Königslutter - Beienrode

Rundreise von zwei Frauen aus dem Kaukasus

von Bernhard Clasen
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Ende Januar wird in Oslo den beiden Frauen Arzu Abdulajewa (Baku) und Anait Bayndur (Jerewan) der Olaf-Palme-Preis für ihre Arbeit für den Frieden im Kaukasus überreicht werden. Die beiden Frauen, eine Armenierin und eine Aserbaidschanerin, vertreten zwei Völker, die den bisher längsten Krieg innerhalb der UdSSR miteinander führen. Zu ei­nem Zeitpunkt, als bereits alle ArmenierInnen aus Aserbaidschan und alle AserbaidschanerInnen aus Armenien vertrieben sind, ist die Äuße­rung der beiden "Wir sind Freundinnen", die sie in ihrer Heimat laut äu­ßern, ein wichtiger Beitrag für den Frieden. Sie organisierten gemein­sam einen Gefangenenaustausch von armenischen und aserbaidscha­nischen Soldaten. Arzu Abdulajewa berichtet davon, daß sie momentan keine weiteren Gefangenenaustausche durchführen kann, da sie von den eigenen Behörden zu sehr in ihrer Arbeit behindert wird. Im aser­baidschanischen Fernsehen war sie kürzlich beschuldigt worden, eine armenische Spionin zu sein.

Frau Bayandur stammt aus Jerewan und sitzt dort im Parlament.

Frau Abdulajewa stammt aus Baku und machte kürzlich mit einer Reise nach Je­rewan von sich reden.

Gemeinsam planen sie in nächster Zeit, Friedensaktionen an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze durch­zuführen.

Arzu Abdulajewa: Friedensberichter­stattung aus dem Kaukasus.

Die Berichte über den Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan erwecken immer wieder den Eindruck, als wäre eine weitere Eskalation dieses bisher längsten Krieges innerhalb der (früheren) Sowjetunion unvermeidlich, als wäre der Krieg von beiden Völkern gewollt. In unseren Medien wird nur von Gewalt und Krieg berichtet. Daß es im Kaukasus jedoch auch andere Initia­tiven gibt, ist hier leider viel zu wenig bekannt.

Bei uns hat Kriegsberichterstattung wohl immer noch einen höheren Infor­mationswert als Friedensberichterstat­tung. Anders läßt sich nicht erklären, daß die Friedensinitiative einer Frau aus Aserbaidschan, die sich Mitte August 1992 einfach in das Flugzeug setzte, nach Armenien flog, um den Menschen Frie­den zu wünschen, zwar in russischen Medien Erwähnung fand (Iswestija, GUS-Fernsehen), in unseren Medien je­doch nicht beachtet wurde. In einem Interview mit der Zeitung "Iswestija" (vom 13.08.92) war die aus Baku stam­mende bekannte aserbaidschanische So­zialdemokratin auf die Gründe ihrer Reise eingegangen. Hier die Überset­zung des Interviews:

"Frau Abdulajewa, wie fühlen Sie sich hier in Jerewan? Was ist das Ziel Ihrer Reise?

Ich bin zum ersten Mal in Jerewan, er­fülle mir mit dieser Reise jedoch einen lang gehegten Traum. Es sah lange so aus, als wäre diese Reise ein Ding der Unmöglichkeit. Doch wie Sie selber se­hen, ich bin hier und ich bin glücklich darüber, hier zu sein. Das Ziel meiner Reise ist klar: Es ist Zeit, daß dieser Krieg endlich gestoppt wird. Die Politi­ker haben unsere Völker in eine Sack­gasse geführt, wir müssen die Menschen aus dieser Situation herausführen. Ich wiederhole es noch einmal: Ich bin bei Ihnen und habe keine Angstgefühle. Ich hoffe sehr, daß mein Besuch dazu bei­tragen kann, daß sich die Beziehungen zwischen unseren Völkern verbessern.

Sagen Sie, Arsu, wissen Ihre Verwand­ten und Ihre Freunde, daß Sie sich zur Zeit gerade in Armenien befinden?

Bis auf meine Mutter wissen es alle. Und es wären noch mehr Menschen an so einer Reise interessiert gewesen.

Auch Frauen?

Bei uns gibt es sehr viele mutige Men­schen, nicht nur unter den Frauen. Ich denke aber, daß vielleicht gerade wir Frauen von unserer Natur her eher zu Friedensmissionen in der Lage sind.

Glauben Sie, Frau Abdulajewa, daß es möglich ist, gutnachbarliche Beziehun­gen zwischen Aserbaidschan und Arme­nien herzustellen?

Ich glaube, daß dies möglich ist. Es liegt nur an uns selbst. Es ist eine dritte Kraft, die die Normalisierung der Beziehungen verhindert.

Wie meinen Sie das?

Ich denke hier insbesondere an die, die vom Krieg profitieren, die Waffen ver­kaufen. Und diese mafiosen Strukturen gibt es bei uns genauso wie bei Euch. Ich würde es begrüßen, wenn beide Seiten gleichzeitig auf die ihnen ange­botenen Waffen verzichten würden. Se­hen Sie doch selber, was passiert: Die Waffen werden den kriegführenden Parteien nicht gleichzeitig und in glei­chem Umfang angeboten, sondern si­tuationsbedingt und schubweise. Wir müssen uns an den Verhandlungstisch setzen und darüber reden, wie es weiter­gehen soll.

Sagen Sie bitte, Arsu, können nicht auch armenische Journalisten Baku besu­chen?

Ich glaube ja. Wenn keine Provokation geplant ist, wird dies möglich sein. In Aserbaidschan gibt es im Großen und Ganzen keine antiarmenische Stimmung. Heute sind wir nur insoweit Feinde, als eben ein unerklärter Krieg zwischen un­seren Völkern stattfindet. Dieser Krieg muß beendet werden."

(Übersetzung des Iswestija-Artikels: Bernhard Clasen)

Vom 2. bis 8. Februar werden sich zwei Frauen aus Armenien und Aserbaid­schan in Deutschland aufhalten, die sich gemeinsam für den Frieden in dieser Region einsetzen.

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