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SPD will die Wehrpflicht retten
vonDer innerparteiliche Streit über die Zukunft der Wehrpflicht hat die SPD seit vielen Jahren umgetrieben. Der wehrpflichtbefürwortenden Parteiprominenz um den früheren Militärminister und heutigen Fraktionschef Struck ist es in der Debatte seit 2003 nicht mehr gelungen, weder in der Fraktion noch in der Partei, eine Mehrheit pro "allgemeine Wehrpflicht" zu organisieren. Noch rechtzeitig vor dem Bundesparteitag im Oktober 2007 einigte sich der Parteivorstand auf einen Kompromissvorschlag, der eine "freiwillige Wehrpflicht" vorsieht. Auf dem Bundesparteitag fand der Vorschlag dann Eingang in das neu beschlossene Grundsatzprogramm.
Das programmatische Profil der SPD ist nun durch folgenden Wortlaut bereichert worden: "Die gesellschaftliche Verankerung und die Akzeptanz der Bundeswehr müssen erhalten bleiben. Die Fortentwicklung der Wehrpflicht ist hierfür ein Garant. Deshalb setzen wir uns für eine Stärkung der Freiwilligkeit beim Wehrdienst ein." Sowohl der Pro- als auch der Kontra-Flügel innerhalb der SPD konnten mit diesem Vorschlag das Gesicht wahren, und der Konflikt konnte befriedet werden. Die Pro-Seite verweist zu Recht darauf, dass sich die SPD nicht von der Wehrpflicht verabschiedet habe, die Gegner verweisen darauf, dass die SPD nun "faktisch" für die Abschaffung der Wehrpflicht eintrete.
Die bisher öffentlich vorliegenden Vorstellungen der SPD über die "Fortentwicklung der Wehrpflicht" sehen vor, dass lediglich die Ableistung des Dienstes an der Waffe freiwillig erfolgen soll. Melden sich nicht genügend Freiwillige zur Bundeswehr, soll auf Zwangseinberufungen zurückgegriffen werden. Dabei ist derzeit offen, nach welchen Kriterien solche Zwangseinberufungen zu erfolgen haben. Wehrrechtliche Erfassung des männlichen Jahrgangs, Musterungen und Pflichten im Rahmen der Wehrüberwachung (beispielsweise die Genehmigungspflicht für längere Auslandsaufenthalte durch das Militär) bleiben bestehen, deshalb würde auch der Einberufungsapparat bestehen bleiben.
Der Begriff der "freiwilligen Wehrpflicht" ist nicht nur irreführend, sondern auch manipulativ. Er suggeriert eine Freiwilligkeit, wo es keine gibt. Mit Wehrpflicht ist nicht nur verbunden, konkret einen Kriegsdienst leisten zu müssen, sondern der grundsätzliche staatliche Anspruch, Bürger nach staatlichem Ermessen zu militärischen Dienstleistungen heranziehen zu können. Zwangserfassung und Zwangsmusterung sind Voraussetzungen für eine Mobilisierung der Streitkräfte. Und daran will die SPD nichts ändern.
Um sicherzustellen, dass genügend Freiwillige Soldaten werden wollen, soll, so die SPD, das Dienen belohnt werden (mehr Geld, Anrechnung als Ausbildungszeiten). Es ist außerdem angedacht, die Bereitschaft zum Dienen durch einen "sicherheitspolitischen Unterricht" in den Schulen zu wecken. Dafür ist ein Zeitraum von bis zu einer Woche im Gespräch.
Der SPD-Vorschlag ist nicht neu. Bereits 2004 wurde er innerhalb der SPD als "skandinavisches Modell" diskutiert. In Dänemark und Schweden werden seit Jahren Zwangseinberufungen erst dann vorgenommen, wenn es nicht genügend Freiwillige gibt. Deshalb ist das beschlossene Modell keine Überraschung. Bemerkenswert ist aber, dass sowohl viele wehrpflichtskeptische Kommentatoren als auch "Experten" in dem Beschluss das Ende der Wehrpflicht sehen. Dies ist es beileibe nicht. Im Gegenteil: Durch den Verzicht auf Zwangseinberufungen werden die Eingriffe in die Grundrechte deutlich milder, das Problem der Wehrungerechtigkeit würde weitgehend aufgehoben, der Truppe bleibt es erspart, unmotivierte Zwangsdiener zu Soldaten zu erziehen. Ein solchermaßen angepasstes Konzept ist in der Lage, das Auslaufmodell der allgemeinen Kriegsdienstpflicht zu retten.
Die SPD ist keine Friedens-Partei. Zur Lösung internationaler Konflikte und zur "deutschen Interessenswahrung" setzt sie die Bundeswehr ein. Die Wehrpflicht ist ein zentrales Mittel, die gesellschaftliche Akzeptanz für die Bundeswehr und für ihren Einsatz zu organisieren. Schon allein die Existenz der Wehrpflicht, so das Militärministerium in einem internen Bericht zur Nachwuchsgewinnung, führe dazu, dass sich "in verstärktem Maße die Zielgruppe der Nachwuchsgewinnung mit den Streitkräften" auseinandersetze. "Die Präsenz der Wehrdienstberatung bietet (...) im Rahmen der Musterung eine große Chance zur unmittelbaren Information und Beratung." Information und Beratung natürlich im Auftrag der Bundeswehr und durch Angehörige der Streitkräfte. Die gezielte Manipulation, geht es nach der SPD, wird zukünftig auf die Schulen ausgeweitet.