z.B. die posttraumatischen Belastungsstörungen (PTB). Nach bzw. schon während des Afghanistan-Krieges hatte die Bundeswehr für die Behandlung von PTB bei Soldat*innen zusätzliche Psycholog*innen gesucht. Allerdings wollte man das Problem nicht an der Wurzel behandeln: in den Ausschreibungen wurde als Voraussetzung für eine Einstellung genannt, dass von den Bewerber*innen eine grundsätzlich positive Einstellung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr erwartet werde.
Kriegspsychologie
Eine wesentliche Rolle spielt die Entwicklung von Feindbildern als Voraussetzung für Gewaltbereitschaft gegenüber bestimmten gesellschaftlichen Gruppen oder Menschen anderer Nationen. Solche Feinbilder können bewusst produziert und im Inneren zur Mobilisierung für Kriege eingesetzt werden. Diese Mechanismen beschreibt Ralf E. Streibl in seinem Beitrag zur „Kriegspsychologie“ sehr genau. Parallel kann Kriegspsychologie zur Destabilisierung „des Feindes“ eingesetzt werden. Angesichts der Weiterentwicklung der Informationstechnologien spielt „Information Warfare“ eine immer größere Rolle.Zur Kriegspsychologie in der Nazi-Zeit sei hier auf das hervorragende Buch von Victor Klemperer (1881-1960) „LTI. Lingua Tertii Imperii“ (Die Sprache des 3. Reiches) hingewiesen (Erstausgabe 1947). Klemperer, Sohn eines Rabbiners, wurde als Professor für Romanistik von den Nazis 1935 in den vorläufigen Ruhestand versetzt. Wie kaum ein anderer hat er in seinen Tagebüchern den propagandistischen Sprachgebrauch der Nazis analysiert. Er schreibt: „Aber Sprache dichtet und denkt nicht nur für mich, sie lenkt auch mein Gefühl, sie steuert mein ganzes seelisches Wesen, je selbstverständlicher, je unbewußter ich mich ihr überlasse. Und wenn nun die gebildete Sprache aus giftigen Elementen gebildet oder zur Trägerin von Giftstoffen gemacht worden ist? Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“
Mut zu Empathie und Ungehorsam
Weitere Fragen, die im Kontext „Psychologie und Frieden“ wichtige Rollen spielen und im Schwerpunkt angesprochen werden, sind z.B.: Wie relevant sind Anpassungszwang und Zugehörigkeitsgefühl in Armeen für den Befehlsgehorsam? Gibt es eine „angeborene“ Tötungshemmung, die durch Schulung in militärischen Strukturen abgebaut wird? Und wie kann dem entgegengewirkt werden?
Welche Chancen haben Friedenserziehung und die Herausbildung antiautoritärer, widerstandsfähiger Charaktere, um Gewaltausübung vorzubeugen und Mut zum Ungehorsam zu fördern? Auch an dieser Stelle noch eine Buchempfehlung: Arno Gruen (1923-2015), „Wider den Gehorsam“. Der Psychoanalytiker Gruen, der in der Nazi-Zeit in die USA geflohen war, entlarvt „die Pathologie der freiwilligen Knechtschaft“, wie es trefflich im Klappentext des Buches heißt.
Wie können Empathie und an Menschenrechten orientiertes Fühlen und Denken gefördert werden? - Mit solchen Fragen befasst sich u.a. die Friedenspsychologie, eine Disziplin, die unbedingt gesellschaftlich stärker etabliert werden müsste – damit die Kriegspsychologie nicht das letzte Wort hat.