Aktionen gegen Bundeswehrausstellungen

Töten ist kein Beruf

von Thomas Haschke

Es gibt fast keine Ausbildungs- und Jugendmesse in der Bundesrepublik, auf der die Bundeswehr nicht präsent ist. Dies scheint nötig, um den Bedarf an Soldatinnen und Soldaten zu decken: Jedes Jahr braucht die Armee 60.000 Bewerbungen für die 20.000 zu besetzenden Stellen, um die militärischen Aufgaben weltweit zu erfüllen – das sind 10 Prozent jedes Jahrgangs (Quelle 1). Diesen Umfang schafft die Bundeswehr trotzdem nicht zu erreichen.

Zurzeit suchen die RekrutiererInnen vor allem Mannschaftsgrade bei der Marine und im Sanitätsdienst (Quelle 2). Dank ihrer massiven Nachwuchswerbung 2014 mit einem Etat in Höhe von 29,9 Millionen Euro (Q 3) konnten sie letztes Jahr erstmals über 10.230 (Q 4) junge Menschen für den freiwilligen Wehrdienst (FWD) werben. Die Armee hinkt ihren reduzierten Sollzahlen von 12.500 immer noch hinterher, und das ist auch gut so. Davon brachen zudem noch 23 Prozent den Wehrdienst in den ersten sechs Monaten ab, nur 20 Prozent der FWD wollen sich vielleicht danach bei der Bundeswehr bewerben (laut BW Studie 2012) (Q 4). Die Kosten der Nachwuchswerbung sollen dieses Jahr auf 35,3 Millionen Euro Steuergeld (Q 3) noch einmal steigen. Damit ist die Bundeswehr der „Arbeitgeber“, der in der BRD das meiste Geld für seine Nachwuchswerbung ausgibt und mit die höchsten Abbruchquoten hat.

Was macht die Bundeswehr am Stand?
Im letzten Jahr beteiligten sich die Karriereberater und Jugendoffiziere auf über 1800 Messen und Ausstellungen (Q 3) und erreichten somit fast jede/n SchülerIn. Meist ist der Stand der Bundeswehr einer der größten und personell am stärksten besetzten Stände auf der Messe. So konnte ich schon erleben, dass auf den Ausbildungsmessen die Standbesetzung der Armee die doppelte Stärke hatte wie die anderer Firmen. An vielen Schulen gibt es für Besuche von Ausbildungsmessen unterrichtsfrei. Bedingung ist ein Nachweis, dass man bei Firmen ein Berufsorientierungsgespräch geführt hat. Dass junge Menschen bei so einer Bewerbungsgesprächssuche mitunter schüchtern sind, spielt den geschulten RekrutiererInnen in die Hände. Sie sprechen wie letztes Jahr auf der vocatium in Stuttgart gezielt Schülerinnen und Schüler an, die am Stand vorbeilaufen. So kommt die Bundeswehr 2014 auch auf 393.000 Gesprächskontakte (Q 3).

Was tun?
In den letzten Jahren nahm der Widerspruch gegen die Bundeswehr auf Bildungsmessen zu. Ich möchte nun darauf eingehen, wie vielfältig der Protest dagegen sein kann. Ich bin froh, dass ich nicht auf alle Protestformen eingehen kann, weil diese sehr vielfältig sind.

Ein paar Beispiele, was Institutionen tun können:

Terres des hommes protestiert regelmäßig gegen Militärwerbung an Kindern (Q 5) und fordert zu Recht die Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle, die ein Anwerben von 17-Jährigen untersagt. Deutschland wurde auch dieses Jahr von der UN wieder dazu aufgefordert, dies umzusetzen. Auch in Kommunen können Stadträte, die meist mit in Aufsichtsräten bei den Kommunalen Messe GmbHs sitzen, Sand ins Rekrutierungsgetriebe streuen. So erreichte die Linksfraktion in Bochum 2013, das die Bundeswehr auf der Bildungsmesse zumindest nur für zivile Berufe werben durfte – dies aber nicht einhielt. Noch wichtiger jedoch sind die Diskussionen und Aktionen, die der Antrag auslöste (Q 6). Die DFG-VK Baden-Württemberg schrieb 2014 einen Protestbrief an die Bertha-von-Suttner-Realschule Stuttgart, die mit der „local Career“ eine lokale Jobmesse mit allen Schulen des Bezirkes veranstaltete und die Bundeswehr dazu eingeladen hatte. Dank dieses kleinen Protests meldete der Direktor der Schule, dass es bei der nächsten Messe keinen Bundeswehrstand mehr gibt.

Viele lokale Friedens- und antimilitaristische Gruppen organisieren regelmäßig Proteste gegen das Werben fürs Sterben auf Bildungsmessen. Diese Messen bieten auch lokal immer ein Aktionsfeld, um gegen Krieg und Militarismus zu protestieren. Die Kreativität bei den Aktionen ist sehr vielfältig. Auch nur zu zweit kann man eine gute Aktion vor Ort durchführen, z.B. Flyer verteilen. Der aktuelle Bericht des Wehrbeauftragten des Bundestages liefert genug Beispiele für einen Flyer, der zeigt, wie unattraktiv die Bundeswehr ist. Bundeswehr-Stände wurden schon mit Transparenten, Plakaten, Farbe ... verschönert.

Die Vielfältigkeit der Aktionen zeigte sich auch zum Tag der Bundeswehr, am 13. Juni 2015. In Flensburg wehte ein Antikriegstransparent mit der Aufschrift „War starts here“ (Krieg beginnt hier) an der Gorch Fock; in Bonn gab es eine Flashmobaktion; in Berlin wurde das Rekrutierungsbüro im wahrsten Sinne des Wortes zugemauert; zudem fanden an den meisten der Bundeswehr-Veranstaltungsorte Mahnwachen oder Kundgebungen statt.

Beispiele aus Stuttgart
Ich möchte nun ein paar Aktionen der letzten Jahre aus Stuttgart vorstellen. Auf der letzten Didacta 2014 in Stuttgart organisierte das Bündnis „Schulfrei für die Bundeswehr“ an zwei Tagen eine Mahnwache vor der Messe. An einem Tag organisierten AktivistInnen vom Offenen Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart (otkm) die Flashmobaktion „Tatort Bundeswehr“, wo bis zum Eintreffen der Messe-Security der Stand der Bundeswehr als Gefahrengebiet abgesperrt wurde. Dabei wurden eine Rede gehalten und Flyer verteilt. Bei anderen Messen zeigten wir vom otkm mit ausgestellten Leichentüchern und Transparenten, was der Beruf des Soldaten für Konsequenzen haben kann: getötet oder zum Mörder zu werden. Leider mussten wir uns auch noch andere Aktionsformen einfallen lassen, da die Securitykräfte immer zahlreicher bei der Bewachung der Bundeswehrstände wurden. Das zeigt aber auch schon, dass unser Protest nicht erfolglos ist. Bei den Bewachungskosten muss die Bundeswehr jedes Jahr mehr Geld ausgeben: 2013 schon 146.000 Euro. Außerdem setzt sie zur Ermittlung von Protesten an den Ständen auch den Militärischen Abschirmdienst (MAD) ein, dies kam bei einer Anfrage der Linken nach einem Artikel in der Bundeswehrzeitung „Y“ heraus. Der MAD arbeitet dabei schlecht, denn nicht alle Proteste werden registriert (Q 7).

Wir überlegten uns letztes Jahr, was wir kreativ den großen Ständen der Bundeswehr entgegensetzen können und kamen auf die Idee, Luftballons mit dem Spruch „Bundeswehr raus aus Schulen und Messen – Krieg beginnt hier“ zu bedrucken und auf Kundgebungen vor Messen zusammen mit Aufklärungsflyern zu verteilen. Damit kamen/kommen wir nicht nur gut mit SchülerInnen und LehrerInnen ins Gespräch, sondern auch mit anderen Firmenausstellern, die die Bundeswehr störend auf der Messe finden. Gerne kann ich Vorlagen für die Luftballons zu Verfügung stellen.

Dies sind nur ein paar kleine Anregungen für Euch, um vor Ort Aktionen zu planen und durchzuführen. Dafür wünsche ich Euch viel Erfolg.

Bundeswehr raus aus Messen!

 

Quellen:
1 http://www.bundeswehr.de  Artikel vom 23.02.15.  Frank Bötel, Aktiv. Attraktiv. Anders. – Parlamentarischer Endspurt für das Artikelgesetz

2 http://www.focus.de/regional/ulm/verteidigung-von-der-leyen-will-mehr-mi...

3 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/045/1804525.pdf

4 http://www.n-tv.de/politik/Bundeswehr-lockt-immer-mehr-Rekruten-article1...

5 http://www.tdh.de/was-wir-tun/themen-a-z/bundeswehr-an-schulen/meldungen...

6 https://www.youtube.com/watch?v=BX2TaUmZY4k

7 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/023/1802325.pdf

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt