Totalverweigerung 2007

von Michael Behrendt

Am 15. Mai 2007, dem Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, stellte sich der Totalverweigerer Jonas Grote mit einer Aktion gewaltfreien zivilen Ungehorsams den Militärbehörden in Karlsruhe. Jonas wurde am 1. April 2007 zum Grundwehrdienst einberufen und trat den Dienst nicht an. Er begründete dies damit, dass er "aus Nächsten- und Feindesliebe mit ruhigem Gewissen keinen Kriegsdienst leisten kann. Der Zivildienst ist ein ziviler Kriegsdienst - ohne Waffe - und als Kriegsdienst für mich keine Alternative. Die Wehrpflicht ist verfassungswidrig, da sie Menschen gegen ihr Gewissen zum Kriegsdienst zwingt, Menschen ungerecht behandelt und ihre Würde verletzt." Darauf will er mit seiner Totalverweigerung aufmerksam machen.

Nach eintägigem Verschub von Karlsruhe nach Roth bei Nürnberg wurde Jonas in seine Stammeinheit gebracht. Von dort wurde er direkt nach Nürnberg gefahren und in Untersuchungshaft gesteckt, da es bereits einen Haftbefehl gegen ihn gab. So musste Jonas erst einmal ins Nürnberger Untersuchungsgefängnis. Nach der Vorstellung beim Haftrichter und der Haftprüfung wurde Jonas mit der Auflage entlassen, sich in der Kaserne zu melden. In seiner Grundausbildungseinheit in der Otto-Lilienthal-Kaserne wurde ihm dann der Befehl erteilt, die Uniform anzuziehen, was Jonas natürlich verweigerte. Seine Gehorsamsverweigerung führte am 23. Mai zur ersten Arrestierung über 21 Tage.

Die Praxis der Bundeswehr ist es, unbeugsame Kriegsdienstgegner, die sich dem Dienst dauerhaft und grundsätzlich verweigern, mehrfach hintereinander zu arrestieren. Üblicherweise werden sie mindestens 63 Tage eingesperrt, danach wird ein Dienstverbot ausgesprochen und das Tragen der Uniform verboten. Mit dem Mittel des Arrestes unter Isolationsbedingungen versucht die Bundeswehr, Totalverweigerer zu brechen. Der Umgang mit Totalverweigerern ist grundsätzlich skandalös und missachtet mehrfach die Grundrechte der Betroffenen. Selbst Gehorsam verweigernden Zeit- und Berufssoldaten muss nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eine gewissensschonende Handlungsalternative ermöglicht werden, wenn sie eine Gewissensentscheidung getroffen haben. Totalverweigernde Wehrpflichtige werden stattdessen in Arrest genommen.

Am 3. Juli konnte Jonas am späten Nachmittag die Kaserne nach insgesamt 42 Tagen Bundeswehrarrest als freier Mensch verlassen. Auf Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung wurde er nach § 29 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Wehrpflichtgesetz entlassen. In der Entlassungsbegründung wurde darauf hingewiesen, dass nach seinem bisherigen Verhalten durch sein Verbleiben in der Bundeswehr die militärische Ordnung ernstlich gefährdet sei. Außerdem sei durch die Nachahmungsgefahr die Funktionsfähigkeit der Truppe gefährdet. Schön wäre es!

In Gefahr ist jedoch nicht die militärische Ordnung der Truppe, sondern das Grundrecht auf Gewissensfreiheit. Die Bundeswehr berief Jonas Grote ein, obwohl er bereits bei der Musterung offen zu seiner Einstellung zum Kriegsdienst stand.

Der Umgang mit konsequenten Kriegsdienstverweigerern durch die Bundeswehr ist Ausdruck der menschenrechtswidrigen Wehrpflicht und des inneren Gefüges militärischer Organisationen. Es ist ein Skandal, dass Totalverweigerer wochenlang arrestiert werden, um sie zu zwingen, als Soldat zu dienen und das Töten zu lernen.

Es ist bezeichnend, dass Wehrpflichtige, die mit opportunistischen Mittel versuchen die Wehrpflicht zu umgehen, großzügig ausgemustert oder freigestellt werden, Menschen, die sich offen gegen ihre militärische Einplanung wehren, hingegen einberufen und eingesperrt werden.

Ähnliches wie Jonas droht zur Zeit Alexander Hensel. Er wurde zum 2. Juli 2007 einberufen und ist seitdem eigenmächtig abwesend von der Truppe. Auch er hat vor seiner Einberufung angekündigt, dass er totalverweigern wird. Totalverweigerer brauchen unsere Solidarität!

Alexander Hense wurde am 07.07.2007 um 23.30 Uhr von Feldjägern zu Hause abgeholt. Am Sonntag, 08.07.07, wurde er um 6.30 Uhr nach Bad Frankenhausen gebracht. Nach seinen Angaben war die Behandlung durch die Feldjäger unterschiedlich. Manche freundlich, manche das Gegenteil. Er freurt sich also auf alle Fälle auf Post von Unterstützern. (Rekrutenkompanie 5, Seehäuser Str. 60, 06567 Bad Frankenhausen).

Hintergrundinfos zu Alexander Hense gibt es hier: http://realsatire.gmoc.de/

Infos zur TKDV: http://www.kampagne.de/Wehrpflichtinfos/Totalverweigerung.php

http://www.asfrab.de/media/pdf/profil_bwarrest_2004.pdf

Hintergrundinfos zu Jonas gibt es hier: http://www.jonasgrote.de/themen/wehrpflicht/

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Michael Behrendt ist Mitarbeiter der Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung.