Über die letzten Aktionen zur Rettung der SPD

von Martin Singe
Initiativen
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Der Parteitag der SPD am 16./17.Nov., der der Bestätigung der Peters­berger Beschlüsse dienen sollte, stand schon kurz bevor, als sich die INITIATIVE ZUR BEWAHRUNG DER SPD VOR VERHÄNGNISVOLLEN IRRTÜMERN zu einer letzten Kraftanstrengung aufraffte.

Ein Bündnis von Gruppen wie DFG, Falken, Pax Christi, Grüne, Jusos, das Bonner Romero-Haus u.a. riefen zum Parteitag von unten nach Bonn. Ein gelbes Flugblatt mit dem Programm zeigte Engholm, Rau und Klose im Fes­selballon sich von der Basis entfernend und das Grundgesetz als Ballast abwer­fend. Dazu Engholm selbst im Interview mit ZDF-Chef Bresser: "Also, solch ein Bild, das finde ich richtig gemein."

Das Parteitagsgelände der Bonner Beethovenhalle war weiträumig von der Polizei abgesperrt: wollte man schon mal die Festung Europa vorspiegeln? Dennoch gab es weit vom eigentlichen Eingang der Halle entfernt einen Durchlass für die Delegierten, wo wir unsere Aktionen vorbereitet hatten. Parteigeschäftsführer Blessing hatte im Vorhinein heftig appelliert, doch bitte keine Aktionen durchzuführen, die wie ein Spießrutenlaufen aussähen. Erst recht sollte kein Menschenteppich von symbolisierten abgelehnten Asylbewer­bern - was in der Diskussion war - dar­gestellt werden, da das ein zu peinliches Bild vor der Presse abgegeben hätte.

Höflich wie wir sind, waren denn auch unsere Aktionen: einladend, humorvoll und trotzdem sehr ernst.

Eine Festung Europa symbolisierte den Wohlstand der Ersten Welt, der gegen außen notfalls militärisch verteidigt und vor Ausländern abgeschottet wird. Eine große Kartonwand zeigte u.a., wie der Händedruck zwischen CDU/CSU/FDP und SPD einen Asylbewerber zer­quetscht. Bilder zeigten verfolgte oder exilierte Sozialdemokraten aus der Zeit des Nationalsozialismus.

Sandwichs waren zu sehen mit Auf­schriften wie: "Parteidisziplin: Lieber das Grundgesetz demontieren als Eng­holm"; "Artikel-16-Änderung als Ticket für die große Koalition"  Aufgebaut war auch ein Petersberg, bei dessen Über­schreiten man heftig das Grundgesetz treten konnte. Hier waren die drei Pe­tersberger Gebote zu lesen: "1. Gehor­che dem Vorsitzenden der Partei! 2. Sei stets be­reit zur Wende! 3. Das Grundge­setz steht auch nur auf Papier!" Grundge­setze in der alten Fassung wur­den als Sonderangebot im Schlussverkauf ange­boten und ein Demonstrant forderte "Nur noch Sachleistungen für Klose und Engholm!"

Jeweils 5 Minuten vor einer vollen Stunde sollte eine Krach-Weck-Aktion die Delegierten mahnen.

Als eine Gruppe der Jusos auf das Ge­lände wollte, um mit Delegierten zu dis­kutieren, wurde ihnen dies verboten. Blessing selbst eilte herbei, um sie auf das bereitstehende Schiff abzuschieben, auf dem sie doch bitte diskutieren soll­ten.

Nach quälend-langer Diskussion, in der Blessing sämtliche Argumente ausge­gangen waren, durften sie vier Stunden später dann doch gegen Vorzeigen des Parteiausweises auf das Gelände - zu­fällig genau zu dem Zeitpunkt, als die Delegierten nach der Mittagspause wie­der in die Halle mußten.

Nachmittags fanden auf dem Abschie­beschiff am Rhein einige gute Diskus­sionen zur Asylfrage und zur out-of-area-Thematik statt, teilweise mit Parteitags­delegierten, die jedoch alle den Kompromisstext der Antragskomis­sion vertraten.

Die Parteitagsdebatte, die auf dem Schiff übertragen wurde, schleppte sich dahin und die Hoffnungen auf ein Kip­pen der geplanten Grundgesetzänderun­gen wurde immer geringer. Die Strate­gie, sich mit dem Petersberger Text ganz weit vorzuwagen, dann im sog. Kompromisstext etwas zurückzugehen und die Annahme dieses Textes mit der Vorsitzenden-Frage zu koppeln, ging immer deutlicher auf. So war das Ende, bzw. die Abstimmungsergebnisse vor­auszusehen, aller­dings erschütterlich, wie gering die in­nerparteiliche Opposi­tion geworden war.

Am Ende des Parteitages wollte denn auch kaum noch einer der genervten Delegierten das kommentierende Flug­blatt der In­itiative entgegennehmen. Alle schienen erleichtert, endlich einen Beschluß gefasst zu haben. Interesse fand der letzte Demonstrant - dem Anlass der Blau­helmdebatte gemäß in Uni­form - nur bei einem Bundeswehr­hauptmann. Der empörte Soldat ließ in Unkenntnis der Rechts­lage die Uniform durch die Polizei si­cherstellen.

Die Aktionen am Parteitag zu ma­chen, war sicher dennoch ein sinnvolles Un­terfangen, auch wenn dadurch keine Delegierten mehr vom Engholm-Kurs abzubringen waren. Für Parteimitglieder der SPD bleibt das Angebot der GRÜ­NEN bestehen, das diese an ihrem Stand bei unseren Aktionen gemacht hatten: Vereinfachtes und beschleunigtes Auf­nahmeverfahren.

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".