Rüstungsexportverbot ins Grundge­setz!

von Richard Ackva

Die Kampagne "Produzieren für das Leben - Rüstungsexporte stoppen!" (Bahnhofstr. 18, 6270 Idstein) sammelt seit Anfang März '91 Unterschrif­ten für ihre Forderung, den Rüstungsexport verfassungsrechtlich zu verbieten. So soll der Export von Waren, Dienstleistungen und Know-How verboten werden, wenn deren ausschließlich zivile Verwendung nicht nachweisbar ist.

 

  1.  Das Rüstungsexportverbot bezieht sich auf alle Staaten, inclusive NATO. Für diese Forderung spricht die Erfah­rung, daß es keinen plausiblen, rationa­len Grund für die Auffassung gibt, die NATO-Staaten könnten verantwortlicher mit Rüstungsgütern umgehen als an­dere... Die militärische Aktionen und Interventionen von NATO-Staaten in Angola, Nordirland, Türkei (Kurdistan), Zypern, Nicaragua, Tschad, Vietnam, Irak und Kuwait... dokumentieren un­mißverständlich die Bereitschaft und Fähigkeit, bei ihrer Politik über Leichen zu gehen.

 

Die Kampagne "Produzieren für das Leben - Rüstungsexporte stoppen" sammelt mit dem fol­genden Text Unterschriften für folgende Forderungen:

"Wir fordern von der Bundesregie­rung:                    

  • Verbot sämtlicher Rüstungsexporte d.h. Verbot des Exportes von Waren, Dienstleistungen und Know How, wenn deren ausschließlich zivile Verwendung nicht nachweisbar ist
  • Aufnahme des Rüstungsexportver­botes ins Grundgsetz
  • Offenlegung aller bis heute geneh­migten Exporte nach dem Kriegs­waffenkontroll- und Außenwirt­schaftsgestz
  • Umstellung der Rüstungsproduk­tion auf umweltverträgliche und so­zial nützliche Produktion sowie Schaffung von Fonds zur regionalen Konversion aus den Mitteln für mi­litärische Forschung und Entwick­lung
  1. Das Rüstungsvorbot bezieht sich auf "Waren, Dienstleistungen und Know-how". Nur ein Verbot von "Waffen­exporten" zu fordern, reichte nicht aus. So verkaufte Daimler-Benz ca. 7000 Militär-LKW an den Irak, ohne daß jemand Militär-LKWs als Waffen bezeichnen würde. So erhielt das Re­gime von Saddam Hussein zwar keine Munition, wohl aber "Maschinen" von der Coburger Firma Lasco, mit deren Hilfe Munition hergestellt werden kann. So exportierte MBB direkt keine Hot- oder Milanrakete, wohl aber verdiente MBB am Verkauf über Frankreich, nach dem sie dort endmontiert worden sind...  Das heißt, es geht um den Exportstopp von Einzelteile oder Vorprodukten, um das Verbot von Dienstleistungen (z.B. Wartung von Waffensystemen oder die Ausbildung an Waffensystemen) und um die Verhinderung der Weitergabe von Knwo-how (z.B. Konstruktionspläne).
    "Schlacht-erprobt"
    Waffenhersteller aus aller Welt werben derzeit auf einer Rüstungsgüter-Messe in Singapur mit dem Erfolg ihrer im Golf-Krieg erprobten Geräte. Auf der Ausstellung, die am Mittwoch eröffnet wurde, stellen 150 Rüstungsfirmen aus 26 Ländern aus.
    Das britische Rüstungsunternehmen GEC Ferranti preist beispielsweise seine Zielerfassungsinstrumente mit dem Slogan "schlacht-erprobt" an. Auch ein Videoband, das das Gerät beim Einsatz im Golf-Krieg zeigt, ist erhältlich. Der britische Konkurrent Marconi wirbt damit, seine Raketen hätten während des Krieges "mindestens 13 Marine-Schiffe versenkt". Auch bei der von ihm entwickelten Technologie für Radar-ausweichende Raketen verweist das Unternehmen auf den Einsatz im Golf-Krieg: "kampferprobt - 100 abgeschossen" heißt es in der Werbung.
    Das französische Rüstungsunternehmen Thomson-CSF preist ihr am Golf erprobtes Radarsystem an, das auch die als nicht vom Radar erfaßbar geltenden US-Tarnkappenflugzeuge erkennen könne.
  2. Das Rüstungsexportverbot zielt nicht auf den Stopp sämtlicher (ziviler) Ex­porte ab. Deshalb heißt es in der Forde­rung auch einschränkend: "wenn deren ausschließlich zivile Verwendung nicht nachweisbar ist". Der Exporteur hat glaubhaft zu machen, daß die "Ware, Dienstleistung und das Know-how" kei­nem militärischen oder rüstungsrele­vanten Zweck dient. Das Militär schiede als Empfänger aus, bei Aufträgen über die Botschaft oder staatlichen Firmen wäre größte Vorsicht geboten. Bei Un­klarheit über den Käufer und bei Pro­dukten, von denen der Verkäufern wis­sen müßten, daß diese Waren von mili­tärischer Bedeutung sind, wäre das Ge­schäft zu unterlassen. Kontrollmöglich­keiten vor Ort müßten erlaubt sein. Stra­fen von über zwei Jahren hätten ein Mi­nimum an abschreckende Wirkung, da sie nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können, wenn gleichzeiitig die Gewinne einbezogen und die weitere gewerbliche Tätigkeit untersagt würde... Daß eine solche Rüstungsexportpolitik praktikabel ist, haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt. Denn gegenüber den sogenannten Ostblockländern hat der Stopp von Rüstungsgütern weitgehend funktioniert.
  3. Das Rüstungsexportverbot bezieht sich auch auf die wenig beachtete Aus­stattungshilfe, d.h. die staatlich finan­zierte Lieferung von Material an Armee und Polizei in Ländern wie Äthiopien, Somalia, Sudan, Zaire oder Guatemala usw. und die vom Bund bezahlte Aus­bildung von fremden Armeeangehörigen und Polizisten. In einem Papier der Bundeswehr von 1988 wird dieses In­strument deutscher Außenpolitik als "flankierende Maßnahmen für die Ent­wicklungshilfe" bezeichnet.
  4. Das Rüstungsexportverbot wird nicht automatisch durch den Europäischen Binnenmarkt ab 1993 unterlaufen wer­den. Artikel 223 des EWG-Vertrages erlaubt es jedem Mitgliedstaats Maß­nahmen zu ergreifen, "die seines Er­achtens für die Wahrung seiner wesent­lichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind, soweit sie die Erzeugung von Waf­fen, Munition und Kriegsmaterial oder den Handel damit betreffen" Der Rat muß einstimmig (!) eine Liste dieser Waren erstellen. Was ""Waffen, Muni­tion und Kriegsmaterial" ist, ist eine Frage der Definition, bei der sich die Bundesregierung nicht hinter Frankreich u.a. verstecken kann. (Das EG-Recht bleibt zwar hinter der Kampagnen-For­derung zurück, bäte bei entsprechenden politischen Willen einen beachtlichen Spielraum für eine erhebliche Minde­rung von Rüstungsexporten.)
  5. Das Rüstungsexortverbot ist ohne entsprechenden öffentlichen Druck auf Politik und Wirtschaft nicht realisierbar. Die Geschäftsführung von Daimler-Benz, um ein Beispiel zu nennen, wird begreifen lernen müssen, daß sie aus ei­genen, ökonomisch langfristigen Moti­ven heraus kein Interesse daran haben kann, weiterhin mit dem Negativimage als Rüstungskonzern und -exporteur im zivilen Sektor die entscheidenen Ge­winne einholen zu müssen. Die Mehr­heit der Abgeordneten in Bundestag könnte aufgrund von Gesprächen, Brie­fen und Veranstaltungen realisieren, daß sie mit ihrem möglichen Eintreten für Rüstungsexporte, -forschung und -pro­duktion keine Zustimmung erzielen können. Die Kampagne setzt deshalb ihre Aktion "Entrüstet Daimler" fort und lädt zur Lobby-Arbeit vor Ort ein, weil sie um die "Druckempflindlichkeit" vieler in Politik und Wirtschaft weiß.

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund
Richard Ackva, Referent für Friedens¬fragen beim Versöhnungsbund