Die War Resisters' International hielten ihre Internationale Konferenz in Indien ab

Rückkehr ins Land Gandhis

von Stephan Brües

Der Ort war gut gewählt. An der Gujarat Vidyapith-Universität in Ahmedabad im Nordwesten Indiens, einer Universität, in der Gandhis Geist und Wirken spürbar ist, fand die Dreijahreskonferenz der War Resisters' International statt. Thema war „Gewaltfreier Kampf um den Lebensunterhalt und globaler Militarismus – Verbindungen und Strategien“ („Nonviolent Livelihood Struggle and Global Military – Links and Strategies“).

Soziale Kämpfe in Indien
Die 175 Teilnehmenden aus 32 Ländern aller Erdteile erfuhren, dass es in dem gastgebenden Land einige Beispiele gab, die das Konferenzthema illustrierten: Marginalisierte Gruppen, etwa die Dalit (Unberührbare), werden diskriminiert und nicht selten ermordet, wenn sie auf ihre in der indischen Verfassung garantierten Rechte pochen. Adivasi werden im Bundesstaat Orissa durch Minenprojekte von ihrem heiligen Land vertrieben. In Chhattisgarh, einem der ärmsten Bundesstaaten Indiens, findet seit 2005 – jenseits medialer  Aufmerksamkeit – ein Bürgerkrieg zwischen der indischen Armee und von ihr unterstützten Milizen und den maoistischen Naxaliten statt. Mehr als tausend Menschen sind bereits getötet, hunderttausend intern vertrieben und viele Frauen vergewaltigt worden. Mit ihren aktuellen  Militäroperationen Greenhunt und Trishul heizt die indische Regierung den Konflikt weiter an und erhöht das Leid der Zivilbevölkerung. Doch auch die Naxaliten drehen durch ihr Verhalten mit an der Spirale der Gewalt.

Die WRI hat eine Resolution beschlossen, in der sie die sofortige Einstellung der Kämpfe, den Schutz der Zivilbevölkerung, die Einhaltung der Menschenrechte und die Rücknahme des Chhattisgarh Security Acts von 2005 fordert, der die Militäroperationen sowie die Einschränkung von Bürgerrechten rechtlich absichert.

Die Konferenz
Zur Eröffnung der Konferenz sprachen als Ehrengäste der Präsident der Gujarat Universität, Sudershan Iyengar, die Schriftstellerin und politische Aktivistin Arundhati Roy und der Soziologe und Klinische Psychologe Ashis Nandy.

Roy beschäftigte sich mit dem Zustand der Demokratie in einer auf kurzfristigem Profit ausgerichteten Gesellschaft und den Formen des Widerstands gegen Minenprojekte in Indien. Die Schäden an Leib und Leben der indigenen Bevölkerung grenzten an Genozid und belegten, dass eine Demokratie offenbar nur für einige wenige gelte, während viele Menschen vor Hunger sterben würden. Dagegen müsse Widerstand geleistet, eine „Biodiversität des Widerstands“ entstehen. Roy stellte bei ihren Ausführungen die Frage, ob dieser Widerstand immer gewaltfrei sein müsse. Menschen, die kaum etwas zu essen hätten, könnten keine Konsumboykotte gegen Konzerne durchführen, nicht ins Fernsehen kommen oder andere aufwändige, gewaltfreie Aktionen machen. Können wir ihnen dann – so fragt sie – Gewaltfreiheit vorschreiben?

Das Wort von der „Biodiversität des Widerstands“ sollte so manche Diskussion in Plena und Workshops bestimmen. Im Plenum wurden morgens verschiedene Aspekte des Konferenzthemas behandelt: Die Minenprojekte in Orissa als Beispiel für Vertreibung und Militarisierung am ersten Tag; die Situation in Paraguay als Anschauungsmaterial für das Thema „Gewaltfreier Kampf um Land“ am zweiten Tag. Am dritten Tag wurde schließlich überlegt, wie transnationale Allianzen des Widerstands geschmiedet werden können. Die Workshops am frühen und späten Nachmittag behandelten weitere Aspekte der Tagesthemen.

So erfuhren die Teilnehmenden neben dem genannten und vielem anderem,

  • warum so viel Geld für Militär ausgegeben wird und wie diese Ausgaben reduziert werden können,
  • etwas über die eindrucksvolle Friedensarbeit in der DR Kongo durch Justine Masika Bimamba von der Frauenorganisation für die Opfer sexueller Gewalt (SFVS) und etwas über die Lage der Lesben und Schwulen in Zimbabwe und Südafrika,
  • dass es ein Netzwerk der Gewaltfreiheit im Irak gibt,
  • welche Möglichkeiten der gewaltfreien Begleitung von Flüchtlingen und Vertriebenen es gibt.

Ein Füllhorn an Informationen und Diskussionen. Trotzdem war die Konferenz nicht überladen und ließ auch Ruhephasen und privaten Austausch der Teilnehmenden zu. Abends gab es ein Kulturprogramm mit indischen Friedensliedern und traditionellen Tänzen aus Gujarat. Weiterhin wurden Videos gezeigt, die die anwesenden AktivistInnen aus aller Welt mitgebracht hatten.

Gandhis Satyagraha, die Kraft der Wahrheit, der Liebe und der Seele, war bei dieser gut organisierten Konferenz spürbar. In aller Welt – von West Papua bis Paraguay, von Großbritannien bis Mauritius – finden gewaltfreie Aktionen statt, die die Menschenrechte verteidigen und die Kriegsprofiteure denunzieren. Voneinander zu lernen und miteinander über alle Grenzen hinweg zu handeln, das soll bis zur nächsten Dreijahreskonferenz weitergeführt  werden. Handeln im Hier und Jetzt und eine unendliche Geduld mahnte Narayan Desai, Direktor des Instituts für Totale Revolution und Abschlussredner der Konferenz, an. Unendliche Geduld dürfte angesichts der weltweiten Probleme auch von Nöten sein.

Ausgabe

Rubrik

Friedensbewegung international
Stephan Brües ist freier Journalist/Texter und Co-Vorsitzender des Bunds für Soziale Verteidigung.