Atomwaffen

„Spar Dir den Atomkrieg!“

von Silvia BoppXanthe Hall

„Spar Dir den Atomkrieg“ - eigentlich klingt der Slogan der Kampagne „Atomwaffen ein Bombengeschäft“ zum kommenden Aktionstag am Weltspartag zynisch. Er klingt so, als hätten wir als Menschheit die Wahl zwischen Atomkrieg und anderen Mitteln der Auseinandersetzung. Das wird den katastrophalen, humanitären Konsequenzen eines Atomschlages, aber auch schon der Bereitstellung und Modernisierung von Atomwaffen, nicht gerecht.

Doch die Drohgebärde mit nuklearer Bewaffnung ist längst ein Feilschen um Macht und wirtschaftliche Zusammenhänge geworden. Wer in den Atomlaboren, z.B. in den USA,  an der Bombe arbeitet, genießt häufig einen gesicherten, gehobenen Lebensstandard, erzählten Greg und Trish Mello von der Los Alamos Study Group bei einem Besuch in Deutschland.

Seit die erste Atomwaffe am 16. Juli 1945 in der Wüste New Mexicos gezündet wurde und nach den unvorstellbar grausamen Erfahrungen der Abwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, ist WissenschaftlerInnen klar, dass eine kriegerische Auseinandersetzung mit diesen Waffen das Ende des Lebens auf der Erde, so wie wir es heute kennen, bedeuten würde. Ein Flaschengeist wurde geboren, der den Herrschenden zur Drohgebärde im Kalten Krieg taugte. Immer mehr Menschen hatten große Angst vor dem Atomkrieg. Der Widerstand gegen die Atombombe wuchs ab diesem Moment beständig.

1970 trat der Atomwaffensperrvertrag in Kraft. Ein internationaler Vertrag, der die Verbreitung der Bombe verhindern sollte. Die Staaten, die bisher Atomwaffen entwickelt und getestet hatten, wurden offiziell als Atomwaffenstaaten anerkannt und sind gleichzeitig noch heute die fünf Staaten mit einem ständigen Sitz und Vetorecht im Sicherheitsrat der UNO (deswegen „P5“ genannt). Darüber hinaus verlangt der Atomwaffensperrvertrag seit mehr als 40 Jahren die vollständige Abrüstung aller Atomwaffen in naher Zukunft. Doch die Abrüstung bleibt weit entfernt.

Atomwaffen – ein Bombengeschäft
Verknüpfungen der Rüstungsindustrie mit den Milliardengeschäften der Atomindustrie zur zivilen Nutzung machten Firmen und Einzelpersonen reich und mächtig. Eine starke Wirtschaftslobby, mit Verflechtungen hinein in die Politik und zu Geheimdiensten, hält die Atomwaffenindustrie am Laufen. Banken sind weltweit in die Finanzierung von Atomwaffen und deren Trägersystemen verstrickt.

Das US-amerikanische Atomlabor in der Arizona Wüste, Los Alamos, die Geburtsstätte der Bombe, ist immer noch ein mächtiger, geschützter Hochsicherheitstrakt, in dem Menschen an der Bombe arbeiten.

Eine Gruppe der Friedensbewegung, die Los Alamos Study Group (LASG), beobachtet seit Herbst 1989 die Atomwaffenschmiede und lüftet Geheimnisse der Atomwaffenindustrie. Greg und Trish Mello von LASG berichteten von ihren Erkenntnissen während einer Tour in Deutschland. Nach dem Kalten Krieg, so dachten die AktivistInnen, werde das Labor nach und nach überflüssig. 1992 begann ein Moratorium der Atomtests. Ein Drittel der WissenschaftlerInnen wurden zwischen 1989 und 1995 entlassen und eine neue Offenheit für echte Abrüstung entstand. Diese war der damaligen Energieministerin Hazel O'Leary zu verdanken, doch bald stoppte der Rückbau. Ab 1995, dem Jahr, in dem der Atomwaffensperrvertrag unbefristet verlängert wurde, wurde die Forschungseinrichtung kaum noch verkleinert.

Die MitarbeiterInnen im Atomlabor werden teuer bezahlt. Eine Anstellung in der Nuklearwaffenindustrie verschafft den Menschen einen Lebensstandard, der mit anderen Jobs nicht so leicht zu erlangen ist. Staatsangestellte verdienen weniger als die Angestellten der Privatfirmen. Was sie verdienen, bleibt zwar geheim, aber die Los Alamos Study Group hat einige Zahlen aufgedeckt:

Ein Geschäftsführer des Labors, so heißt es, verdiene ca. 1,6 Millionen US $ pro Jahr. Tausende WissenschaftlerInnen bekommen gleich viel wie ein Staatsminister oder ein General. Auch eine Sekretärin kann 187.000 US $ jährlich kassieren. Diesen Zahlen werden nur mündlich weitergegeben, sie existieren nicht auf Papier.

Atomwaffenherstellung in Privathänden
Die Atomwaffenherstellung in den USA ist mittlerweile zu 95% privatisiert. Acht Atomzentren existieren in den USA, um nukleare Sprengköpfe herzustellen: drei Labore und fünf Herstellungsanlagen. Die drei Labore sind das Los Alamos Nuclear Laboratory (LANL), Lawrence Livermore Nuclear Laboratory (LLNL) und Sandia Nuclear Laboratory (SNL).

Die Macht der Atomlabore stieg seit 1996. Ab 2006 sind sie vollständig privatisiert: Los Alamos wird von Bechtel Corporation, URS (von AECOM übernommen), Babcock und Wilcox und der Universität von Kalifornien betrieben. Die gleichen vier Firmen und Battelle betreiben Livermore. Sandia ist in den Händen von Lockheed Martin.

Greg Mello beschrieb schockierende Dimensionen des Konzerns Bechtel in den USA. Bechtel ist unter anderem aktiv im Geschäft um die Privatisierung von Trinkwasser. Die Bechtel Corporation wurde 1898 gegründet und  rangiert heute auf Platz 7 der größten privaten Unternehmen in den Staaten. Es ist das größte Bau- und Anlagenbau-Unternehmen der USA.

Mello wünscht sich, dass Europa die Dienste dieser Firmen boykottiert. (1)

Insgesamt werden eine Billion US $ für diese Modernisierungs-Programme und für neue Atomanlagen (ohne die neuen U-Boote) in den nächsten dreißig Jahren ausgegeben, geschätzte 355 Milliarden im nächsten Jahrzehnt.

Politischer Druck
Das größte Problem für die Rüstungsindustrie sind die explodierenden Kosten. Nicht selten kosten die Modernisierungsprojekte ca. drei- bis fünfmal mehr und dauern wesentlich länger als geplant. PolitikerInnen können diese Tatsachen in ihren Wahlkämpfen schlecht verkaufen. Die Militärs sind verärgert, weil sie die Programme als Mittelverschwendung sehen. Sie hätten lieber das Geld für andere Streitkräfte, z.B. die Marine.

Der US-Kongress kann bei neuen Anschaffungen von Trägersystemen oder Anlagen intervenieren. Aus solchen Gründen wurde eine Fabrik zur Herstellung von Plutonium, "Pits" (die Atomkerne der Bomben), bereits gestoppt.

Die Modernisierung der Atomwaffen ist also ein großes Gerangel um Macht und wirtschaftliche Vorrechte. Es gilt genau hinzuschauen, welche Banken und welche Konzerne verstrickt sind. Die Kampagne „Atomwaffen - ein Bombengeschäft“ versucht Licht in diese Verstrickungen zu bringen und Finanzinstitute in Deutschland, die in Modernisierung von Atomwaffen investieren, zu bewegen, aus diesen Geschäften auszusteigen. Am Weltspartag, dem 30. Oktober 2015, ruft die Kampagne AktivistInnen dazu auf, unter dem Aktionsmotto „Spar Dir den Atomkrieg!“ Filialen der Deutschen Bank, Commerzbank sowie Allianz-Filialen in deutschen Städten aufzusuchen, um den MitarbeiterInnen Sparschweine mit dem Aktionsslogan zu übergeben. Briefe an die FilialleiterInnen und die öffentliche Wahrnehmung der Aktion sollen den Druck auf die Kreditinstitute weiter steigern, damit sie aus der Finanzierung der atomaren Rüstung aussteigen.

 

Anmerkung

1 Über Bechtel kommt demnächst ein Buch von Sally Denton heraus, in dem u.a. die historische Beziehung zur CIA erläutert wird. (Titel: "Behemoth": http://www.rightsdesk.com/books/behemoth/)

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