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UNPROFOR- Der "UNO-Witz"?
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Nicht erst seit Butros Ghali beim Besuch in Sarajevo ausgebuht wurde, ist bekannt, daß die UNO-Blauhelmtruppe UNPROFOR in Bosnien-Herzegowina und Kroatien nicht ausschließlich auf Zuneigung stößt. Der Hauptgrund hierfür ist sicherlich, daß man sich von der UNO "mehr", sprich eine militärische Intervention, erhofft hatte. "Lebensmittel sind gut, Waffen sind besser", nach diesem Motto wird die Bedeutung des humanitären Einsatzes von vielen Menschen heruntergespielt. Daß die UNO-Soldaten kein Mandat haben einzugreifen, selbst wenn vor ihren Augen Menschenrechtsverletzungen geschehen, etwa im Rahmen der "ethnischen Säuberung" Menschen aus ihren Häusern vertrieben werden, erhöhte ihr Prestige nicht gerade. Aus UNPROFOR machten spitze Zungen bald UNPROFOL, was übersetzt der "UNPRO-Witz" bedeutet.
Aber sind es nur militaristische Gründe, nur der Wunsch nach effektiver militärischer Unterstützung, der aus UNPROFOR UNPROFOL werden ließ? Wer sich in Ex-Jugoslawien aufhält, bekommt schnell genügend Geschichten über die Blauhelmtruppen zu hören, die es lohnenswert machen würden, ihr Treiben einmal systematisch unter die Lupe zu nehmen:
* In den Berichten über die Massenvergewaltigungen an moslemischen Frauen wird immer wieder behauptet, daß UNO-Soldaten die Frauenlager oder Gefängnisse, "Bordellos" genannt, aufsuchen und sich an den Vergewaltigungen beteiligen würden. Es gibt bislang keinen Nachweis hierfür.
* Nicht nur in Kroatien und Bosnien, sondern auch in Serbien wird immer wieder erzählt, daß UNO-Soldaten bestechlich seien und daß sie sogar Ausrüstungsgegenstände (Waffen?) verkaufen würden. Auch hierfür ist uns bislang kein Beweis bekannt.
* Die Transportflugzeuge, die für die Luftbrücke nach Sarajevo genutzt werden, verlassen die Stadt leer. Die bosnische Regierung will nicht, daß die Bevölkerung aus der Stadt flüchtet. Aber die UNO hat auch keine Anstrengungen unternommen, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Dagegen gibt es belegbare Berichte von Menschen aus Sarajevo, die alle erforderlichen Papiere besaßen, die Stadt verlassen zu dürfen, und denen von dem örtlichen UNO-Hauptquartier gesagt wurde, daß die UNO kein Reisebüro sei und sich zunächst einmal weigerte, sie mitzunehmen.
* Nur der persönlichen Intervention von Butros Ghali ist zu verdanken, daß ein schwerverletztes Kind, das medizinische Behandlung im Ausland benötigte, nach Wochen andauernder Verhandlungen von den UN-Flugzeugen mitgenommen werden durfte.
* Ein Erlebnis aus eigener Anschauung, das gut das Leben von 500 Menschen hätte kosten können: Als die zehn Busse, mit denen die TeilnehmerInnen des Solidaritätsbesuches in Sarajevo (s. Bericht in diesem Heft) im Dezember gegen 18 h nach Sarajevo hineinfahren wollten, hatte der UN-Checkpoint, der von französischen Soldaten besetzt ist, "für den Tag schon geschlossen" (obwohl sie von unserem Kommen unterrichtet waren) und eine Barrikade aus Eisenkreuzen zurückgelassen. Die Busse mußten anhalten und das Führungsfahrzeug die Kreuze von Hand beseitigen. Dies geschah auf einem Stück Straße, das hundert Meter von serbischen Truppen entfernt ist und das mensch gewöhnlich nur in Höchstgewchwindigkeit durchfährt, während alle BeifahrerInnen auf dem Boden des Fahrzeugs Schutz vor Heckenschützen suchen.
* Journalisten von ITN, die die britischen Truppen in der Region um Sarajevo herum begleiten, sagten, daß letztere 'ganz heiß auf Kämpfe' seien. Sie würden öfters einfach in den Wald fahren und darauf hoffen, daß sie jemand angreife.
* Die Wohnungsmieten in Zagreb sind im letzten Jahr auf deutsches Durchschnittniveau gestiegen. Der Grund sind die vielen UN-Offiziere, die Wohnraum anmieteten. Aber welcheR KroatIn kann sich eine Wohnung für 500 oder mehr Deutschmark leisten, wenn das Durchschnittseinkommen dank der Inflation inzwischen ca 150 DM beträgt?