Deutliche Kürzungen sind notwendig und möglich!

Rekordwachstum des Rüstungsetats

von Gerd Matzke

Der Regierungsentwurf des Verteidigungsetats sieht einen Wachstums-"Rekord" seit Bestehen der CDU/CSU/FDP-Regierung vor. Das Zentrum für Marxistische Friedensforschung (ZMF) hat den Einzelplan 14 analysiert und Vorschläge für kurzfristig umsetzbare Abrüstungsalternativen mit einem Gesamtvolumen von 9 Milliarden DM erarbeitet.
Einen Wachstums-"Rekord" erreicht die Bundesregierung mit dem Einzelplan 14 (EPL 14): Stieg der Etat in den sechs Vorjahren um insgesamt rund 7 Milliarden DM, soll nun in einem einzigen Jahr eine Anhebung um fast 2 Mrd. DM (genau: 1,95 Mrd. DM) gegenüber dem verfügbaren Soll 1988 erfolgen. Damit beläuft sich der inflationsbereinigte Realzuwachs des EPL 14 erstmals auf 2,3% und liegt nur noch wenig unter der von den USA stets geforderten 3%-Marke. Der EPL 14 weist jedoch nur 53,3 Mrd. DM. der nach NATO-Kriterien insgesamt 64 Mrd. DM Militärausgaben aus.

Eindeutiger Schwerpunkt der Mehraufwendungen sind die Personalausgaben (plus 844 Mio. DM). Hier wirken sich zum einen Gehaltsanhebungen für den enormen zivilen und militärischen Apparat aus: 55% aller zivilen Bundes-Planstellen, nämlich 168.000, finden sich im EPL 14, und 54% aller Soldatenstellen, nämlich 270.000, werden nicht mit Wehrpflichtigen, sondern mit Berufs- und Zeitsoldaten besetzt. Zum anderen wirken sich kostspielige Versuche des Verteidigungsministeriums zur Aufrechterhaltung der "Friedensstärke" der Bundeswehr, trotz abnehmender Jahrgangsstärken aus: für eine Weiterverpflichtungsprämie, für 783 neue Planstellen zur Beförderung bzw. Übernahme von Zeitsoldaten und für Nachversicherungskosten aufgrund der Anwerbung von Zeitsoldaten sind allein 265 Mio. DM Mehrausgaben vorgesehen.

Um ganze 10%, nämlich 225 Mio. DM werden die Mittel für militärische Anlagen aufgestockt. Dieser Anstieg geht fast vollständig auf das Konto drastisch erhöhter Infrastruktur-Ausgaben für die NATO ( + 25%, d.h. plus 206 Mio. DM) und für die US-Streitkräfte ( + 20 Mio. DM), wobei nun mit weiter steil ansteigenden Kosten nach Abschluß der Planungsphase für das "elektronische Schlachtfeld" zu rechnen ist.

Einen ebenso hohen Sprung verzeichnen die Ausgaben für militärische Forschung und Entwicklung mit plus 305 Mio. DM (+ 11%); von diesen Mehraufwendungen fallen ganze 2/3 auf das umstrittene Jäger-90-Projekt, das nun mit 570 Mio. DM schon 20% der gesamten militärischen F&E-Ausgaben verschlingt - bei voraussehbar steigender Tendenz in den nächsten Jahren. 

Die Mittel für militärische (Neu) Beschaffungen sinken zwar um 239 Mio. DM. Das ist aber allein auf das Auslaufen des MRCA-Tornado-Programms (- 570 Mio. DM) ohne Ein, stieg in das 8. Los der sog. IDS-Version zurückzuführen: Hingegen steigen die übrigen Beschaffungskosten um 331 Mio: DM kräftig an: die Aufstockung der Munitionsvorräte verschlingt zusätzlich 175 Mio. DM, die ''Kampfwertsteigerung" von Flugzeugen und Hubschraubern weitere 130 Mio. DM, die Beschaffung von vier neuen Fregatten zusätzliche 100 Mio. DM. 

Deutliche Zuwächse verzeichnen zudem die Mittel für Materialerhaltung und Betrieb militärischer Anlagen (plus 272 Mio. DM) sowie für sonstige Betriebsausgaben ( + 368 Mio. DM). Hierin sind weitere Anhebungen für die NATO-Infrastruktur (Betrieb von Einrichtungen, Telefon- und Fernmeldewesen, Bauprogramme etc.) besonders kostenintensiv. Sie gehen zudem zu Lasten der Umwelt (aufwendiger Treibstoff- Verbrauch, Manöver-kosten, Erschließung neuen Militärgeländes etc.).

Kurzfristige Kürzungsmöglichkeiten Die Abrüstungsvorschläge des ZMF zum EPL  14 sehen für 1989 kurzfristige Kürzungen - d.h, unter Verzicht auf wünschenswerte weitergehende Abrüstungsschritte - in Höhe von 9 Mrd.DM vor.

Das ZMF schlägt die unmittelbare Reduzierung der Bundeswehr-Friedenspräsenz-Stärke um 50.000 auf 445.000 Soldaten vor ( = 10%). Darin sind Wehrpflichtige, Reservisten und rung, d.h. der. Ersatz alten Geräts durch neue Versionen wird deutlich im Tempo gebremst. Das' bringt weitere 4,57 Mrd. DM.

Wir fordern zudem den vollständigen Verzicht auf das Jäger-.90-Projekt, damit eine Milliarden- Verschwendung vermieden wird. Ebenso sind alle Mittel für ABC-Schutzmaterial zu streichen (seinen "Nutzen'" in einem tatsächlichen ABC:-Krieg kann niemand erklären). Ersparnis: 0,68 Mrd. DM.

Das ZMF schlägt ferner die Einschränkung militärischer Forschung und Entwicklung um durchgängig 200/c vor. Den betroffenen Forschungseinrichtungen können diese Mindereinnahmen durch zusätzliche Aufträge im zivilen Bereich ersetzt werden. Das bringt weitere 0,5 Mrd. DM.

Weitertreten wir für Einschränkungen von militärischen Baumaßnahmen; neuen Fernmeldeanlagen und EDV um 20% gegenüber dem vorgesehenen Betrag ein. Insbesondere sind Ausgaben für neues. Militärgelände ganz zu streichen, Straßenbauausgaben und lnfrastrukturmittel für Anlagen von militärischem. Interesse haben sich auf die Wiederinstandsetzung ziviler Anlagen zu konzentrieren. Dadurch wer-. den nochmal 0,55 Mrd. DM freigesetzt.

Ein konkreter Schritt zur "ideologischen Entmilitarisierung" ist die Streichung der Ausgaben für psychologische Verteidigung, für militärische Aktivitäten zum 40. Jahrestag der BRD-Gründung und die Kürzung der Mittel für Verbände wie den Reservistenverband.

Weiter fordern wir die Rücknahme der immensen Ausgaben-Steigerung für die NATO-lnfrastruktur. Das bedeutet minus 0,21 Mrd. DM. Um 20% sollen die allgemeinen NATO-Ausgaben reduziert werden (minus 36 Mio. DM sowie 94 Mio. DM Projektkosten), um im Bündnis mehr Nachdruck für Abrüstungsschritte zu erzeugen.

Notwendig ist außerdem eine 10%ige Reduzierung des seit Jahren aufgeblähten, von sonst üblichen Besetzungsstops unberührten zivilen Apparats um 16.800. Sie sollen wie die zu entlassenden Berufssoldaten in andere Bereiche des öffentlichen. Diensts übernommen werden. Ersparnis: 0,86 Mrd.DM

Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen würde der Einzelplan 14 um 9 Mrd. DM auf 44,3 Mrd. DM reduziert, was der absoluten Höhe des Verteidigungshaushalts von 1982 - dem letzten Regierungsjahr der SPD-FDP-Regierung - entspräche. In dem Kürzungsvolumen sind zwar auch 1,7 Mrd: DM personalgebundener Mittel enthalten, die aber bei entsprechender Stellen Konversion ebenfalls für zivile, sozial nützliche Projekte veranschlagt werden können. Darüber und über weitere konkrete. Streichungs-Möglichkeiten bedarf es noch einer breiten Diskussion.
 

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