„Es handelt sich nicht um eine Angelegenheit der örtlichen Verwaltung“

Ramstein

von Hermann Theisen
Hintergrund
Hintergrund

Kommunen und Behörden in Rheinland-Pfalz sind erfinderisch, wenn es darum geht, einen sprichwörtlich großen Bogen um das Thema „Ramstein“ zu machen. Das zeigt ihr Umgang mit Petitionen und Auskunftsersuchen zur Rolle der Air Base Ramstein bei extralegalen Tötungen durch US-Kampfdrohnen, was mehrere Verwaltungsgerichtsverfahren nach sich gezogen hat.

Vor allem dank der Berichte des Whistleblowers Brandon Bryant steht die Rolle der Air Base Ramstein bei extralegalen Tötungen vermeintlicher Terrorverdächtiger durch US-Kampfdrohnen bereits seit mehreren Jahren in der öffentlichen Kritik. Bryant hatte enthüllt, dass die Signale der Drohnen per Glasfaserkabel von der US-Luftwaffenbasis Creech in Nevada in das Hauptquartier der US-Luftwaffe nach Ramstein weitergeleitet werden, was in das Common Ground System eingebettet ist, mit dem die Drohneneinsätze koordiniert werden. Von der in Ramstein stationierten Relaisstation werden die Daten dann per Satellit in die Kampf- und Aufklärungsdrohnen weitergeleitet. Damit können die Drohnen von Nevada aus in Echtzeit gesteuert werden, während dem Common Ground System permanent Bilder und Daten vom laufenden Einsatz geliefert werden: „Ohne Deutschland wäre der gesamte Drohnenkrieg des US-Militärs nicht möglich“, so Bryant gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Nach dem NATO-Truppenstatut sind die Vereinigten Staaten indes dazu verpflichtet, dass sich ihre Streitkräfte auf deutschem Boden an die Gesetze der Bundesrepublik halten. Und immer wieder haben sie auch versichert, genau das zu tun, was den Verantwortlichen in Berlin und Mainz bisher ausgereicht hat. Doch trotz jahrelanger Proteste der Kampagne „Stopp Air Base Ramstein“, trotz mehrerer parlamentarischer Anfragen im Deutschen Bundestag sowie im Landtag Rheinland-Pfalz und trotz einer Klage jemenitischer Staatsbürger vor dem Bundesverwaltungsgericht, die  Bundesregierung möge zur Verhinderung von Drohneneinsätzen unter Nutzung der Air Base tätig werden, darf die in Ramstein stationierte Relaisstation auch weiterhin ihre unheilvolle Aufgabe bei extralegalen Tötungen ausüben.

Petition an die Kommunalparlamente und das Landesparlament
Politische Entscheidungsträger*innen weichen kritischen Fragen zu diesem brisanten Sachverhalt allzu gerne aus und verweisen dabei immer wieder auf stereotyp anmutende Bekundungen der US-Administration, wonach auf der Air Base Ramstein schon alles nach sprichwörtlich rechten Dingen zugehen würde. Auf diesem Hintergrund wurde im vergangenen Jahr eine Ramstein-kritische Petition an die für den Militärstandort Ramstein zuständigen kommunalen Parlamente (Stadt- und Verbandsgemeinderat Ramstein-Miesenbach und Kreistag Kaiserslautern) und den Landtag Rheinland-Pfalz gerichtet. In der Petition an die Kommunalparlamente heißt es: „Setzen Sie sich im Rahmen Ihrer kommunalpolitischen Einflussmöglichkeiten dafür ein, dass es zu keinen völker- und menschenrechtswidrigen Handlungen der US-Army unter Nutzung der Militärliegenschaft Ramstein kommt!“ Und in der Petition an den Landtag Rheinland-Pfalz: „Setzen Sie sich im Rahmen Ihrer politischen Möglichkeiten dafür ein, dass die auf dem Militärstützpunkt Ramstein stationierte Relaisstation nicht weiter für extralegale Tötungen durch US-Drohnen genutzt wird.“ Die Kommunal- und Landespolitiker*innen sollten mit den Petitionen dazu gebracht werden, Einfluss auf das Black-Box-hafte Geschehen um die Ramsteiner Relaisstation zu nehmen, was zu überraschenden Reaktionen geführt hat: Der Erste Beigeordnete der Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach und CDU-Landtagsabgeordnete Marcus Klein erklärte zunächst: „Ihre sogenannte `Petition´ wird im Hause unter keinem AZ geführt. Mangels Zuständigkeit der örtlichen Verwaltung wird diese nicht weiter verfolgt. (…) Sehen Sie bitte von weiteren Eingaben an unser Haus ab.“ Nachdem Klage vor dem Verwaltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße erhoben wurde, beauftragten Stadt- und Verbandsgemeinde den Rechtsanwalt Dirk Polishuk (Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz) zur Wahrnehmung ihrer Interessen, der wortreich darlegte, warum die Petition „keine Petition“ sei, sie „formell unwirksam“ sei und es sich bei dem Petitionsgegenstand um „keine Angelegenheit der örtlichen Verwaltung“ handele. Die Kreisverwaltung Kaiserslautern nahm über ihren Rechtsdezernenten die Haltung ein, dass die Petition ganz grundsätzlich nicht behandelt werden könne: „Auf die Tagesordnung des Kreistages können nur Themen gesetzt werden, die die Verbands- und Organkompetenz des Landkreises Kaiserslautern betreffen. Dies ist unseres Erachtens auf die vorgebrachten Petitionsforderungen (…) nicht gegeben.“ Die Klage vor dem VG Neustadt führte letztlich dazu, dass die kommunalen Parlamente die Petition doch noch behandelten, aber in der Folge ablehnten, da es sich bei dem Petitionsanliegen „nicht um Angelegenheit der örtlichen Verwaltung“ handele bzw. es „nicht die Verbandskompetenz des Kreistages“ betreffe. Hinsichtlich der an den Landtag Rheinland-Pfalz gerichteten Petition nahm der Vorsitzende des Petitionsausschusses, der SPD-Abgeordnete Jörg Denninghoff, folgende Haltung ein: „Ihre Schreiben an alle Abgeordneten des Landtags enthalten inhaltlich eine Meinungsäußerung, der sich der Landtag Rheinland-Pfalz anschließen soll. (…) Ich bitte um Verständnis, dass eine formelle Befassung des Petitionsausschusses mit diesen politischen Forderungen nicht möglich ist, da Ihre Ausführungen keine Petition im Sinne des Art. 11 der Verfassung für Rheinland-Pfalz darstellen.“ Das Verwaltungsgericht Mainz hat eine dagegen gerichtete Klage abgewiesen, worauf Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler (Münster) einen Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz gestellt hat.

Auskunftsersuchen an Bundeswehr und Justizministerium
Ähnlich verhält es sich mit Auskunftsersuchen an mehrere Einrichtungen der Bundeswehr und an das Justizministerium Rheinland-Pfalz über den „Kenntnisstand des in Ramstein-Miesenbach stationierten Verbindungskommandos der Luftwaffe United (VKdoLw) bei dem Einsatz von US-Kampfdrohnen“. Dem VKdoLw obliegt das Halten von Verbindungen zwischen dem Bundesverteidigungsministerium und der US-Army. Die angefragten Behörden wurden schriftlich über die Rolle der in Ramstein stationierten Relaisstation für den US-Drohnenkrieg informiert und unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz hierzu befragt: 1. Welche konkreten Erkenntnisse hat das in Ramstein-Miesenbach stationierte Verbindungskommando der Luftwaffe über die Hintergründe und die Funktion der US Air Base Ramstein bei dem Einsatz von US-Kampfdrohnen? 2. Hat das in Ramstein-Miesenbach stationierte Verbindungskommando der Luftwaffe in diesem Zusammenhang seinen Einfluss geltend gemacht und gegenüber der US-Army die Einhaltung der in Deutschland geltenden Straf- und Verfassungsnormen eingefordert? 3. Hat das in Ramstein-Miesenbach stationierte Verbindungskommando der Luftwaffe die deutschen Strafverfolgungsbehörden über die in diesem Zusammenhang in Rede stehenden Rechtsverstöße informiert? Die Antworten der Behörden waren gleichermaßen ernüchternd und enttäuschend. Es lägen hierzu keine Informationen vor, bzw. sei ein Zugang zu solchen Informationen nicht vom Informationsfreiheitsgesetz erfasst. Vor dem Verwaltungsgericht Mainz ist nun in der Folge eine diesbezügliche Klage anhängig.

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