Stellungnahme zum Vorwurf Hausfriedensbruch im Atomwaffenlager in Büchel

Rede vor Gericht

von Ria Makein
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Ria Makein wurde am 8. Januar 2024 erneut wegen eines Eindringens in den Atomwaffenstützpunkt Büchel vor Gericht gestellt und in erster Instanz zu 60 Tagessätzen verurteilt. Wir dokumentieren hier ihre Rede vor Gericht.

Geehrte Frau Richterin, geehrter Herr Staatsanwalt,

um meinen zivilen Ungehorsam würdigen zu können, will ich Ihnen vorweg erklären, dass ich keine Staatsfeindin bin. Als 5. von 11 Kindern wären meine Eltern nie in der Lage gewesen, mich in Düsseldorf Sozialpädagogik studieren zu lassen. Das ging nur, weil mir der Staat durch BaföG die Möglichkeit dazu gab. Dafür bin ich dem deutschen Staat sehr dankbar. Ich bin im Gegenteil für einen starken Staat, der in der Lage ist, für einen gerechten Interessensausgleich zu sorgen und das Potential erhält, durch gerechte Steuern für den Erhalt unseres Sozialwesens zu sorgen.

Genau das wird aber durch die seit Jahrzehnten andauernden Kriegsvorbereitungen in Frage gestellt. Nicht erst durch die zur Verfügung gestellten 100 Milliarden „Sondervermögen“, bzw. Sonderschulden, sondern bereits seit Jahrzehnten durch die Militarisierung, durch die ständige Bereithaltung und Modernisierung gerade auch der Atomwaffen sind Ressourcen für die Vernichtung des Lebens statt für die Erhaltung des Lebens eingesetzt worden.

Ca. 10 km von meinem Wohnort entfernt befindet sich die NATO-Befehlszentrale Nord und die Weltraumbeobachtungsstation, auf die unsere Politiker*innen so stolz sind. Ca. 20 km entfernt wird künftig Rheinmetall die Mittelteile der neuen Jagdbomber bauen und etwa 40 km entfernt lagern in Volkel die amerikanischen Atombomben in den Niederlanden.

Wir gingen ganz bewusst am 8.Mai in das Gelände des Atomwaffenstützpunktes in Büchel, weil dies der Tag des Endes des entsetzlichen Gemetzel der Deutschen wurde. Damals sagten die Menschen: NIE WIEDER.

Und wenige Jahre später wurden auch die Deutschen wieder kriegsfähig gemacht durch die drei westlichen Siegermächte. Die östliche Siegermacht hatte der Feind zu sein.

Mir wurde erst 1981 bewusst gemacht, dass wir mittlerweile auf einem Pulverfass lebten und dass mit der Stationierung der Pershing II eine neue Lunte gelegt werden sollte.

Zu diesem Zeitpunkt war ich die Leiterin eines Kindergartens in Köln-Junkersdorf und begann darüber nachzudenken, für welche Zukunft ich diese Kinder vorbereite. Eine Zukunft unter der atomaren Bedrohung wollte ich nun vermeiden helfen.

Ich begann mit den Demonstrationen, blockierte später mit anderen die Zufahrt zum Militärdepot in Mutlangen, betrat zum Protest gegen die weitere Aufrüstung mit anderen dieses Gelände und später auch die Airbase in Frankfurt und die NATO- Bunkerbaustelle in Linnich Glimbach bei Düren. Hier sollte die Generalität die ersten Atomschläge überleben, während die Bevölkerung bereits ausgerottet war.

Ich begnüge mich nicht damit, mich an solchen Protestaktionen zu beteiligen. Um die Zukunft der nächsten Generationen zu erhalten, gestalte ich auch mein Alltagsleben bewusst ökologisch. Eine Solaranlage ziert mein Hausdach bereits seit mehr als 20 Jahren, ich lebe weitgehend vegan, fahre im Umfeld nur mit dem Fahrrad.

Ich kann nicht akzeptieren, dass für die Vorbereitung von Krieg so viel Zerstörung in Kauf genommen wird.

Ich bin den jugendlichen Protestierern von Fridays for future ausgesprochen dankbar, dass sie mit ihren Demonstrationen den Ressourcenverbrauch der reichen Länder skandalisieren und sich für echte Klimapolitik einsetzen.

Dem steht nun das Einüben von Panzerfahrten und Bombenflügen deutlich entgegen. Eine Flugstunde dieser Tornados kostet so viel wie ein Jahresgehalt einer Erzieherin im Kindergarten. Wie viel Energieverbrauch und Umweltvergiftung sind gleichzeitig doch damit verbunden.

Da mir bewusst wurde, dass ich mit meinen Steuern genau diese Vorbereitungen von Verbrechen (jeder Krieg ist ein Verbrechen) mitfinanziere, unterstützte ich im Netzwerk Friedenssteuer die Forderung nach einem Gesetz, dass es den Steuerzahler*innen erlaubt, ihre Steuern nur für zivile Zwecke verwendet zu sehen. Gleichzeitig beantragte ich beim Finanzamt, den Anteil, der ins Militär fließt, zurückzuhalten „Annahme verweigert“ zurück.

Nach dem Grundgesetz ist es jedem verboten, das friedliche Zusammenleben der Völker durch Handlungen zu stören. Die Drohung mit Atomwaffen ist gewiss dazu geeignet, das friedliche Zusammenleben zu stören und somit verboten. Des Weiteren ist auch im Kriegsrecht untersagt, die Zivilbevölkerung unnötigem Leiden auszusetzen. genau dies ist jedoch bei der vorgesehenen Anwendung zu erwarten.

Als auf Kuba in den 1960er Jahren Russland Atomwaffen stationieren wollte, drohte J.F. Kennedy mit einem Atomschlag. Russland zog zurück. Der Westen jedoch maßt sich das Recht an, Atomwaffen in Europa bis an die Grenzen Russlands bereit zu halten.

Diese Waffen zeigen die Bereitschaft zum Massenmord. Ich will sie nicht!

Justitia heißt:  Gerechtigkeit und nicht Gesetzlichkeit. Wir wissen nicht erst seit dem sogenannten 3. Reich, dass Gesetze Unrechtsein können. Hexenprozesse, Rassenschande, Wehrkraftzersetzung sind nur einige Beispiele. Nun möchte ich nicht behaupten, dass das Gesetz zum Hausfriedensbruch Unrecht darstellt, aber es wird in unserem Fall zu Unrecht angewendet. Wie schon in den 80er Jahren, als Blockaden noch als Nötigung verurteilt wurden (die berüchtigte LKW Blockade am Brenner wurde nicht so beurteilt) änderte sich die Rechtsprechung. Darauf setzen wir Bürger*innen auch heute.

Die Justiz macht sich zum Büttel des Staates, wenn sie dem militärischen Machbarkeitswahn der NATO jedes Recht zuspricht und den sich wehrenden Bürger*innen ein - wenn auch nur geringes - „Maß krimineller Energie“ anheftet.

Uns wird gesagt, wir hätten keinen Grund zur Notwehr. Wann, wenn nicht jetzt, kann Notwehr geltend gemacht werden, bei der allgegenwärtigen Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes? Wir waren schon mehrfach dicht dran.

Wir alle sind „Das Volk“, in dessen Namen eines Tages diese Teufelsdinger losgeschickt werden. Also auch in Ihrem, Frau Richterin und in Ihrem, Herr Staatsanwalt. Sie werden mich im Namen dieses Volkes verurteilen.

Ist unsere Aktion kein geeignetes Mittel?

Dazu möchte ich sagen: Jede lange Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Und wir brauchen gewiss noch viel mehr solcher Aktionen, wenn unsere Regierung weiterhin darauf besteht, das Unrecht fortzusetzen.

Und ich glaube, auch die Justiz könnte das ihre dazu beitragen, den deutschen Staat von diesem Weg abzubringen. Es sei denn, die Justiz hält an ihrer staatstragenden Rolle fest.

Frau Richterin, der Herr Staatsanwalt kann aus seiner Rolle nicht heraus, er vertritt den Staat, der die Atombomben noch akzeptiert.

Sie jedoch können urteilen, ob der Paragraph zum Hausfriedensbruch hier passt oder ob es noch einen passenderen gibt. Ansonsten beantrage ich die Einstellung des Verfahrens wegen Vorliegens mindestens eines Rechtfertigungsgrundes.

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Ria Makein ist Aktivistin und lebt am Niederrhein.