Schleichend militärische Verplanung von Frauen

von Mechtild Jansen

Es ging nie allein um die Personalfrage. Der Vorschlag und die Debatte waren von Beginn an Signal und Kristallisationspunkt- für
* eine weitere militärische Verplanung von Frauen
 * einen ersten Schritt hin zu einer. später möglichen Dienstverpflichtung von Frauen oder noch weitergehender zu einer. allgemeinen Dienstpflicht aller jungen Menschen
* einer Werbeoffensive für die Bundeswehr unter dem Vorzeichen einer Instrumentalisierung der Forderung der Frauen nach "Gleichberechtigung"
* die Perfektionierung. der Abschreckungspolitik unter direkter Einbeziehung der Frauen sowie der ideologischen Wiederverankerung der Abschreckung in den Köpfen der Menschen
*  einen Ausbau des direkten Einflusses der Bundeswehr auf die Gesellschaft und einen weiteren Schritt zur Militarisierung der Bevölkerung.

Von Anfang an setzten die Befürworterlnnen auf schleichende Gewöhnung. Bislang haben sie den Durchbruch dennoch nicht geschafft. Nun deutet sich eine qualitative Veränderung an.
* Es ist die Zeit der drohenden Personallücke von 1995 herangerückt.
* Es wird an einer Erneuerung der Abschreckungsideologie gebastelt.
* Es wird neuer. Bedarf an konventioneller Verteidigungsfähigkeit reklamiert.
* Militärstrategien werden modernisiert.
* Das Konzept der Gesamtverteidigung wird. erneut in die Diskussion gebracht; Zivilschutz und militärische Verteidigung werden immer nahtloser aufeinander abgestimmt.

Frauen haben innerhalb dieser Planung einen ganz besonderen Stellenwert. Nachdem das Verteidigungsministerium sich mit der den Frauen zugedachten Lückenbüßerinrien-Funktion argumentativ die Finger verbrannt haue; versucht man nun zunehmend, den: Frauen die Bundeswehr unter dem Etikett "Emanzipation" unterzujubeln. Dem Frieden und der Gleichberechtigt Frauen zum Bund" den Plänen des Verteidigungsministeriums die. Weih~ - von Frauenzustimmung. zu verleihen. Seit dem 1. 10. 87 ziehen Frauen im Bundesgrenzschutz ein. Am 4. Juni 87 verkündet Innenminister Zimmermann die Ausbildung von Frauen im mittleren Polizeivollzugsdienst.

Der CDU-Abgeordnete Jürgen Todenhöfer änderte am 7. 2. 1988 die Stoßrichtung der Argumente; Gleichberechtigung bliebe ein leeres Wort, wenn sie sich nicht auch auf Pflichten erstrecke. Vom Wehrdienst wolle er gar nicht sprechen, wohl aber von einem "sozialen Pflichtjahr" für Mädchen. Ein solches Pflichtjahr würde nicht nur zahlreiche Probleme im Bereich der Alten-, Kranken- und Familienfürsorge lösen, sondern seiner Meinung nach den jungen Mädchen auch einen "wichtigen Einblick in schwierige soziale Problemfelder geben." Es handele sich darüber hinaus "um Aufgaben, deren Erfüllung durch den Staat gar nicht mehr zu bezahlen wären". In die gleiche Kerbe haut am 4. März 1988 der Berliner Kultursenator und Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Ulf Fink. Es sei abzusehen, daß sich die Zahl der über SO-jährigen von derzeit 2 Millionen in den nächsten Jahrzehnten auf über 3 Millionen erhöhen werden. Die künftigen sozialen Aufgaben ließen sich nur mit einer Vielzahl von ehrenamtlichen Helferinnnen bewältigen; darüber hinaus müsse eine "Kultur des Helfens" geschaffen werden, die natürlich einzuüben sei. Die CDU-Frauen gehen noch ein Stück weiter. Sie wollen dem "Vergammeln Jugendlichen entgegentreten, indem sie für Erwerbslose Arbeitspflicht oder ein soziales Jahr verlangen. In einem Antrag an den Parteitag im Juni 1988 fordert Renate Hellwig, CDU-MdB, kein junger Mensch bis zum 25; Lebensjahr sollte auch nur einen Tag Arbeitslosengeld, -hilfe oder Sozialhilfe erhalten, ohne wenigstens halbtags zu arbeiten oder sich weiterzubilden".  Plötzlich meint auch der FDP Sozialexperte Cronenberg (8. B. 88), er halte ein soziales Pflichtjahr für Mädchen seit langem für sinnvoll.

Damit sind Schlaglichter geworfen, die das breite Feld der angestrebten militärisch motivierten oder strukturierten Einsatzplanung von Frauen erhellen. Die FDP-Diskussion um einen Waffendienst ist in höchstem Maß vordergründig, denn zum einen geht es hier nicht um Gleichberechtigung, zum anderen ist an die notwendige 2/3-Mehrheit zur Veränderung des' Grundgesetzes nicht zu denken. Die politische Funktion des FDP-Ansinnens ist es, lautes Buschtrommeln zu veranstalten, um nun Kabinettsbeschlüsse zum freiwilligen weiblichen Wehrdienst durchzudrücken. Die Funktion dieses Schrittes wäre es dann, vor . allem ein erster Schritt zu einer "normalen" militärischen Dienstverpflichtung von Frauen zu sein, möglicherweise ein Schritt in Richtung einer "Gemeinschaftsdienstpflicht für alle". IQ jedem Falle hätte der Schritt die. Funktion; die Möglichkeit der Truppenreduzierung zu tabuisieren und die herrschende Sicherheitspolitik zu legitimieren. Statt einer Politik der Friedenssicherung durch Abrüstung und Kooperation handelt es sich tim einen Schritt zur weiteren Aufrüstung, zur weiteren Militarisierung der Gesellschaft.
 

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Mechtild Jansen ist freie Autorin und lebt in Köln