Rüstungsproduktion – Konversion - Arbeitsplätze

von Hartmut Küchle
Schwerpunkt
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Seit dem Ende des Kalten Krieges ist der Verteidigungshaushalt insge­samt und auch die Beschaffungen stark zurückgefahren worden und die wehrtechnische Industrie mit ihren vier großen Sparten Landsy­steme/Heerestechnik, Schiffbau, Luft- und Raumfahrt und Elektronik hat entsprechende Kapazitätsanpassungen und Entlassungen vornehmen müssen.

Nach dem drastischen Einbruch von Nachfrage und Beschäftigung in der er­sten Hälfte der 90er Jahre geht es seither darum, den Konsolidierungsprozess der Unternehmen fortzusetzen, zwar auch mit dem Ziel, immer noch vorhandene Überkapazitäten abzubauen, aber vor­rangig, um wichtige Kernkapazitäten und Schlüsseltechnologien zu erhalten und zu bündeln.

Die Rüstungsindustrie ist, auch wenn sie wie in Deutschland privatwirtschaftlich organisiert ist, eine "politische Branche" insofern der Staat als Hauptkunde die gesamte Inlandsnachfrage bestimmt. Die staatliche Kontrolle der wehrtechni­schen Unternehmen erfolgt vor allem auf indirekten, informellen Wegen. Dazu gehören die vielfältigen Möglich­keiten der Beschaffungspolitik, des be­schränkten Wettbewerbs bei Ausschrei­bungen oder der freihändigen Vergabe. Größeren Beschaffungen muss der Verteidigungspolitische Ausschuss des Bundestags zustimmen. Direkter wird die Auslandsnachfrage vor allem über das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Außenwirtschaftsgesetz und natürlich über die von der Bundesregierung be­schlossenen Exportrestriktionen kon­trolliert.

Zu den spezifischen Zwängen der Rü­stungsindustrie, die sich aus der poli­tisch bedingten Absenkung der Vertei­digungshaushalte ergeben, kommen die allgemeinen Zwänge hinzu, denen sich die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes heute ganz generell gegen­über sehen. Diese resultieren u.a. aus den fast überall zum Einsatz kommen­den Hochtechnologien und den damit verbundenen arbeitssparenden techni­schen Fortschritt, der zur Freisetzung von Arbeitskräften selbst bei moderatem Wachstum führt. Auch und gerade die modernen Waffensysteme werden im­mer komplexer und kapitalintensiver. Die Entwicklung fortgeschrittener Technologien wie besonders leichtes Material, Sensoren, Informationstech­nologien etc. und ihre Integration in Waffensysteme ist für das Militär und die Rüstungsindustrie von höchstem Interesse. Eine Nachfrageverschiebung von traditionellen Waffenplattformen zur Elektronik im Allgemeinen und von der militärischen zur zivilen Elektronik im Besonderen und zu kommerziellen Komponenten wird weitere Anpas­sungsmaßnahmen erfordern. Vom all­gemeinen Internationalisierungstrend ist die Rüstungswirtschaft als politische Branche allerdings bisher noch weitge­hend abgekoppelt. Es ist jedoch der po­litische Wille, diese Abschottung der nationalen Rüstungsmärkte in Europa aufzubrechen, so dass die damit verbun­denen Anpassungsmaßnahmen verspätet und verstärkt auf die wehrtechnische In­dustrie treffen werden. Als erste Aus­wirkungen einer Internationalisierung in der Rüstungsindustrie können die zu­nehmende Lizenzproduktion, grenz­überschreitende Unternehmenskoopera­tionen und die Integration von weltweit eingekauften kommerziellen Kompo­nenten interpretiert werden.

Die Suche und Umsetzung von Alterna­tiven zum bisherigen Rüstungsgeschäft bietet sowohl Chancen als auch Risiken. Einerseits haben Rüstungsunternehmen überdurchschnittlich hoch qualifizierte Beschäftigte, besonders große For­schungs- und Entwicklungsabteilungen und teilweise gute Auslandskontakte. Ihre strukturellen Nachteile liegen ande­rerseits in einem häufig unterentwic­kelten Kostenbewusstsein, einem über­durchschnittlichen Lohnniveau, hohen Verwaltungskosten, der Ausrichtung auf einen engen Kundenkreis staatlicher Abnehmer und daher einem unterent­wickelten Marketing und in einer Un­ternehmenskultur, die von zivilen Un­ternehmen deutlich abweicht.

Grundsätzlich lassen sich fünf idealtypi­sche Anpassungsstrategien unterschei­den:

-     Die defensive Strategie des Gesund­schrumpfens. Kostensenkung wird hauptsächlich durch Personalabbau und Ausgliederung unrentabler Be­triebsteile zu erreichen versucht, ohne neue Produkte zu entwickeln.

-     Der völlige Ausstieg aus dem Rü­stungsmarkt. Insbesondere Unter­nehmen, die den Markt und ihre Wettbewerbsfähigkeit negativ ein­schätzen, verkaufen ihre Anlagen vielfach an andere Unternehmen. Siemens und (der frühere Kanonen­könig) Krupp produzieren heute keine Rüstungsgüter mehr.

-     Die Konsolidierung der Rüstungs­produktion. Durch Aufkäufe bisher konkurrierender Unternehmen, Ra­tionalisierung (Kostensenkung), Be­reinigung der Produktpalette, Spezia­lisierung auf die Kernkompetenz und verstärktes Bemühen um ausländi­sche Märkte (Export) kann versucht werden, Marktanteile auch in einem insgesamt schrumpfenden Rüstungs­markt hinzuzugewinnen. Der Rhein­metallkonzern ist dafür ein Beispiel, der neben anderen Rüstungsfirmen gerade erst die Panzerproduzenten KUKA und Henschel übernommen hat.

-     Der Ausbau des zivilen Geschäfts durch Konversion. Deutsche Rü­stungsunternehmen sind meistens di­versifiziert, d.h. sie verfügen neben dem militärischen Bereich bereits über zivile Produktlinien. Hier kann versucht werden, Ressourcen auf den zivilen Bereich umzuleiten. Eine di­rekte Umnutzung der vorhandenen Produktionsanlagen und Arbeits­kräfte dürfte nur in Ausnahmefällen gelingen, zumal es für Neueinsteiger in hoch kompetitiven Märkten schwer ist, erfolgreich Fuß zu fassen.

-     Der Ausbau des zivilen Geschäfts durch Zukauf ziviler Firmen. Diese Strategie bietet den Vorteil, die ris­kanten Umstellungs- und Lernpro­zesse der 4. Strategie abzukürzen, in­dem das Know-how der in zivilen Märkten erfolgreichen Unternehmen genutzt wird.

Die Rüstungsunternehmen sind heute zunehmend gezwungen, sich (noch) stärker marktwirtschaftlich zu verhalten und insbesondere auch die in anderen Sektoren bereits gängigen betriebswirt­schaftlichen Strategien zur Kostensen­kung einzuführen. Aufgrund der Orien­tierung auf nur einen staatlichen Groß­kunden und der dabei möglichen Kal­kulation des Aufwands plus eines "angemessenen" Gewinns war dies bis­her meist nicht nötig. Heute ist der Rückgriff auf die genannten Instrumente überfällig, um sich in den dynamische­ren zivilen Märkten ebenso wie in den schrumpfenden Rüstungsmärkten zu be­haupten.

Bei der Suche nach Alternativen tut sich der Panzerbau besonders schwer. Die militärischen Anforderungen führen hier zu Spezialentwicklungen, die eine wirt­schaftliche Form nichtmilitärischer An­wendung ausschließen. Nach grober Schätzung dürften Untersysteme und Baugruppen der in der Bundeswehr verwendeten Kampffahrzeuge zu mehr als 95% speziell für militärische Zwecke entwickelt worden sein. Nur einige Randgebiete, wie z.B. Ausbildungs- und Prüfgeräte, können auch zivil genutzt werden.

Einschließlich der Vorleistungen dürften heute noch etwa 80.000 Arbeitsplätze direkt und indirekt von Rüstungsaufträ­gen abhängig sein - von ehemals 280.000. Daher muss die Bundesregie­rung an ihre Verantwortung für die Be­schäftigten erinnert werden. Gerade weil der Rüstungsmarkt kein Markt wie alle anderen, sondern ein staatlich kontrol­lierter Markt ist, darf die Bundesregie­rung die betroffenen Unternehmen und ihre Beschäftigten nicht einfach dem Markt überlassen. Der Abbau in dieser Branche ist schließlich nicht dem Markt, sondern im Wesentlichen politischen Entscheidungen geschuldet. Dazu kommt, dass sich die neue Bundesregie­rung im Koalitionsvertrag ausdrücklich zur Konversion bekannt hat. Außerdem sollte es sozialdemokratische Politik sein, die Verlierer des (notwendigen) Strukturwandels wenigstens sozial abzu­federn, wie dies z.B. im Bergbau seit Jahrzehnten geschieht. Was bei Holz­mann recht ist, sollte für die Beschäf­tigten in wehrtechnischen Unternehmen billig sein. Neben Arbeitsbeschaffungs­programmen, besonderen Vermittlungs­agenturen und der gezielten Umqualifi­zierung für zivile Produktion sollte es auch Hilfen für Unternehmen geben, die sich auf zivile Geschäftsfelder umorien­tieren wollen, um z.B. die Risiken der Umstellungsphase zu mindern. Die Bundesregierung hat es leider versäumt, die deutsche Ratspräsidentschaft in der EU zu nutzen, um die Harmonisierung der Exportpolitik mit allem Nachdruck anzupacken. Dadurch könnte nicht nur der Waffenhandel in Spannungsgebiete wirksamer eingegrenzt werden, sondern auch die einseitig zu deutschen Lasten gehenden Wettbewerbsverzerrungen be­seitigt werden, die in einem gemeinsa­men Binnenmarkt unerträglich sind. Mit der weiteren Verschärfung der Ex­portrestriktionen dürfte es jetzt noch schwieriger werden, die anderen Mit­gliedsländer zu einer gemeinsamen Ex­portpolitik zu bringen.

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Hartmut Küchle ist Projktleiter für Kon¬version der Rüstungsindustrie des Internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC).