Buchbesprechung

"Schwarzbuch Waffenhandel"

von Christine Schweitzer

Allein im Jahr 2011 wurden 1.738 Milliarden US-Dollar für Militär (Waffen, Armeen, Kriegseinsätze) ausgegeben, das waren pro Kopf der Weltbevölkerung 250 Dollar und ist für die Ärmsten der Armen bereits ein Jahreseinkommen. Jürgen Grässlin hat in seinem neuen Buch "Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient" beschrieben, welchen Anteil an diesen Ausgaben die deutsche Rüstungsindustrie kassiert und wie sie dabei von PolitikerInnen der Regierungsparteien jeder politischen Couleur und den Banken unterstützt wird.

Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!", Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.), muss den LeserInnen des Friedensforums kaum noch vorgestellt werden. Er ist Autor zahlreicher Sachbücher zum Thema Rüstungsexport und hat auch immer wieder für das Friedensforum geschrieben, zuletzt im Heft 3/2013, das Rüstungslobbyismus und Waffenhandel zum Schwerpunkt hatte.

Das "Schwarzbuch" befasst sich mit dem Thema der Rüstungsexporte unter zwei Leitfragen. Im ersten Drittel geht es um die Politik - wie Deutschland nach dem 2. Weltkrieg seinen "Wiedereinstieg" in die Rüstungsindustrie schaffte und der Waffensektor kontinuierlich unter den verschiedenen Regierungskoalitionen wuchs. Dabei macht Grässlin den Prozess an Schlüsselentscheidungen der jeweiligen Regierungen deutlich und benennt einzelne PolitikerInnen, die besondere Verantwortung für diese Entscheidungen trugen.

Zu ihnen gehören neben vier weiteren Franz-Josef Strauß, Gerhard Stoltenberg, Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Guido Westerwelle und Angela Merkel. Die anderen beiden Drittel des Buches sind den Konzernen gewidmet. EADS, Mercedes-Benz, MTU, Rheinmetall, ThyssenKrupp und natürlich Heckler & Koch, ein Konzern, mit dem sich Grässlin schon immer besonders intensiv befasst hat (s. Friedensforum 3/13). Ebenso wie bei den PolitikerInnen schließt Grässlin seine Untersuchung ab mit einer Liste der "Top 10 der Täter in der Rüstungsindustrie". Es dürfte interessant sein, zu verfolgen, ob die Genannten sich mit ihrer Rolle in dem Buch abfinden oder ob, wie manche vermuten, sie versuchen werden, mit Klagen gegen Jürgen Grässlin vorzugehen. Bislang (Stand Ende Juni) haben sie noch nichts unternommen.

Ein kurzes Schlusskapitel stellt die Aktion Aufschrei vor und gibt Anregungen, was jede/r von uns tun kann, um den Kriegsprofiteuren das Wasser abzugraben. Wie bei Jürgen Grässlin nicht anders zu erwarten, sind die Fakten gründlich recherchiert und belegt. Das "Schwarzbuch Waffenhandel" ist ein faktenreiches, interessant zu lesendes und mutiges Buch.

Grässlins Herangehensweise, die Exportentscheidungen gewissermaßen zu personalisieren und die Rolle einzelner Personen bei den Geschäften in den Vordergrund zu stellen, mag auf den ersten Blick etwas irritieren und die Frage nahelegen, wie entscheidend die Rolle dieser Personen im Gesamtkontext tatsächlich ist. Aber auf der anderen Seite legt sie auch einen Grundstein für die Frage des "Was tun?" Ein entpersonalisiertes, anonymes kapitalistisches System lässt sich diesseits einer sozialen Revolution schlecht bekämpfen. Ein System, das von Menschen und deren Entscheidungen abhängig ist, schon.

Das Buch sei allen empfohlen, die sich näher mit den Themen Rüstungsindustrie und Rüstungsexporte befassen wollen, ebenso wie jenen, die hier bereits aktiv sind, aber z.B. über einzelne Unternehmen oder PolitikerInnen vertiefend nachlesen wollen.

Jürgen Grässlin (2013) Schwarzbuch Waffenhandel: Wie Deutschland am Krieg verdient. München: Heyne Verlag. ISBN-13: 978-3453602373, 624 S., 14,99 Euro

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Hintergrund
Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.