Dokumentation

Rüstungsexportbericht 2008

von Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE)

Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) legte zum zwölften Mal seit 1997 einen Rüstungsexportbericht vor. Der Bericht stellt öffentlich verfügbare Informationen über die deutschen Ausfuhren von Kriegswaffen und Rüstungsgütern des Vorjahres (2007) bzw. deren Genehmigungen zusammen und bewertet sie im Zusammenhang der Friedens-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik.

Parallel zum anhaltenden Anstieg der Weltrüstungsausgaben ist zwischen 2003 und 2007 auch das Volumen des Weltrüstungshandels gewachsen. Abgesehen von den USA ist die Mehrzahl der Staaten heute bei Rüstungsvorhaben und Rüstungsproduktion auf die Einfuhr von Waffen und Rüstungsgütern angewiesen. Deutlich zeigt sich dies am gewachsenen Binnenhandel mit Rüstungsgütern innerhalb der Europäischen Union.

Schwellenländer wie Brasilien, China, Indien, Singapur, Südafrika oder Südkorea streben über die Einfuhr von Rüstungswaren und –technologie sowie von Fertigungsanlagen den Aufbau einer eigenen Rüstungsproduktion an, zunächst zur Ausstattung und Modernisierung ihrer eigenen Streitkräfte, langfristig aber auch, um als Anbieter auf dem Weltrüstungsmarkt auftreten zu können.

Unter den rüstungsexportierenden Staaten haben die EU-Mitgliedsstaaten, allen voran Frankreich, Deutschland, Italien und Großbritannien, in der Summe bereits Russland in den Schatten gestellt. Sie rangieren aber mit Abstand hinter den USA, die weltweit der größte Rüstungsexporteur bleiben. Der Stellenwert europäischer Lieferstaaten stützt sich einerseits auf die Leistungsfähigkeit europäischer Rüstungskooperation. Andererseits gewinnen sie Kunden in Drittstaaten mit attraktiven Finanzierungsbedingungen und der Zusage des Technologietransfers. Hinzu kommen die Bereitschaft, Fertigungen in Empfängerländer zu verlegen, oder begleitende zivile Investitionszusagen. Europäische Rüstungshersteller profitieren zudem von der Lieferung von Nischenangeboten, wie zum Beispiel Deutschland im U-Boot-Bau, durch den Weiterverkauf von überschüssigem, aber noch einsatzbereitem Rüstungsmaterial oder durch die Modernisierung bzw. Aufwertung vorhandener Waffen und Rüstungsgüter. …

Deutsche Rüstungsexporte im Jahr 2007
… Das wichtigste deutsche Exportgut blieben auch im Jahr 2006 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge (Anteil an den Genehmigungswerten: 35,4%,) gefolgt von Kriegsschiffen (9,5%) und von Munition sowie Zubehör (6,3%). Im Jahr 2007 sind 100 Sammelausfuhrgenehmigungen von Rüstungsgütern im Wert von 5,05 Mrd. € erteilt worden. Im Jahr 2006 hatte dieser Wert 3,5 Mrd. € (165 Genehmigungen) und im Jahr 2005 rund 2 Mrd. € (109 Genehmigungen) betragen. Insgesamt sind damit Genehmigungen in Höhe von 8,7 Mrd. € erteilt worden gegenüber 7,7 Mrd. € im Jahr zuvor. …

Auffallend an den Zahlenangaben für das Jahr 2007 sind Lizenzen für deutsche Rüstungsexporte in gegenwärtige Kriegsgebiete, so nach Afghanistan in Höhe von 180 Mio. € und an den Irak in Höhe von 6,8 Mio. €. Auch haben deutsche Lieferzusagen an internationale Friedensmissionen, vor allem in Afrika und im Nahen wie Mittleren Osten, zugenommen.

Das Bild der deutschen Rüstungsexportpolitik im Jahr 2007 bleibt jedoch unvollständig, weil die Daten der Bundesregierung für die Berichterstattung zum EU-Verhaltenskodex für Rüstungsausfuhren nicht die Kategorie der „Sammelausfuhrgenehmigungen“ enthalten. Dieses in den Vorjahren gewichtige Segment bezieht sich auf deutsche Kooperationen mit Rüstungsproduzenten in anderen EU- und NATO-Staaten, die zu Re-Exporten deutscher Zulieferungen durch den Endhersteller führen können.

Die deutsche Rüstungsexportstatistik erfasst allein die Ausfuhren von Rüstungsgütern, die unter die Kriegswaffenliste gemäß Kriegswaffenkontrollgesetz fallen –die realen Ausfuhrwerte aller anderen Rüstungsgüter bleiben dagegen im Dunkeln. Die Exporte von Kriegswaffen erreichten im Jahr 2007 einen Wert von 1,03 Mrd. € und halten sich auf dem Niveau der vorangegangenen Jahre. Die größten Abnehmer waren Südkorea, die Türkei, die Niederlande, Mexiko, die Vereinigten Arabischen Emirate und Singapur.

Etwa 22,9% aller deutschen Kriegswaffenexporte im Jahr 2007 gingen an Staaten, die die OECD als Empfänger offizieller Entwicklungshilfe einstuft. Im Jahr 2006 hatte der Anteil 23% betragen. Die größten Abnehmer waren im Jahr 2007 die Türkei, Chile, Saudi-Arabien, Pakistan, Indien und Ägypten.

Kleine und leichte Waffen sowie Munition und Zubehör stellten auch im Jahr 2007 ein relevantes Exportsegment deutscher Rüstungsproduzenten dar. So hat die Bundesregierung die Ausfuhren von 10.381 Maschinenpistolen an 45 Staaten und von 19.014 Sturmgewehren an 34 Staaten genehmigt. Damit hat sich der Umfang dieser Genehmigungen gegenüber dem Vorjahr nahezu verdoppelt. Relevante Abnehmer waren Ägypten, Indien, Mexiko, Saudi-Arabien sowie der karibische Inselstaat Trinidad und Tobago.

Die Angaben zu den erteilten Einzel- und Sammelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter im Jahr 2007 weisen insgesamt einen weiteren Anstieg der deutschen Rüstungsexporte im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren aus: Hatte das Gesamtvolumen im Jahr 2006 noch 7,7 Mrd. € (2005: 6,2 Mrd. €) betragen, so erreichte es im Jahr 2007 einen Wert von 8,72 Mrd. €. Insbesondere das Anwachsen der Sammelausfuhrgenehmigungen von 3,5 Mrd. € (2006) auf 5,05 Mrd. € im Berichtsjahr dokumentiert den hohen Stellenwert, den deutsche Zulieferungen für Rüstungsproduzenten in NATO- und EU-Staaten bzw. diesen gleichgestellten Ländern erreicht haben.

… Dass im Jahr 2007 den über 16.500 erteilten Ausfuhrgenehmigungen nur 110 Ablehnungen gegenübergestanden haben, zeugt eher von der Fortsetzung einer gelockerten Genehmigungspraxis, wie sie die GKKE schon in den Vorjahren kritisiert hat. Dafür spricht auch, dass die Zahl der Staaten als Empfänger deutscher Rüstungslieferungen erneut zugenommen hat, die unter Gesichtspunkten des EU-Verhaltenskodexes als „kritisch“ einzustufen sind, weil sie dessen Kriterien nicht oder nur bedingt genügen. …

Deutsche Waffen auf dem georgisch-russischen Kriegsschauplatz
Die Bundesregierung hat bislang keine plausible Erklärung dafür liefern können, unter welchen Umständen das moderne G36-Gewehr in die Hände georgischer Sicherheitskräfte gelangt ist, obwohl ein entsprechender Antrag von Georgien auf eine Ausfuhrgenehmigung abgelehnt worden war.

Die GKKE wertet diesen Vorgang als Hinweis darauf, dass die Regelungen, die einen gesicherten Endverbleib von Waffen und Rüstungsgütern gewährleisten sollen, nicht effizient sind. Sie warnt vor der Gefahr, dass sich das G36-Gewehr ähnlich unkontrolliert verbreitet wie einst das G3-Gewehr, das heute auf vielen Kriegsschauplätzen verwendet wird.

Insgesamt zeigen Daten zu deutschen Rüstungstransfers nach Georgien über einen längeren Zeitraum hin, dass das Land zu einem relevanten Abnehmer deutscher Waffen und Rüstungsgüter in der Kaukasus-Region geworden ist. Gerade im Vorfeld der jüngsten militärischen Auseinandersetzungen mit Russland hatte es sich um deutsche Lieferungen bemüht, dem die Bundesregierung allerdings nicht in vollem Umfang entsprochen hat. Insofern ist durchaus von Sensibilität im Umgang mit Exportanträgen auszugehen, was im Widerspruch zu der offiziell bekundeten Unwissenheit über die georgischen Rüstungsanstrengungen steht. …

Weltweiter Vertrag zur Kontrolle des Waffenhandels (Arms Trade Treaty)
Im Kreis der Vereinten Nationen haben Bemühungen Aufschwung erfahren, auf eine globale Regelung zur Kontrolle des Waffenhandels zuzugehen. Dabei sollen Rüstungstransfers verhindert werden, die schwerwiegende Verletzungen von Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts nach sich ziehen oder eine nachhaltige Entwicklung im Empfängerland hindern. Die Bundesregierung unterstützt dieses Vorhaben und beteiligt sich an den vorbereitenden Verhandlungen. Sie strebt an, Dualuse- Güter und die Lieferung von Munition einzubeziehen. Das Anliegen eines ATT hat auch die Unterstützung von Bundestagsabgeordneten gefunden.

Die GKKE begrüßt das Engagement der Bundesregierung. Sie sieht aber gemeinsam mit ihren Partnern gerade in Ländern, die von Gewaltkonflikten erschüttert werden, die Notwendigkeit, dem Projekt eines ATT in Politik und Öffentlichkeit noch mehr Nachdruck zu verleihen. Zudem geben die geringen Fortschritte bei dem seit 2001 laufenden Programm, die illegale Verbreitung von kleinen und leichten Waffen einzudämmen, Anlass, vor zu großem Optimismus zu warnen.

Außerdem regt die GKKE an, die Kontrolle der Tätigkeit privater Sicherheitsdienstleister einzubeziehen. Sie sieht die Gefahr einer Erosion des staatlichen Gewaltmonopols durch die Privatisierung von Sicherheitsleistungen. Lizenzierungen entsprechender Dienstleistungen sollten in Anlehnung an allgemeine rüstungsexportpolitische Regeln erfolgen. …

Von der Redaktion stark gekürzte Fassung der Zusammenfassung des GKKE-Rüstungsexportberichts 2008. Der gesamte Text kann aus dem Internet herunter geladen werden: http://www3.gkke.org/fileadmin/files/publikationen/2008/REB_2008.pdf

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