Reflektieren gegen den Krieg

von Friederike Habermann

Ein Antikriegskongress über Pfingsten, also zwei Monate nach dem Irak-Krieg mochte manchen als verspätet erscheinen. Doch ging es auf dem "BUKO 26 - Internationalismuskongress gegen Krieg" an der Hochschule Bremen nicht nur um die Devise "Nach dem Krieg ist vor dem Krieg" - die Deutsche Bank dachte ja bereits laut darüber nach, dass im Frühherbst mit dem nächsten gerechnet werden könne -, sondern die Entscheidung, einen Kongress zu Krieg und Frieden durchzuführen, war bereits Mitte letzten Jahres getroffen worden. Der Titel "logik macht krieg" ließ dabei deutlich werden, dass es hier sehr grundsätzlich um die Anschlussfähigkeit unseres Alltagsdenkens an Kriegslogik gehen sollte: Was macht es so einfach, Menschen zu finden, die bereit sind, andere zu töten und sich töten zu lassen sowie viele andere, dies gutzuheißen?

Dieser BUKO 26 war nicht nur der jährliche Kongress der seit 1977 in der Bundeskoordination Internationalismus zusammengeschlossenen Gruppen aus dem Nord-Süd-Spektrum, sondern wurde in Koordination mit dem Antipatriarchalen Netz Berlin, Crossover, und der bundesweiten antimilitaristischen Koordination, Krieg ist Frieden, durchgeführt. Der explizite Anspruch, Geschlechterverhältnisse und rassistische und koloniale Kontinuitäten mit in die Analysen einzubeziehen, führte dazu, dass die gut 400 Teilnehmenden des Bremer BUKO sich offensichtlich vielfältig zusammensetzten: vielerlei Geschlechter waren zu bewundern, und auch der Anteil Nicht-Deutschstämmiger lag diesmal spürbar höher.

Konkret wurde die Verbindung von Sexismus und Rassismus in dem international besetzten Podium "sex, race, war": Beide Referentinnen, Dana Rubin von der lesBiSchwulTransgender-Gruppe Kvisa Shchora (Schwarze Wäsche) aus Israel/Palästina und Mariam Rawi von der Revolutionary Association of Women of Afghanistan, vertraten Organisationen mit explizit feministischem Anspruch in einer Kriegszone. Gleichzeitig arbeiten beide Gruppen interethnisch, was weder in Israel/Palästina noch in Afghanistan eine Selbstverständlichkeit ist - dies wurde auch deutlich in teilweise recht aggressiven Anfeindungen aus dem Publikum. Konnte dies auch nicht immer gelöst werden, so überzeugte doch die differenzierte Herangehensweise der Eingeladenen, so zum Beispiel nachdem Dana Rubin vorgeworfen wurde, in arabischen Ländern mit ihrer Gruppe teilweise sogar mit Todesstrafe verfolgt zu werden. Sie, die selber FreundInnen durch Selbstmordanschläge verloren hat, ließ sich nicht in ein Freund-Feind-Denkschema pressen. Denn gerade der Ansatz von Kvisa Shchora, nicht nur die eigenen bürgerlichen Freiheiten beispielsweise auf dem Christopher Street Day feiern zu wollen, ohne auf die Lage in den besetzten Gebieten einzugehen, bricht genau mit dieser "Entweder-Oder-Logik", die sich in Diskussionen über den Palästina-Konflikt, aber über Krieg auch generell, immer wieder einschleicht.

Ebenfalls sehr konkret und eindrücklich wurde die Ausrichtung des Kongresses gegen jeden Krieg durch den Bericht eines ehemaligen SFOR-Soldaten in einer Arbeitsgruppe zu Zweigeschlechtlichkeit und Gewalt: "ich habe Dinge gesehen, wie man sie nur in einem Krieg zu sehen bekommt: ich habe nach einem UNO-Hubschrauberabsturz Leichenteile einsammeln und eintüten müssen, ich sah dort auch verkohlte Soldaten, einige wimmerten noch und ich spürte diese Hilflosigkeit, nicht zu helfen, aber auch nicht erlösen zu können, ich sah, wie nach einem gescheiterten Gefangenenaustausch zwischen Kroaten und Bosniern zur Vergeltung ein Kind an ein großes Holzkreuz genagelt und in den Fluss geworfen wurde ... Das ist es, was Krieg bedeuten kann ... in einer Zeit, in der praktisch jeder jeden Konflikt auf dem Computer oder der "Playstation" nachspielen kann, ist es vielleicht wichtig, Euch zu erzählen, dass es im richtigen Leben kein "Spiellevel Neustart" gibt. Dass Krieg für alle Menschen die Hölle bedeutet ... egal woher sie auch kommen! Kein Krieg ist gerecht ... kein Krieg hat Gewinner!"

Ein Bericht über den BUKO kann nicht der Tatsache gerecht werden, dass es sehr viele BUKOs gab: je nachdem, welche Arbeitsgruppen belegt und welche der zusätzlichen Angebote wie Filme, Aktionen, Open Space, Straßentheater und Kulturveranstaltungen wahrgenommen wurde. Demgemäß wurde nach dem BUKO von Teilen der Kooperationsgruppen kritisiert, dass viele sich nicht auf das neue Konzept der Verflechtung verschiedener Herrschaftsverhältnisse eingelassen haben und ihren BUKO durchführten wie eh und je. Eine Gelegenheit zur etwas tieferen Reflektion, nachdem der aktuelle Mobilisierungsdruck nachgelassen hat, war dieser BUKO 26 jedoch für alle.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Friederike Habermann ist Ökonomin und Historikerin und arbeitete im Kongress-Büro.