Schwerfälliges Manövrieren in schwierigem Glände

Rot-Grüne Landminen

von Wolfgang Menzel
Schwerpunkt
Schwerpunkt

Die fetten Jahre der deutschen Minenindustrie sind vorbei. Allerdings geht das Abspecken unter der rot-grünen Regierung weniger zügig voran, als von den UnterstützerInnen der Landminenkampagne erwartet und erhofft. Und immer noch ist es äußerst schwierig, an verlässliche Zahlen heranzukommen. Knapp 100 Millionen Mark hatte die Kohl-Regierung 1998 für militärisch verwendbare Minentechnologie vorgesehen. Neueste amtlich noch unbestätigte Zahlen deuten darauf hin, dass die Rüstungsindustrie im vergangenen Jahr hierfür sogar 113,1 Mio. DM aus dem Minentopf erhalten hat. Im Bundeshaushalt 1999 sind zwar weniger Mittel, aber immer noch über 60 Millionen DM eingeplant: 44 Mio. DM für Beschaffung und Entwicklung militärisch nutzbarer Minenräumtechnologie und 17,2 Mio. DM für Entwicklung und Beschaffung neuer Landminen.

Zu den Hauptnutznießern der Minenaufrüstung der Bundeswehr gehörte zuletzt der Daimler-Benz-Konzern. Die Produktion und Auslieferung der Panzerabwehrrichtmine PARM 1 an die Bundeswehr wurde nach Angaben des inzwischen in Daimler-Chrysler umbenannten Herstellers im Sommer 1998 abgeschlossen. 12.000 nagelneue Landminen befinden sich nun zusätzlich in den Depots der deutschen Streitkräfte.

Das nächste Objekt der Begierde von Militärs und Rüstungstechnikern hat bereits einen Namen - und einen Preis: COBRA für 310 Mio DM. Ob diese neuartige Flächenverteidigungsmine allerdings tatsächlich von der Firma Rheinmetall entwickelt und von der Bundeswehr beschafft wird, ist derzeit noch ungewiss. Denn im Koalitionsvertrag ist eindeutig als politisches Ziel festgeschrieben, "besonders grausame Waffen wie Landminen weltweit (zu) verbieten". Der am 1. März in Kraft getretene und auch von der Bundesrepublik ratifizierte Ottawa-Vertrag verbietet zwar nur herkömmliche Tretminen, die sogenannten Antipersonenminen. Doch zur Waffengattung,Landmine` gehören auch Antifahrzeugminen, Minen mit Aufhebesperre und sog. Submunitionen, die minenähnliche Wirkung haben. Auch diese, bislang erlaubten, weltweit eingesetzten und auch von deutschen Firmen produzierten und entwickelten Minen müssen verboten werden. Denn es werden - auch in der Dritten Welt - vermehrt Antifahrzeug-Minen verlegt, die Zivilisten töten.
 

Denjenigen Exegeten der Koalitionsvereinbarung, die unter Landminen nur Antipersonenminen verstanden wissen wollen, ist entschieden zu widersprechen: Das Entscheidende, auch in internationalen Verbotsdiskussionen, ist nicht, ob ein Hersteller eine Waffe als Mine bezeichnet, sondern ob sie von der Wirkung her und hinsichtlich ihres Einsatzzwecks eine Mine ist. Den Kräften in der Regierung und den Regierungsparteien, die alle Arten von Landminen verbieten wollen, müssen wir deshalb den Rücken stärken. Zu letzteren gehören immerhin hochrangige Repräsentanten der Bundesregierung. Aber in ihrer Rolle als Regierungsvertreter haben auch sie sich unserer Kritik und unseren entschiedenen Forderungen zu stellen.

Die neuen Regierungsparteien SPD und vor allem Bündnis 90/DIE GRÜNEN hatten sich zu Oppositionszeiten sehr um ein Minenverbot und humanitäre Minenräumung bemüht. Von Sperrsitz und Parkett auf die Bühne des Bonner Polittheaters gewechselt, stellen sie nun fest, wie klein der Bewegungsspielraum dort ist. Vor allem, wenn die mit ihrer Rolle noch unvertrauten Akteure sich nur ungelenk bewegen können, von den ministerialbeamteten Souffleusen altbackene Phrasen eingesagt bekommen und mit dem Beharrungsvermögen oder gar passiven Widerstand eines mächtigen Apparates konfrontiert sind. Auch fehlt den Ex-Oppositionsparteien die Möglichkeit, die Bundesregierung mit medienwirksamen Maximalforderungen und klug formulierten Anfragen in die Bedroullie zu bringen und politischen Druck zu erzeugen. Die Situation ist paradox: Es gibt, abgesehen von der kleinen PDS-Fraktion, in den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik keine nennenswerte Opposition im Bundestag mehr, die wirklich engagiert abrüstungspolitische Initiativen aufgreift. Die Grünen, Partei wie Bundestagsfraktion, haben sich in den ersten 100 Tagen dem Anpassungsdruck der objektiven Zwänge dermaßen bereitwillig hingegeben, dass der Schmerz des Verlustes der Freiheit erst mit großer zeitlicher Verzögerung einsetzt und nun als unvermeidliches Schicksal erfahren wird.

Symptomatisch ist das Verhalten des von einem grünen Minister geführten Aussenministeriums beim Thema Landminen - eines der wenigen Gebiete, auf denen sich Fischers Amtsvorgänger Kinkel national wie international ein wenig profilieren konnte. Seit Anfang November 1998 bemühte sich die Kampagne "Daimler-Minen Stoppen - Keine Mark für neue Minen" darum, Außenminister Fischer über 45.000 Unterschriften gegen neue Landminen und für mehr humanitäres Minenräumen zu überreichen. Terminschwierigkeiten ließen schließlich nur eine Entgegennahme während der Haushaltsberatungen am 25. Februar 1999 durch seinen Vertreter, Staatsminister Ludger Volmer, zu. Dieser referierte die Auffassung des Amtes, der Regierung, der er angehört. Selbstverständlich setze sich das Auswärtige Amt für ein vollständiges Verbot aller Arten von Landminen ein. Auch Außenminister Fischer sei dies ein Herzensanliegen. Doch könne dies nur international und nur im Konsens mit den NATO-Partnern erfolgen. Bevor hier ein Durchbruch erzielt werden könne, müsse zunächst die NATO-Strategie geändert werden, die immer noch auf den Einsatz von Landminen gegen Panzer und andere Fahrzeuge setzt, verlautbarte der Staatsminister. Den leidenden Grünen hörte man heraus, als Volmer davon sprach, nun gelte es, die anderen Ressorts - unausgesprochen aber unmissverständlich gemeint war das Verteidigungsministerium - von der Notwendigkeit eines allgemeinen Verbots von Landminen zu überzeugen. Das erinnert fatal an eine spontane Äußerung Kinkels, der mir während eines Rundgangs durch eine Minenausstellung am 1. Juli 1998 in Karlsruhe, angesprochen auf das Problem der Antifahrzeug-Minen, sinngemäß entgegnete: "Man kann sich ja nicht um alles zugleich kümmern."

Immerhin, dass dieser Termin mit einem ranghohen Regierungsbeamten überhaupt zustande kam, ist bereits als großer Erfolg der Kampagne zu werten. Auch als Zeichen der Anerkennung der engagierten Arbeit vergleichsweise kleiner Nichtregierungsorganisationen und Basisgruppen durch das Ministerium. Es gibt Politiker und Politikerinnen in dieser Regierung, die in der Frage der Landminenächtung weiter vorankommen wollen, auch wenn sie sich mit der Erkenntnis begnügen müssen, dass einen manchmal nur kleine Schritte weiterbringen.

Immer noch müssen die Impulse für eine konsequente deutsche Landminenpolitik von außen kommen. Es ist wohl unsere wichtigste Erfahrung aus 100 Tagen Rot-Grün, dass wir gerade eine rot-grüne Regierung ständig anstoßen müssen, damit sie wenigstens kleine Schritte in die richtige Richtung wagt und nicht beim ersten Aufjaulen der Industrie in die Knie geht. So steigert das Auswärtige Amt die Hilfe für Minenopfer nur behutsam um 10% auf knapp 20 Millionen Mark, wo doch gerade im Hinblick auf die Erfüllung des Ottawa-Abkommens eine drastische Erhöhung notwendig wäre. Man will der mächtigen Rüstungslobby nicht weh tun, denn die kommt und haut mit der Faust auf den Tisch. Die Schreie der Minenopfer in der Dritten Welt dagegen sind weit weg und nur medial vermittelt.
 

Selbst wenn man die Hilfen für bilaterale Zusammenarbeit bei der Minenräumung und Opferfürsorge hinzunimmt, die das Entwicklungshilfeministerium zur Verfügung stellt und die gegenwärtig rund 30 Millionen Mark betragen, sind dies mit knapp 50 Millionen Mark immer noch deutlich weniger als Rot-Grün im laufenden Haushaltsjahr für neue Minentechnologie ausgeben will. Sowohl Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul als auch Staatsminister Volmer sprachen sich am 25. Februar in Bonn vor VertreterInnen von Nicht-Regierungs-Organisationen für ein weltweites und vollständiges Verbot aller Arten von Landminen aus. Während der "Bundesdeutsche Initiativkreis für das Verbot von Landminen" Frau Wieczorek-Zeul 200.000 Unterschriften überreichte und eine entschiedenere Umsetzung der Anti-Minen-Konvention sowie weitere Schritte im Interesse der Minenopfer forderte, übergab die Kampagne "Daimler-Minen Stoppen" Staatsminister Volmer die in nur neun Monaten gesammelten 45.312 Unterschriften der Aktion "Keine Mark für neue Minen" und präsentierte vor dem Haus der Geschichte in Bonn ein Modell der neuen Bundeswehr-Antifahrzeugmine PARM 1.

Der "Bundesdeutsche Initiativkreis für das Verbot von Landminen" und die Trägerorganistionen der Kampagne "Daimler-Minen Stoppen - Keine Mark für neue Minen" werden neue Kampagnen gegen Minen starten und neue Aktionen durchführen. Der "Bundesdeutsche Initiativkreis" hat beispielsweise eine eigene Internet-Seite eingerichtet (http://www. landmine.de), auf der man nachlesen kann, welche Minen in welchen Ländern gefunden wurden und welche Firmen hierzulande am Minengeschäft verdienen - damit man weiß, bei wem man besser nicht kaufen sollte. Der Trägerkreis der Daimler-Kampagne stellte in Bonn eine Aktionspostkarte der Nachfolgekampagne "Deutsche Minen Stoppen" vor, die an Verteidigungsminister Scharping gerichtet ist (Bezug über: Ohne Rüstung Leben, Sophienstr. 19, 70178 Stuttgart. http:// www.dfg-vk.de/ abruestung /minen.htm).

Sobald sich Indizien oder Hinweise ergeben sollten, dass das deutsch-amerikanische Unternehmen Daimler-Chrysler im In- oder Ausland wieder Landminen oder minenähnliche Submunition (wie z.B. die vom Pentagon den Antipersonenminen zugeordnete MUSPA) entwickelt, produziert, handelt, exportiert oder gar versucht, vom neuen 200 Millionen-Dollar-Investitionsprogramm für neue Minensysteme der US-Regierung zu profitieren, wird die Kampagne "Daimler-Minen Stoppen" unverzüglich wieder aufgenommen werden.

Zweierlei ist jetzt wichtig: Erstens, die Bundesregierung in ihrem Bemühen zu unterstützen, dem Ottawa-Vertrag zu weltweiter Anerkennung, auch durch die bisherigen Nicht-Unterzeichnerstaaten wie z.B. USA, Russland, China und Indien zu verhelfen; ihn in einem nächsten Schritt auszudehnen auf alle Arten von Landminen. Zweitens, und dies wird leider gegenwärtig allzuleicht verdrängt, den Abrüstungskonsens insgesamt wiederherzustellen.
 

Mit der Ottawa-Konvention ist es erstmals gelungen, ein konventionelles Waffensystem wenigstens in Teilen weltweit zu ächten. Das ist ein erfreulicher Anfang, bei dem wir aber nicht stehen bleiben dürfen. Die Abschaffung der Minen ist nur ein kleiner Baustein in einem größeren Werk. Ein vielversprechender Weg könnte sein, dem einzigen Auftraggeber von Rüstung, dem Militär bzw. den nationalen Armeen, systematisch die finanziellen Mittel für immer neue, tödliche Waffensysteme zu entziehen und statt dessen Rüstungskonversion, Aufbauhilfe und humanitäres, ziviles Minenräumen zu fördern. Konzepte hierzu und unterstützende Kampagnen sind bereits in Vorbereitung. Aber natürlich nicht von Seiten der Regierung!

Die 5 Forderungen des Bundesdeutschen Initiativkreises für das Verbot von Landminen

  •  Ein weltweites Verbot der Entwicklung, der Produktion, des Exports (einschl. des Technologietransfers) und des Einsatzes aller Landminentypen.
  • Offenlegung aller Forschungsobjekte und Exporte, aller militärischer Einsatzplanungen und aller Minenbestände und -lager, einschl. solcher von Armeen auf exterritorialem Boden.
  •  Die nachweisbare Vernichtung aller existierenden Minen.
  • Die Umwidmung der für die Entwicklung von Minen und Minenverlegesystemen bereitgestellten Gelder zugunsten der Rehabilitation und Entschädigung von Minenopfern.
  •  Eine umfassende Unterstützung der weltweiten Minenräumung und Opferhilfe unter Aufsicht der UNO und der humanitären Hilfsorganisationen durch Finanzierung z.B. eines Fonds zur Minenräumung.

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt