Auszug der Rede von Jürgen Rose in Büchel

Soldaten müssen Atomwaffen-Einsatz verweigern

von Jürgen Rose
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Auszug der Rede von Jürgen Rose auf der Kundgebung in Büchel am 30.08.2008:

Wenn aber das Töten unschuldiger Zivilisten zu politischen Zwecken nach landläufiger Definition als Terrorismus gilt, so ist auch das hunderttausendfache Töten von Zivilisten mittels jener „atomaren Ungeziefervertilgungsmittel“, als die Gustav Heinemann die Nuklearwaffen charakterisierte, ein Akt des Terrorismus, genauer gesagt: des Staatsterrorismus. Atomwaffen sind nichts anderes als Waffen des Staatsterrorismus. Wer sie anwendet, ist ein Terrorist, ein Staatsterrorist nämlich. Und daran ändert sich auch nichts, wenn er bei der Durchführung einer solchen Tat eine Uniform trägt – egal welcher Armee. Für all jene Soldaten, die sich an der nuklearen Massenvernichtung beteiligen, gilt das bekannte Verdikt des scharfzüngigen Publizisten und leidenschaftlichen Pazifisten Kurt Tucholskys: Diese Soldaten sind Mörder. Hoffentlich nicht nur meinem Verständnis zufolge muss daher für jeden Soldaten, der auch nur einen Funken Moral, Humanität oder auch soldatisches Ehrgefühl im Leibe besitzt, der Gedanke, Atomwaffen insbesondere gegen Städte und schutzlose Menschen einzusetzen, unvorstellbar sein und Ungehorsam gegenüber derartigen, jegliche Rechts- und Moralvorstellung pervertierenden Befehlen zur höchsten Pflicht werden.

Immerhin sind selbst im Bundesministerium der Verteidigung mittlerweile offenkundig Bedenken laut geworden, was den Einsatz von Atomwaffen betrifft. Dort gab die Rechtsabteilung II 3 nämlich bereits 1996 eine sogenannte „Taschenkarte Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten – Grundsätze –“ heraus, die gemäß ministerieller Weisung „in die Hand aller Angehörigen der Bundeswehr gehört“ und „soweit nicht anders befohlen, bei jedem Auslandseinsatz in der äußeren linken Brusttasche des Kampfanzuges mitzuführen ist“. In dieser Taschenkarte steht für jeden Soldaten zu lesen:

„Insbesondere der Einsatz folgender Kampfmittel ist deutschen Soldaten in bewaffneten Konflikten verboten:

  • Antipersonenminen,
  • bakteriologische Waffen
  • chemische Waffen (z. B. Giftgas) und
  • atomare Waffen.“

(Quelle: Bundesministerium der Verteidigung)

Laut offiziell dokumentierter Rechtsauffassung des Verteidigungsministeriums dürfen deutsche Soldaten also gar keine Atomwaffen einsetzen. Einschlägige Einsatzbefehle wären rechtswidrig; sie dürften nach dem geltenden Soldatengesetz weder von Vorgesetzten erteilt noch von Untergebenen befolgt werden.

Wenn dies aber die Rechtslage ist, so drängt sich die Frage auf, weshalb hier an diesem Ort immer noch diese völkerrechts- und zugleich verfassungswidrigen Waffen lagern? Und warum immer noch das hier stationierte Jagdbombergeschwader 33 seine nukleare Einsatzrolle erfüllt? Und warum immer noch Soldaten der Bundesluftwaffe für den Einsatz dieser atomaren Massenvernichtungswaffen ausgebildet werden und solche Einsätze üben? Denn wenn den deutschen Soldaten der Einsatz von Atomwaffen verboten ist, dann ergibt das doch alles keinerlei Sinn, nicht wahr?

Lasst uns deshalb zum einen an die Angehörigen des Jagdbombergeschwaders 33 appellieren: Soldaten und Soldatinnen, schaut ins Soldatengesetz und in die Dienstvorschriften zum Völkerrecht. Und dann prüft euer Gewissen und verweigert – ganz so wie es das Soldatengesetz vorsieht – die Ausführung ungesetzlicher, gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts verstoßender Befehle und die Beteiligung an Kriegsverbrechen wie dem nuklearen Massenmord.

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Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr a.D. und Vorstandsmitglied der kritischen SoldatInnenvereinigung ,Darmstädter Signal'.