Offenheit gegenüber Rechtsextremen – ein reales Problem

Streit in der Friedensbewegung

von Christine Schweitzer
Hintergrund
Hintergrund

Peter Wahl in diesem Heft und den Autor*innen des Papiers „Rechtsoffenheit in der Friedensbewegung – Kampfbegriff oder reales Problem?“ ist darin zuzustimmen, dass die Zuordnungen von „rechts“ und „links“ wenig über Kriegsbefürwortung oder -Gegnerschaft aussagen. Aber das ist in erster Linie ein Problem der Linken und auch ein Problem der Friedensbewegung bzw. derer Teile, die sich als „links“ definieren. Viele tun das nicht, aber das sei nur nebenbei bemerkt. Die Identität von „Rechts“ bzw. was damit gemeint wird  - nicht CDU, sondern Rechtsextreme, wird davon nicht berührt – Deutschnationalismus, Gewaltgläubigkeit, organisierte Menschenfeindlichkeit in all ihren Facetten von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit, Rassismus bis Hass auf sexuelle Minderheiten und Frauenfeindlichkeit waren und sind ihre Merkmale. Und um nicht missverstanden zu werden: Antisemitismus meint hier nicht Kritik an der Politik Netanjahus, an israelischen Kriegsverbrechen oder an der völkerrechtswidrigen Siedlungspolitik in der Westbank. Antisemitismus ist da zu finden, wo Jüd*innen in Deutschland fürchten müssen, verbal oder physisch angegriffen zu werden, wo alte Stereotypen der „jüdischen Weltherrschaft“ dünn verschleiert auftauchen (die US FED als Wurzel allen Übels, wie es bei den sog. Mahnwachen 2014 oft hieß) oder wo vor deutschen Synagogen gegen Israel demonstriert wird.

Es ist ein reales Problem
Unzweifelhaft bewegt sich das gesellschaftliche Klima nach rechts; populistische Forderungen, die auch schnell – gerade beim Thema Migration – in menschenfeindliche Positionen umschlagen, finden immer mehr Gehör. Derzeit ist das auch bei der entstehenden Wagenknecht-Partei zu beobachten. Es ist eine Illusion, zu meinen, dass man dadurch, dass man Rechtsorientierte einlädt oder bei denen mitmacht, die kein Problem damit haben, mit Rechten zusammen zu protestieren, einen Einfluss auf sie ausübt. Im Gegenteil: Jedes Auftreten bei solchen Gruppen legitimiert sie, besonders wenn die entsprechenden Personen ein Standing in der Friedensbewegung haben, und trägt dadurch zur Spaltung der Friedensbewegung bei. Der Vorwurf, zu spalten, ist wechselseitig! 

Um was und wen geht es? 
Dazu ist in den letzten Heften von Otmar Steinbicker und Renate Wanie schon viel gesagt worden, das nicht wiederholt werden soll. Deshalb nur zwei Beispiele jüngerem Datums, die noch nicht erwähnt wurden:

  • Eindeutig rechtsextremistische Gruppierungen wie der „Aufbruch Deutschland“ mischen bei Friedensaktionen mit, z.B. bei den Ramstein-Protesten im vergangenen Juni. Dort ließ sich der ehemalige SPD- und ehemalige Linken-Politiker Oscar Lafontaine zusammen mit einer Frau vom „Aufbruch Deutschland“ ablichten; das Bild erschien auf Facebook. (1)
  • Führende Politiker*innen der Partei „dieBasis“ nehmen teil an Protesten, an denen auch eindeutig rechtsextremistische Gruppierungen beteiligt sind. Dazu gehörte z.B. eine Demonstration in Magdeburg und die Verbindungen zu Veranstaltungen der Kölner „Arbeiterfotografie“, die öffentlich eine Querfront vertreten. (2) DieBasis schreibt von sich: „Die basisdemokratische Partei dieBasis will eine andere Politik für Deutschland, in der die Kategorisierung rechts – links keine Rolle mehr spielt“ (3), was zumindest als fehlende Abgrenzung gelesen werden muss.

Die Spaltung der Friedensbewegung ist real, denn immer mehr Gruppen sind nicht bereit, zu tolerieren, dass solche Querfronten gebildet werden. 2022 ist ein neues Bündnis, u.a. mit der DFG-VK, IPPNW, attac, Frauennetzwerk für Frieden, AGDF und BSV unter dem Titel „Stoppt das Töten“ entstanden, das eigene Aufrufe gegen den Ukraine-Krieg organisiert, mit dem expliziten Ziel, sich von als rechtsoffen wahrgenommenen Gruppen abzugrenzen. Seine Aufrufe enden stets mit den Sätzen: „Für Menschen und Gruppen aus dem nationalistischen und antidemokratischen Spektrum ist auf unseren Aktionen kein Platz. Ebenso erteilen wir Menschen und Gruppen eine Absage, die Journalist*innen gewaltsam angreifen, Verschwörungsmythen anhängen oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie etwa Rassismus, Antisemitismus und Sexismus verbreiten.“ (4) 

Anmerkungen
1 https://aufbruchdeutschland.de, https://www.facebook.com/people/Aufbruch-Frieden-Souver%C3%A4nit%C3%A4t-...
Um auf Facebook zu Lafontaine zu kommen, muss man nach unten zum 24.6. scrollen; die Rede von Lafontaine in Ramstein ist dort übrigens auch anzuhören.
2 https://www.instagram.com/p/CyBDT0fOmFA/ , https://www.zeit.de/news/2023-09/16/2000-menschen-bei-protesten-gegen-re..., http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28865
3 https://diebasis-partei.de/2023/07/was-ist-eigentlich-links/
4 https://stoppt-das-toeten.dfg-vk.de/

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Hintergrund
Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.