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Sicherheitspolitischer Ladenhüter
vonEin Jahr lang brüteten 27 Experten in einer "Unabhängigen Kommission für die künftigen Aufgaben der Bundeswehr". Seit Anfang September liegen Abschlussbericht und Empfehlungen vor. Die öffentliche Resonanz war dem Anlaß angemessen: Kaum jemand interessierte sich für die 36 Seiten lange Liste sicherheitspolitischer Ladenhüter.
Dabei stand die vom Bundestag einberufene Kommission im Auftrag, Alternativen aufzuzeigen. Doch trotz der Mitarbeit von acht ProfessorInnen beschränkten sich die Experten fast vollständig auf das Wiederkauen regierungsamtlicher Positionen. Veränderte Rahmenbedingungen wie die Zerfallserscheinungen osteuropäischer Staaten thematisierte die Kommission, reflektierte sie aber kaum. Denn dazu reicht die Feststellung nicht, das militärische Instrument werde angesichts des politischen Umbruchs in Europa an Bedeutung verlieren, wenn an der NATO grundsätzlich festgehalten werden soll.
Einzig in der Frage, welche Wehrform für die deutschen Streitkräfte sinnvoll seien, wagt sich die Kommission etwas hervor. Mit Blick auf Großbritannien (Berufsarmee) und die Schweiz (Miliz) entdeckt sie, daß die allgemeine Wehrpflicht nicht die einzige sei, die einer Demokratie angemessen sei. Jedoch legen sich die Experten lieber nicht fest, wie die Armee zukünftig ihre Soldaten rekrutieren soll. Das soll der Debatte über die "Streitkräfte 2010" vorbehalten bleiben.
Ansonsten finden sich die interessantesten "alternativen" Ansätze in abweichenden Stellungnahmen als Fußnoten. So widersprechen drei Kommissionsmitglieder - Ex-DGB-Vorsitzender Breit sowie die Professoren Gasteyger und Tomuschat - der mehrheitlichen Annahme, Atomwaffen erfüllten eine "kriegsverhindernde" Aufgabe. Sie meinen, die These hätte einer "eingehenden Prüfung" bedurft.
Bedenklich schwachen Widerspruch fand der Versuch der Kommissionsmehrheit, Parteien, öffentliches Bildungswesen, Medien und gesellschaftliche Einrichtungen darauf einzuschwören, es "entschiedener und mutiger als früher" als ihre Aufgabe anzusehen, über Armee und Bündnis zu informieren. Einzig "Zeit"-Journalist Christoph Bertram begehrte dagegen mit den Worten auf: "Es ist nicht Aufgabe der Medien, in ihrer Berichterstattung die Landesverteidigung besonders hervorzuheben."
Weder seine Kollegen Lothar Rühl von "Die Welt" und Walther Stützle vom "Tagesspiegel" noch Gewerkschafter wie Ernst Breit (DGB) und Herbert Nierhaus von der Deutschen Angestelltengewerkschaft oder Kirchenmenschen wie Pfarrer Werner Lichtwark (Ev. Kirche) und Klaus Sieber (Bischöfliches Ordinariat) hatten gegen die Inpflichtnahme ihrer Einrichtungen für militärische Zwecke Probleme.
Der Grundfehler der Kommissionsarbeit ist im Entschließungsantrag der Regierungsparteien zu finden. Er beauftragte die Experten, die neue Bundeswehrplanung zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen zu machen. Wenn dann noch der Verteidigungsminister der Bundesregierung die Vorschläge zur Besetzung des Gremiums liefert, war das Ergebnis vorhersehbar. Auf dem Hintergrund sind ernstzunehmende Alternativen nicht zu erwarten. Dazu hätten zumindest einige Vertreter abweichender Meinungen in die Kommission gehört. Doch glaubt die Parlamentsmehrheit offenbar, die Sinnkrise der Bundeswehr ließe sich durch eifrige Sympathiebekundungen "bewältigen". Das ist falsch. Deshalb hätte man den Experten ihre Arbeit und den Steuerzahlern die Kosten ersparen sollen!