Kriegsführung mit Landminen immer häufiger/ weltweit Probleme beim Minenräumen/ Minenräumung durch Daimler Benz in Kuweit

"Überall sind diese Minen ..."

von Rainer Kahrs
Initiativen
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Die beiden Touristen hatten Pech. An der Grenze zwischen Thailand und Birma, so erzählt eine deutsche Arzthelferin, gaben die beiden sich birmesischen Widerstandskräften als US-Amerikaner zu erkennen. So­fort standen sie unter dem Verdacht, einem Geheimdienst anzugehören. Fast zwei Wochen wurden sie in Erdlöcher eingesperrt, bevor heraus­kam, daß sie wirklich nur Touristen waren. Eine thailändische Frau und ihr Kind brachten die Amerikaner aus der Gegend wieder heraus. Auf dem unwegsamen Pfad ging der Junge der Gruppe voran. Das Gelände war vermint der Junge trat während des Marsches auf eine verborgene Mine und wurde getötet.

"Überall sind diese Minen", sagt die deutsche Helferin, "und keiner weiß mehr, wo die Minen eigentlich noch sind." Nach den Monsumregenfällen werden Minen weggewaschen, sie schwimmen plötzlich in Flüssen oder sie liegen nach Erdrutschen an Stellen, wo niemand sie vermutet.

Vermint wird in Birma überall: Von den birmesischen Militärs, die Terrain im Land oder an der Grenze zu Thailand si­chern wollen, aber auch das Volk der Karen, die in ihrem Gebiet dem Militär Widerstand leisten, will sich mit diesen Waffen vor Übergriffen schützen. Aber nicht nur die Karen machen Erfahrun­gen mit Minen.

Muslime, die vor den Regierungstrup­pen nach Bangladesh geflüchtet sind, berichten von dem zwangsweisen Ein­satz als menschliche Minenräumer. (FAZ, 4.2.92) In anderen Regionen Birmas setzt das Militär für solche Auf­gaben Hunde, Frauen und alte Men­schen ein.

Auch wenn das Land einmal demokra­tisch werden sollte und nicht mehr von den Militärs um den Diktator Ne Win beherrscht wird, die Minen werden blei­ben: Mühselig zu entschärfen, ein großer Teil unauffindbar, eine immer­währende Gefahr für die Zivilbevölke­rung.

Minen - ein weltweites Problem

Birma ist nur ein Beispiel von vielen.

Überall, wo Krieg ist, sind auch Minen. Indien vermint derzeit einen Teil seiner Grenzen. Der Grund: Tausende Kasch­mierer sollen daran gehindert werden, die durch Kaschmir gehende Grenze zwischen Pakistan und Indien zu über­schreiten. (SZ, 10.02.92) Im vom Bür­gerkrieg geschüttelten Somalia werden große landwirtschaftliche Flächen ver­mint, um den Anbau von Nahrungsmit­teln zu verhindern. So soll die gegeneri­sche Bürgerkriegspartei ausgehungert werden. Das gleiche geschieht im Bür­gerkrieg im Süden des Sudan.

Doch nicht nur im fernen Afrika und Asien wird vermint. Die die EG-Mit­gliedschaft anstrebende Türkei hat, nach Angaben von medico international, in einer Regierungserklärung die Vermi­nung der Grenze zu Syrien, Iran und be­sonders zum Irak angekündigt. Kurdi­stan wird von einem Minengürtel an der irakisch-türkischen Grenze immer un­überwindlicher geteilt. Hintergrund: Eine Massenflucht von irakischen Kur­den wie nach dem zweiten Golfkrieg in die Türkei soll nicht wieder möglich sein und die kurdische PKK, die im Irak und in Syrien über militärische Basen verfügt, militärisch geschwächt werden. Aber auch irakisch-Kurdistan ist voll­ständig vermint. Nach Angaben von medico sollen dort auf einem 30km breiten Minengürtel ungefähr 20Mio Minen im Erdreich vergraben liegen.

Minen dienen der Kriegsführung, um militärisch wichtiges Terrain zu sichern. "Die Mine ist wirklich ein billiger Sol­dat", sagt Collin Mitchell, Minenspezia­list in Kambodscha in einer Spiegel-TV-Reportage. (Spiegel TV 14.5.92, "Mad Mitch") "Sie können eine Mine als Wachposten verpflichten, aber Sie müs­sen keinen Sold bezahlen. Sie müssen sie nicht füttern, überhaupt gar nichts mit ihr machen. Sie ist ein stehender Soldat am Boden. Sie haben alle Vor­teile, so die Region zu behaupten. Alles was Sie machen müssen, ist ein Stück Plastik oder Metall in der Erde zu ver­graben." Minen werden aber auch wie in irakisch Kurdistan oder Somalia in breit angelegten Strategien eingesetzt, wenn es darum geht, der Bevölkerung den Zugang zu Wirtschaftsräumen zu ver­sperren. In Angola wiederum wurden von Südafrika gezielt besondere Minen benutzt, die nicht töten sondern nur ver­stümmeln, um das Gesundheitssystem lahmzulegen und die sozialen Folgeko­sten in die Höhe zu treiben. Rupert Neudeck vom Hilfswerk Cap Anamur berichtet heute, wegen der Verseuchung durch Minen seien "große Landstriche in Angola menschenleer".

Der Krieg geht, die Minen bleiben

Auch dort, wo der Krieg mehr oder we­niger beendet ist, bleiben Minen eine ständige Gefahr für die Bevölkerung. Immer wieder werden in Afghanistan und Angola, in Nicaragua und El Salva­dor Menschen von Minen verletzt oder getötet. In Afghanistan sterben wie in Kriegszeiten noch heute Kinder an Mi­nen, die die Rote Armee als Puppen und Bälle getarnt aus der Luft abgeworfen hatte. In Kambodscha, dem Land mit den meisten Minenopfern, resignieren selbst Fachleute: Colonel Alan Beaver, von der UN beauftragter Minenspezia­list aus Neuseeland, sagt: "Ich glaube nicht, daß die Grenze jemals entmint werden wird." (JDW, 16th May 1992) Und schlimmer noch als an der Grenze sieht es im Land selber aus. "Das Land", so der Colin Mitchell im Spiegel-TV, "hat sich in den vergangenen Jahren zu einem gigantischen Minenfeld entwickelt. ...Und alle legten Minen, um stra­tegische Positionen zu behaupten. So ist das ganze Land lahmgelegt, aus Angst vor den Minen."

In Kambodscha werden nach Angaben von Ärzten derzeit im Durchschnitt mehr als 100 durch Minen verursachte Amputationen im Monat vorgenommen. Mitchell ist mit wenigen an­deren bei der Entminung allein. Es gibt in Kambodscha bei der Entminung keine personelle Unterstützung durch die UN, aber immerhin etwas Geld für die Ausrüstung.

Wesentlich unzureichender noch als in Kambodscha sind zum Beispiel die Mi­nensuchtrupps in Kurdistan oder Angola ausgerüstet. Häufig schlecht ausgebil­dete Freiwillige ohne Schutzkleidung und nur mit einfachsten Detektoren aus­gerüstet versuchen Minen aufzuspüren und zu entschärfen. Und entschärft wer­den können Minen ohnehin nur dann, wenn sie überhaupt detektierbar sind. Das aber ist oft nicht der Fall. Detekto­ren reagieren zum Beispiel nicht auf Plastik, ein Material, aus dem die mei­sten modernen Minen gefertigt sind. Das einzige Metallteil, der Zünder, ist in Plastik eingeschweißt.

Entminung ist gefährlich, zeitaufwendig und sehr kostspielig. Soll ein begrenztes Gebiet wirklich entmint werden, so sagt ein Bremer Sprengstoffspezialist, müssten die einfacheren Minen von Hand freigelegt werden. Durch blindes Spren­gen hingegen würden aufgrund der dann entstehenden Detonationen andere in der Nähe liegende Minen unauffindbar verschüttet. Minenspezialist Mitchell drückt das alles noch eindrücklicher aus: "Auch wir selbst sind nicht versichert", sagt er. "Die Policen wären viel zu teuer. Allein meine Prämie würde 95% meines Einkommens kosten. Wir haben einfach akzeptieren müssen, daß wir uns nicht versichern lassen können. Man muß schon ein bisschen verrückt sein, wenn man Minen entschärft."

Wie sehr gilt das dann erst für Minen­entschärfer in Kurdistan, Angola oder in El Salvador, in Ländern, die nicht über genügend Geld und technisches know how für die Entminung ihrer Todesstrei­fen  verfügen.

Etwas anders geht es da dem reichen Kuweit. Nach der Besetzung durch Sad­dam Husseins Truppen wurden vom ira­kischen Militär weite Teile des Landes vermint. Während in Kurdistan deser­tierte irakische Soldaten fast ohne Aus­rüstung entminen und in Kambodscha private Organisationen die gefährliche Arbeit leisten, können sich die Kuweitis die besten Spezialisten für ihr Entmi­nungsprogramm einkaufen. Kuweit wurde in sechs Sektoren aufgeteilt, für jeden dieser Sektoren ist eine Firma ei­nes "befreundeten" Landes unter Ver­trag genommen worden. Firmen aus Pa­kistan, England, Ägypten, Bangladesh, Frankreich und den USA sollen den Wüstensand nach Minen aller Art durchkämmen. Gerade vor wenigen Wochen sicherte sich die türkische Ictas A.S. einen weiteren Auftrag zur Entmi­nung Kuweits in Höhe von 30 Mio$. (Turkish Defence Update, Januar 1992) Den dicksten Fisch jedoch in diesem Geschäft zog sich die US-amerikanische Firma CMS an Land. Ihr Auftrag: Ent­minung des besonders betroffenen Sek­tors 2, südlich von Kuweit City. Die zwischen dem Emirat und CMS ver­traglich vereinbarten 134 Mio US$ für die Entminung kommen allerdings nicht nur der Firma im sonnigen Kalifornien zugute. Letztendlich profitiert von die­sem Auftrag der deutsche Konzern Daimler Benz/DASA, denn die CMS ist Tochter von DASA und gehört damit zu dem deutschen Wirtschaftsimperium. Und zum kuweitischen. Denn wie alle Welt weiß, ein nicht unerheblicher An­teil der Aktien an DASA hält das Emi­rat. Und da das so ist, darf vermutet werden, daß Kuweit bei der Auftrags­vergabe an CMS auch nicht ganz unei­gennützig verfahren hat.

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Rainer Kahrs arbeitet bei der BUKO Kampagne "Stoppt die Rüstungsexporte" in Bremen.