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Rüstungsproduktion – Konversion - Arbeitsplätze
vonSeit dem Ende des Kalten Krieges ist der Verteidigungshaushalt insgesamt und auch die Beschaffungen stark zurückgefahren worden und die wehrtechnische Industrie mit ihren vier großen Sparten Landsysteme/Heerestechnik, Schiffbau, Luft- und Raumfahrt und Elektronik hat entsprechende Kapazitätsanpassungen und Entlassungen vornehmen müssen.
Nach dem drastischen Einbruch von Nachfrage und Beschäftigung in der ersten Hälfte der 90er Jahre geht es seither darum, den Konsolidierungsprozess der Unternehmen fortzusetzen, zwar auch mit dem Ziel, immer noch vorhandene Überkapazitäten abzubauen, aber vorrangig, um wichtige Kernkapazitäten und Schlüsseltechnologien zu erhalten und zu bündeln.
Die Rüstungsindustrie ist, auch wenn sie wie in Deutschland privatwirtschaftlich organisiert ist, eine "politische Branche" insofern der Staat als Hauptkunde die gesamte Inlandsnachfrage bestimmt. Die staatliche Kontrolle der wehrtechnischen Unternehmen erfolgt vor allem auf indirekten, informellen Wegen. Dazu gehören die vielfältigen Möglichkeiten der Beschaffungspolitik, des beschränkten Wettbewerbs bei Ausschreibungen oder der freihändigen Vergabe. Größeren Beschaffungen muss der Verteidigungspolitische Ausschuss des Bundestags zustimmen. Direkter wird die Auslandsnachfrage vor allem über das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Außenwirtschaftsgesetz und natürlich über die von der Bundesregierung beschlossenen Exportrestriktionen kontrolliert.
Zu den spezifischen Zwängen der Rüstungsindustrie, die sich aus der politisch bedingten Absenkung der Verteidigungshaushalte ergeben, kommen die allgemeinen Zwänge hinzu, denen sich die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes heute ganz generell gegenüber sehen. Diese resultieren u.a. aus den fast überall zum Einsatz kommenden Hochtechnologien und den damit verbundenen arbeitssparenden technischen Fortschritt, der zur Freisetzung von Arbeitskräften selbst bei moderatem Wachstum führt. Auch und gerade die modernen Waffensysteme werden immer komplexer und kapitalintensiver. Die Entwicklung fortgeschrittener Technologien wie besonders leichtes Material, Sensoren, Informationstechnologien etc. und ihre Integration in Waffensysteme ist für das Militär und die Rüstungsindustrie von höchstem Interesse. Eine Nachfrageverschiebung von traditionellen Waffenplattformen zur Elektronik im Allgemeinen und von der militärischen zur zivilen Elektronik im Besonderen und zu kommerziellen Komponenten wird weitere Anpassungsmaßnahmen erfordern. Vom allgemeinen Internationalisierungstrend ist die Rüstungswirtschaft als politische Branche allerdings bisher noch weitgehend abgekoppelt. Es ist jedoch der politische Wille, diese Abschottung der nationalen Rüstungsmärkte in Europa aufzubrechen, so dass die damit verbundenen Anpassungsmaßnahmen verspätet und verstärkt auf die wehrtechnische Industrie treffen werden. Als erste Auswirkungen einer Internationalisierung in der Rüstungsindustrie können die zunehmende Lizenzproduktion, grenzüberschreitende Unternehmenskooperationen und die Integration von weltweit eingekauften kommerziellen Komponenten interpretiert werden.
Die Suche und Umsetzung von Alternativen zum bisherigen Rüstungsgeschäft bietet sowohl Chancen als auch Risiken. Einerseits haben Rüstungsunternehmen überdurchschnittlich hoch qualifizierte Beschäftigte, besonders große Forschungs- und Entwicklungsabteilungen und teilweise gute Auslandskontakte. Ihre strukturellen Nachteile liegen andererseits in einem häufig unterentwickelten Kostenbewusstsein, einem überdurchschnittlichen Lohnniveau, hohen Verwaltungskosten, der Ausrichtung auf einen engen Kundenkreis staatlicher Abnehmer und daher einem unterentwickelten Marketing und in einer Unternehmenskultur, die von zivilen Unternehmen deutlich abweicht.
Grundsätzlich lassen sich fünf idealtypische Anpassungsstrategien unterscheiden:
- Die defensive Strategie des Gesundschrumpfens. Kostensenkung wird hauptsächlich durch Personalabbau und Ausgliederung unrentabler Betriebsteile zu erreichen versucht, ohne neue Produkte zu entwickeln.
- Der völlige Ausstieg aus dem Rüstungsmarkt. Insbesondere Unternehmen, die den Markt und ihre Wettbewerbsfähigkeit negativ einschätzen, verkaufen ihre Anlagen vielfach an andere Unternehmen. Siemens und (der frühere Kanonenkönig) Krupp produzieren heute keine Rüstungsgüter mehr.
- Die Konsolidierung der Rüstungsproduktion. Durch Aufkäufe bisher konkurrierender Unternehmen, Rationalisierung (Kostensenkung), Bereinigung der Produktpalette, Spezialisierung auf die Kernkompetenz und verstärktes Bemühen um ausländische Märkte (Export) kann versucht werden, Marktanteile auch in einem insgesamt schrumpfenden Rüstungsmarkt hinzuzugewinnen. Der Rheinmetallkonzern ist dafür ein Beispiel, der neben anderen Rüstungsfirmen gerade erst die Panzerproduzenten KUKA und Henschel übernommen hat.
- Der Ausbau des zivilen Geschäfts durch Konversion. Deutsche Rüstungsunternehmen sind meistens diversifiziert, d.h. sie verfügen neben dem militärischen Bereich bereits über zivile Produktlinien. Hier kann versucht werden, Ressourcen auf den zivilen Bereich umzuleiten. Eine direkte Umnutzung der vorhandenen Produktionsanlagen und Arbeitskräfte dürfte nur in Ausnahmefällen gelingen, zumal es für Neueinsteiger in hoch kompetitiven Märkten schwer ist, erfolgreich Fuß zu fassen.
- Der Ausbau des zivilen Geschäfts durch Zukauf ziviler Firmen. Diese Strategie bietet den Vorteil, die riskanten Umstellungs- und Lernprozesse der 4. Strategie abzukürzen, indem das Know-how der in zivilen Märkten erfolgreichen Unternehmen genutzt wird.
Die Rüstungsunternehmen sind heute zunehmend gezwungen, sich (noch) stärker marktwirtschaftlich zu verhalten und insbesondere auch die in anderen Sektoren bereits gängigen betriebswirtschaftlichen Strategien zur Kostensenkung einzuführen. Aufgrund der Orientierung auf nur einen staatlichen Großkunden und der dabei möglichen Kalkulation des Aufwands plus eines "angemessenen" Gewinns war dies bisher meist nicht nötig. Heute ist der Rückgriff auf die genannten Instrumente überfällig, um sich in den dynamischeren zivilen Märkten ebenso wie in den schrumpfenden Rüstungsmärkten zu behaupten.
Bei der Suche nach Alternativen tut sich der Panzerbau besonders schwer. Die militärischen Anforderungen führen hier zu Spezialentwicklungen, die eine wirtschaftliche Form nichtmilitärischer Anwendung ausschließen. Nach grober Schätzung dürften Untersysteme und Baugruppen der in der Bundeswehr verwendeten Kampffahrzeuge zu mehr als 95% speziell für militärische Zwecke entwickelt worden sein. Nur einige Randgebiete, wie z.B. Ausbildungs- und Prüfgeräte, können auch zivil genutzt werden.
Einschließlich der Vorleistungen dürften heute noch etwa 80.000 Arbeitsplätze direkt und indirekt von Rüstungsaufträgen abhängig sein - von ehemals 280.000. Daher muss die Bundesregierung an ihre Verantwortung für die Beschäftigten erinnert werden. Gerade weil der Rüstungsmarkt kein Markt wie alle anderen, sondern ein staatlich kontrollierter Markt ist, darf die Bundesregierung die betroffenen Unternehmen und ihre Beschäftigten nicht einfach dem Markt überlassen. Der Abbau in dieser Branche ist schließlich nicht dem Markt, sondern im Wesentlichen politischen Entscheidungen geschuldet. Dazu kommt, dass sich die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag ausdrücklich zur Konversion bekannt hat. Außerdem sollte es sozialdemokratische Politik sein, die Verlierer des (notwendigen) Strukturwandels wenigstens sozial abzufedern, wie dies z.B. im Bergbau seit Jahrzehnten geschieht. Was bei Holzmann recht ist, sollte für die Beschäftigten in wehrtechnischen Unternehmen billig sein. Neben Arbeitsbeschaffungsprogrammen, besonderen Vermittlungsagenturen und der gezielten Umqualifizierung für zivile Produktion sollte es auch Hilfen für Unternehmen geben, die sich auf zivile Geschäftsfelder umorientieren wollen, um z.B. die Risiken der Umstellungsphase zu mindern. Die Bundesregierung hat es leider versäumt, die deutsche Ratspräsidentschaft in der EU zu nutzen, um die Harmonisierung der Exportpolitik mit allem Nachdruck anzupacken. Dadurch könnte nicht nur der Waffenhandel in Spannungsgebiete wirksamer eingegrenzt werden, sondern auch die einseitig zu deutschen Lasten gehenden Wettbewerbsverzerrungen beseitigt werden, die in einem gemeinsamen Binnenmarkt unerträglich sind. Mit der weiteren Verschärfung der Exportrestriktionen dürfte es jetzt noch schwieriger werden, die anderen Mitgliedsländer zu einer gemeinsamen Exportpolitik zu bringen.