6x jährlich erscheint unsere Zeitschrift "FriedensForum" und informiert über Neuigkeiten aus der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeheft zu!
Trotz alledem *
vonVerfassungsrichtern sei Dank wissen wir nun einmal wieder wo's langgeht, mit der Demokratie: Den bisher in der Verfassung nicht eindeutigen Volksbegriff legen sie politisch aus und drücken den Zeitgeist ins Gesetz: Das Volk seien eben die Deutschen - sprachen die rotbemantelten Paragraphendeuter - was kümmert sie Europa, was kümmert sie die Welt!
Nehmen wir sie beim Wort! Wir sind das Volk, Rheinländer, Sorben, Dünen, Roma, Türken, Bayern, Tamilen, Sachsen usw..
Natürlich steht es nun ganz oben im Forderungskatalog für eine neue Verfassung der vereinigten Deutschlands: Das AusländerInnenwahlrecht.
Aber diese Verfassung wollen ja dieselben Verhindern, die nun in Karlsruhe Schützenhilfe bekommen haben. Ist es dann noch redlich, in Zeiten der Asylantenhetze und Verschärfung der Ausländergesetze auf verfassungsändernde Mehrheiten zu setzen, die nicht in Sicht sind?
Warum dort angreifen, wo die GegnerInnen am stärksten sind? Die Staatsbürgerschaft sollen unsere ausländischen MitbürgerInnen leichter erwerben können. Darauf haben die Herren der Verfassung selbst hingewiesen. Bisher gibt es wenige schwieriger zu nehmende Hürden in diesem Land. Wer nicht von Deutschen abstammt oder sich auf das Bundesvertriebenengesetz berufen kann, muss neben Sprache und Aufenthalt den lupenreinen Lebenslauf vorweisen können, um in den Genuss der Gnade des Deutschtums zu kommen. Und selbst, wer diese Bedingungen alle erfüllen kann, muss meist passen, weil die deutsche Staatsangehörigkeit bis jetzt Ausschließlichkeitsanspruch erhebt: Verlust der "alten" Staatsbürgerschaft bedeutete dann für viele Verlust der in der "Heimat" erworbenen zivil,- erb- oder sozialrechtlichen Ansprüche.
Nun gut - dazu unser Vorschlag:
- Erwerb der Staatsbürgerschaft. Die deutsche Staatsbürgerschaft wird erworben durch
- Abstammung,
- Geburt auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland bzw. Transportmitteln, auf die sich deutsche Hoheitsgewalt nach int. Recht erstreckt,
- durch Willenserklärung gegenüber dem Standesbeamten, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: Bei EG-BürgerInnen:
- Bestehen eines ununterbrochenen Hauptwohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland seit mindestens drei Monaten.
- Bei nicht-EG-BürgerInnen:
Bestehen eines ununterbrochenen Hauptwohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland seit mindestens 3 Jahren, sowie:
die Anerkennung als Asylberechtigte/r nach Art.16 Abs.2 Grundgesetz; oder
die Anerkennung als de-facto-Flüchtling gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention; oder
die unbeschränkte Aufenthaltsberechtigung ; oder
die Aufenthaltserlaubnis, sofern keine strafrechtlichen Gründe der Einbürgerung entgegenstehen, oder
Staatenlosigkeit sowie der rechtmäßige Aufenthalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes leben; oder
Anerkennung als Kontingentflüchtling; oder
Einwanderer und Einwanderinnen nach den Bestimmungen des Einwanderungsgesetzes.
- Doppelte Staatsbürgerschaft
Das Staatsbürgerschaftsgesetz der Bundesrepublik Deutschland wird dahingehend geändert, daß mit dem Erwerb der Deutschen Staatsbürgerschaft eine bestehende Staatsbürgerschaft beibehalten werden kann.
- Bundesvertriebenengesetz/Einwanderung
Das Bundesvertriebenengesetz mit seinem weitgehend unbestimmten Bedingungen deutscher Volkszugehörigkeit wird ersetzt durch ein Einwanderungsgesetz, das die bisherigen Kriterien der Einwanderung in die Bundesrepublik Deutschland ändert. Ziel dieser Änderung ist die Ablösung von Kriterien wie "Bekenntnis zum Deutschtum oder Pflege der deutschen Kultur" durch Kriterien, die in einem demokratischen Diskussionsprozess vom Deutschen Bundestag regelmäßig zu überprüfen sind.
Die Einwanderungskriterien sollen so fortentwickelt werden, daß Einwanderung einen Beitrag leistet:
- Forderungen der UN-Menschenrechtskonvention, der Flüchtlingskonvention der Organisation Afrikanischer Staaten OAU zu unterstützen, und dementsprechend Flüchtlinge aufzunehmen,
- Verfolgten und Opfern der Terrorherrschaft des Nationalsozialismus sowie deren Nachkommen, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Folgen des II. Weltkrieges Flüchtlinge sind oder in besonderer wirtschaftlicher Not oder besonderer ethnischer Diskriminierung leben, ein Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse zu ermöglichen.
- Den BürgerInnenrechten auf Freizügigkeit, wie sie in der KSZE-Schlußakte von Helsinki formuliert worden sind, Geltung zu verschaffen.
Denn merke: Einst kam auch Rom nicht umhin, den Barbaren Bürgerrechte zu verleihen, denn es wäre ohne sie verschwunden.
Roland Appel ist Abgeordneter des Landestag Nordrhein-Westpfalen für die Fraktion Die Grünen und Innenpolitischer Sprecher der Fraktion
* Ihr hemmt uns nur, Ihr zwingt uns nicht: unser die Welt trotz alledem !(Ferdinand Freiligrath nach der Niederschlagung der (anderen) bürgerlichen Revolution von 1848)