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Speerspitzen der Bundeswehr
von104 hauptamtliche Jugendoffiziere und 1.400 nebenamtliche Gehilfen sind der wichtigste Kontakt der Bundeswehr zur Jugend, den PädagogInnen und anderen Multiplikatoren der politischen Bildung. Nicht umsonst sieht sie in ihnen ihre "Speerspitze der Öffentlichkeitsarbeit". Jetzt liegt der jüngste Bericht der Speerspitzen vor.
Erstmals behandelt der Jahresbericht der Jugendoffiziere die Erfahrungen im neuen östlichen Einsatzgebiet. Dort mußten sich die Öffentlichkeitsarbeiter von den "Offizieren für Wehrkunde und Nachwuchswerbung" der Nationalen Volksarmee abgrenzen. Ein Mittel dazu: Keiner der hauptamtlichen Jugendoffiziere kommt aus der Ex-NVA. Ob das reicht, die faktisch sehr ähnliche Aufgabenstellung zu vertuschen?
Die Vorbehalte gegenüber den Bundeswehr-Jugendoffizieren sind dort wie in den alten Bundesländern vollauf berechtigt. Denn obwohl sie sich als in der "politischen Bildung" tätige Sicherheitsexperten vorstellen, die keine Nachwuchswerbung betreiben, ist ihre Funktion doch eindeutig: "Er nimmt Stellung zu militärischen und sicherheitspolitischen Grundsatzfragen im Sinne der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland, verdeutlicht hauptsächlich der jungen Generation und dem künftigen Wehrpflichtigen den Sinn des Wehrdienstes und erläutert die Notwendigkeit des persönlichen Beitrages jedes einzelnen Bürgers." (Anlage 2 des Jahresberichtes; Hervorhebung von mir, GW)
Wo ist da der Unterschied zu Werbung und Propaganda für Armee und Waffendienst? Richtig: für die eigentliche Nachwuchswerbung sind besondere Berater tätig. Doch in allen Schularten arbeiten die Jugendoffiziere vor und zu!
Es scheint, die Bereitschaft zur Einladung der uniformen Bildungsarbeiter läßt in den alten Ländern nach. Hier mußten sie die Erfahrung machen: "Das Interesse der Schulen an einer Zusammenarbeit mit den Jugendoffizieren hat im Jahre 1991 deutlich nachgelassen. Die Einsatzzahlen sind stark rückläufig." Ein Jugendoffizier schreibt: "Von rund 100 Schulen, die ich im Herbst 1991 anschrieb, antwortete bisher nur eine einzige auf mein Informationsangebot." Ein anderer meint: "Ohne geradezu penetrante Aufdringlichkeit kommt man zu keiner 'neuen' Schule." (Hervorhebung von mir, GW) Der größere Teil der Lehrerschaft stehe der Bundeswehr kritisch bis ablehnend gegenüber. LehrerInnen, die Seminare besuchten, leiteten zum offensichtlichen Bedauern der Berichtsverfasser "... gelegentlich aus ihrem verbesserten Kenntnisstand die Auffassung ab, sicherheitspolitische Themen besser selbst unterrichten zu können und verzichten auf den Jugendoffizier."
Optimistisch sind die Jugendoffiziere dagegen für die neuen Bundesländer, wo sie in den nächsten Jahren eine deutliche Steigerung der Einsatzzahlen erwarten. Die zuständigen Kultusbehörden und Schulleitungen zeigten sich überwiegend für eine Zusammenarbeit aufgeschlossen. Dennoch war die Entwicklung selten so ungünstig wie im vergangenen Jahr, obwohl im Unterschied zum Vorjahr in den Zahlen für 1991 die neuen Länder berücksichtigt sind:
Allein bei Schuleinsätzen ist ein Rückgang von 15 % auf knapp 5.800 und bei Truppenbesuchen um 25 % auf insgesamt gut 4.200 zu verzeichnen. Dennoch erreichten die Jugendoffiziere 1991 fast 170.000 SchülerInnen und StudentInnen, das sind unter fünf Prozent weniger als im Vorjahr.
Hoffnungsvoll können einige Aspekte der Meinungen von Jugendlichen stimmen: Nach den Erfahrungen der Offiziere interessieren sich die meisten mehr für Probleme wie Berufsausbildung, Arbeitslosigkeit und Asylrecht als für die Bundeswehr. Zudem stießen die bundeswehreigenen Meinungsforscher auf den Widerspruch: "Einerseits wird - wenn auch zögernd - die Notwendigkeit von Streitkräften bejaht, andererseits sinkt die Bereitschaft, dafür selbst einen Beitrag zu leisten." Out-of-area-Kampfeinsätze fänden fast keine Zustimmung. Stärker ist dagegen die Akzeptanz für Einsätze im Rahmen von UN-Friedensmissionen (Blauhelm-Einsatz).
Besonders interessant für die Arbeit von Friedensgruppen könnte die Feststellung sein, daß viele Jugendliche die neuen Strategieüberlegungen der Bundeswehr kaum nachvollziehen können. Demgegenüber zeigen sich die Jugendoffiziere in ihrem Bericht erkennbar hilflos!