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Rolle rückwärts?
vonAngriffe auf Ausländer ereignen sich nicht nur in Deutschland. Einzigartig in Westeuropa aber ist das Ausmaß an Gewalt, mit der Menschen in Ost- und Westdeutschland gegen Fremde vorgehen; eine weitere deutsche Besonderheit ist, daß Mitglieder der Regierung in Bund und Ländern, führende Politiker demokratischer Parteien offenen Rassismus äußern. Erinnern wir uns: Auch die nationalsozialistischen Pogrome gegen Juden und Zigeuner begannen mit der sprachlichen Verunglimpfung dieser Menschen. Nirgendwo sonst schließlich gehen Regierungsverantwortliche so rasch und direkt auf Forderungen rassistischer Akteure ein.
Und: Nur in Deutschland ist die Ausländerfeindlichkeit verknüpft mit dem Bezug auf den Nationalsozialismus. "Sieg heil"-Rufe bei Angriffen auf Asylbewerber, die Zerstörung jüdischer Gräber durch Skinheads, die Identifikation vieler Täter mit Hitler und dem NS-Regime gestatten keine Verharmlosung.
Was ist zu tun? Lehrer und Lehrerinnen könnten schier verzweifeln angesichts der Probleme, deren Lösung man oft genug von der Pädagogik erwartet, weil die Politik versagt. Eine spürbare Unterstützung der erzieherischen Arbeit ist nicht in Sicht. Da heißt es, sich auf die wichtigsten Dinge zu konzentrieren. Die Grundvoraussetzungen unserer demokratischen Gesellschaft können auch ohne Spezialkenntnisse in Politik vermittelt werden. "Alle Menschen sind frei und gleich an Rechten geboren" - so lautet der Kernsatz der Menschenrechte, die das Grundgesetz zur "Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt" erklärt. Diese Sätze verweisen auf das weltbürgerliche Fundament der Bundesrepublik Deutschland; sie garantieren den Schutz der Fremden, der Andersdenkenden und der Schwachen, so unvollkommen das auch oft sein mag. Halten wir dagegen, was rechtsextremistische Ideologien den Menschen versprechen: Ziel, Sinn, Sicherheit, symbolisiert im Mythos der nationalen Identität. Der "Stolz, ein Deutscher zu sein" verschließt aber die Augen vor der Tatsache, daß unsere Gesellschaft gespalten ist, in Erwerbstätige und Arbeitslose, in Männer und Frauen, West- und Ostdeutsche, Wohlhabende und Arme. Als Ideologie der Stärke grenzt der Rechtsextremismus gerade die Schwachen aus der Gesellschaft aus. mit der Abschaffung der Pressefreiheit, der Aufhebung der - immerhin angestrebten - Gleichberechtigung von Mann und Frau oder dem Verbot der politischen Betätigung der Gewerkschaften verspricht er das große Wir-Gefühl, ebnet damit auch gewaltsam Konflikte ein, deren zivile Austragung in unser aller Interesse liegt. So würden die Menschen eines Großteils ihrer demokratischen Rechte beraubt, für die in Europa 200 Jahre lang gekämpft worden ist. Andersdenkende darf es bei den Neonazis nicht geben. Das praktizieren sie schon jetzt, indem sie gar nicht mehr "nur" Ausländer angreifen, sondern auch Deutsche, die diese schützen wollen oder die den rechten Parolen widersprechen.
Ziel der Politik muß es sein, die sozialen Bedingungen des Zusammenlebens so zu verändern, daß Konflikte nicht länger auf dem Rücken der Schwachen ausgetragen werden. Dazu gehört, daß die Unterbringung von Fremden, der Ablauf der Asylverfahren professionell gehandhabt werden, dazu gehört der umfassende Schutz von Minderheiten vor Gewalt, eine Sozial-, Bildungs- und Jugendpolitik, die rechten Programmen konkrete demokratische Lösungen entgegensetzt. Für die schwierige Arbeit in der Schule bleibt eine der Hauptaufgaben die Erziehung zu Gewaltfreiheit und Toleranz. Es gibt, wie Alexander Mitscherlich dargelegt hat, ebenso wenig ein naturhaftes, konstantes tolerantes Verhalten wie es eine naturhafte, angeborene Aggressivität gibt. Toleranz als eine aktive Leistung des Ich ist an Lernprozesse gebunden; solche Lernprozesse können von uns gefördert werden.