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Wittlich:
Umschlagplatz deutscher Waffen für die Türkei
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"In Wittlich sollen Waffen für die Türkei verladen werden? Als ich das gerade im Radio hörte, wollte ich es nicht glauben", so ein Wittlicher Bürger, der spontan zu der Protestkundgebung der Arbeitsgemeischaft Frieden gegen Waffenexporte in die Türkei am Nachmittag des 13. Juni gekommen war. Auf diesen Überraschungseffekt hatte die Bundeswehr wohl gebaut und deshalb den abgelegenen Provinzbahnhof für die Verladung von 143 Militärfahrzeugen und 40 Containern ausgesucht. Es handelte sich dabei um Aufklärungsgerät aus dem Bundeswehrdepot Kappel im Hunsrück, vor allem um sogenannte Aufklärungsdrohnen vom Typ CL 89 im Wert von geschätzten 17 Millionen Mark.
Als die Verladeaktion der Bundeswehr dann bekannt wurde und sich DemonstrantInnen anmeldeten, wurden die ungefähr 50 Feldjäger, die den Zug mit Maschinenpistolen im Anschlag bewachten, noch durch eine Hundertschaft Bundesgrenzschutz verstärkt. So standen 20 friedlichen DemonstrantInnen am Montagabend die siebenfache Anzahl von Sicherheitskräften gegenüber. Doch bereits auf dem Weg zum Bahnhof Wittlich war der Bundeswehr-Konvoi durch einige RüstungsexportgegenerInnen vom Versöhnungsbund und vom regionalen ökumenischen Netz mit einer halbstündigen Blockade auf der Bundesstraße 49 bei Bengel aufgehalten worden.
Auf dem Bahnhof versuchte man dann konsequent, die kritische Öffentlichkeit fernzuhalten, indem behauptet wurde, daß die Bundeswehr das Hausrecht habe und deshalb den Zutritt zu den Bahnsteigen verwehren könne. Ferner wurde mit dieser Begründung das Fotografieren verboten. Man fühlte sich in den untergegangenen Ostblock versetzt, wo das Fotografieren von Bahnhöfen und Militärfahrzeugen auch strengstens verboten war! Um die lästigen DemonstrantInnen loszuwerden, wurden die mit Kriegsgerät beladenen Eisenbahnwaggons mit unbekanntem Ziel noch am Abend aus dem Bahnhof herausgefahren.
Dieses Vorgehen der Bundeswehr und des BGS zeigten deutlich, daß sich die Verantwortlichen sehr wohl bewusst waren, daß Deutschland im schmutzigen Krieg der Türkei gegen die Kurden zur Kriegspartei geworden ist. Diese unangenehme Wahrheit will man aber lieber gegenüber der deutschen Öffentlichkeit verschweigen. Diese Einschätzung wurde auch von DemonstrantInnen geteilt, die auf Transparenten den sofortigen Stopp der Waffenlieferungen forderten. Die Waffenlieferungen seien Beihilfe zum Völkermord am kurdischen Volk. In einem Redebeitrag betonte ein Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Frieden: "Es ist ein Skandal, daß die deutsche Regierung Waffen an die Türkei liefert, obwohl seit langem bekannt ist, daß das türkische Militär unter Missachtung elementarster Menschenrechte einen brutalen Krieg gegen das kurdische Volk führt." Daß die deutschen Waffen auch vom türkischen Militär eingesetzt werden, hätten die Berichte und Fotos der internationalen Beobachterdelegationen vom März 1994 eindeutig belegt. Aber strategische Interessen seien Außenminister Kinkel scheinbar wichtiger, als die Durchsetzung der Menschenrechte bei einem NATO-Bündnispartner.
Am Dienstagnachmittag hatten dann die Arbeitsgemeinschaft Frieden und die Aktion 3. Welt Saar gemeinsam zu einer weiteren Demonstration aufgerufen. Nach einer Auftaktkundgebung am Bahnhof zog ein Demonstrationszug durch die Wittlicher Innenstadt. Die Informierung über die Verladung von Waffen für die Türkei auf dem Wittlicher Bahnhof löste bei der Bevölkerung große Betroffenheit aus. Gertrud Selzer von der Aktion 3. Welt Saar beleuchtete in ihrem Redebeitrag die strategischen Interessen Deutschlands und der Türkei etwas genauer: "Die Türkei soll als Vorposten gegenüber den Staaten des Nahen Ostens, aber auch als `Aufpasser` für die neuen, moslemisch geprägten Staaten der ehemaligen UdSSR aufgebaut werden. Deshalb sind in den letzten Jahren Waffen für mehrere Milliarden Mark an die Türkei verschenkt worden. Die massive Verletzung der Menschenrechte durch die türkische Regierung in Kurdistan interessiert die deutsche Regierung deshalb wenig." So seien in den letzten Jahren über 1.000 Dörfer vom türkischen Militär zerstört worden. Die BewohnerInnen seien getötet oder zur Flucht gezwungen worden. Das Militär wolle damit die Kurden aus ihrer Heimatregion vertreiben, um so das "Kurdenproblem" zu lösen. Deutschland unterstütze diese Strategie, indem es z.B. Flüchtlinge aus Kurdistan mit der Begründung abschiebt, die Westtürkei sei für sie sicher und damit eine "innerstaatliche Fluchtalternativen". Während der Reise der Aktion 3. Welt Saar im März diesen Jahres nach Istanbul habe man jedoch klare Gegenweise sammeln können. Die Kurden litten auch in der Westtürkei unter massiven Repressionen. Willkürliche Verhaftungen seien an der Tagesordnung. Mit der Aussage, "wer in die Türkei Waffen liefert und gleichzeitig Flüchtlinge abschiebt, foltert mit", kritisierte Gertrud Selzer zum Schluss noch einmal deutlich die Mittäterschaft der deutschen Regierung an der Unterdrückung der Kurden in der Türkei.