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Binsfelder Bauern wehren sich gegen Enteignung
Auf den ersten Blick erscheint alles ruhig heute morgen im Eifeldörfchen Binsfeld. Der Kirchturm, die Bauernhöfe, die Fachwerkhäuser - alles liegt verschlafen im Dunst, durch den gerade die Sonne bricht. Nur ab und zu ist vom benachbarten US-Flugplatz Spangdahlem ein donnerndes Grollen zu hören, wenn sich wieder einmal eine "Phantom" oder eine "F 16" in den Himmel erhebt.
Doch auf dem Schulhof wird es jetzt langsam unruhig. Nach und nach treffen Leute ein: Bauern, die gerade vom Feld kommen, resolute Bauersfrauen, die gerade noch mit großen Milchkannen hantiert haben, Arbeiter, die noch eine Nebenerwerbslandwirtschaft betreiben. Sie sind nicht freiwillig hier, denn Arbeit hätten sie im Moment genug. Sie sind auf das Gemeindebüro bestellt, das sich im Schulgelände befindet. In der Vorladung der Bezirksregierung Trier heißt es: "Die Bundesrepublik Deutschland hat die Durchführung von Enteignungsverfahren zum Zwecke des Eigentumsentzuges Ihres Grundstücks beantragt mit der Begründung, diese Flächen würden für Zwecke der Verteidigung (zur Erweiterung des Flugplatzes Spangdahlem in der Gemarkung Binsfeld) benötigt. Der Enteignungstermin ist anberaumt. Sie werden hiermit zu diesem Termin geladen."
Enteignungsbehörde, die Bezirksregierung Trier, und Antragsteller, das Bundesvermögensamt im Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums, hatten sich die Sache wohl etwas einfacher vorgestellt. Auf drei Tage verteilt hatten sie die 28 betroffenen Grundstückseigentümer nacheinander geladen, um sie einzeln abzufertigen. Doch zum ersten Termin erschienen sie geschlossen - und entschlossen, ihr Land nicht freiwillig herzugeben.
Enteignet werden soll zunächst 12,5 Hektar Ackerland; doch die US-Luftwaffe hat bereits für weitere 30 Hektar Interesse angemeldet. Den heute erschienenen Eifelbauern ist es ernst. Mit selbstgemalten Schildern besetzen sie den Verhandlungssaal. Der Vertreter der Bezirksregierung, Dr. Peter Klameth, will noch auf sein Hausrecht pochen und kann gerade noch verkünden: "Ich bin die Enteignungsbehörde!" Auf den Protesttafeln muß er jedoch lesen: "Stopp dem militärischen Landfraß!" und "Wir protestieren gegen Erweiterung und Aufrüstung!".
Zwei Stunden geht es dann drunter und drüber. Der Landwirt Rolf Faber hält den behördlichen Herren vor: "Sie haben hier die Interessen des Volkes zu vertreten." Als Herr Dr. Klameth meint, den lauten Ton rügen zu müssen, wird Fabers Stimme noch etwas stärker: "Durch den Fluglärm sind wir schon aggressiv. Da müssen wir sowieso schon lauter sprechen!" Jetzt sind die Fronten klar.
Die betroffenen Eigentümer haben sich in einer "Interessengemeinschaft gegen die Flugplatzerweiterung" zusammengeschlossen. Sie setzen durch, daß die Interessengemeinschaft als Bevollmächtigte der Grundstückseigentümer anerkannt wird. Doch als sie verlangen, daß alle Fälle auf einmal und insgesamt verhandelt werden, kontert Dr. Klameth mit dem Hinweis, daß dies vom Gesetz nicht vorgesehen sei. Jeder Fall muß einzeln behandelt werden. Karl Schneider, selbst von der Enteignung betroffen, ist als Sprecher der Interessengemeinschaft jedesmal dabei. Die Devise lautet: Keiner der Landwirte ist zu einem "freiwilligen" Verkauf bereit. Gegen alle wird das Enteignungsverfahren eingeleitet.
Der verantwortliche Beamte des Bundesvermögensamtes, das für das Bundesverteidugngsministerium die Enteignung betreibt, Regierungsdirektor Max Stumpf, versucht noch, Stimmung gegen die Landwirte zu machen: "Es gibt Anhaltspunkte, daß es den Eigentümern nur um mehr Geld für ihr Land geht." Auf die Frage nach einer Konkretisierung dieser Anhaltspunkte zuckt Stumpf nur die Schultern. Schon zuvor hatte die Bezirksregierung in einer Presseerklärung ähnliche Behauptungen aufgestellt. Das bringt die betroffenen Bauern richtig in Fahrt. Karl Schneider erklärt für alle: "Diese Behauptung ist eine durch nichts bewiesene Unterstellung, die wir entschieden zurückweisen. Uns geht es darum, die Erweiterung des Flugplatzes Spangdahlem zu verhindern."
Karl Schneider macht darauf aufmerksam, daß die beanspruchten Flächen voll landwirtschaftlich genutzt würden. In einem Fall handele es sich sogar um fast ein Drittel der Nutzfläche eines landwirtschaftlichen Betriebes. Doch es gehe den Landwirten nicht nur um ihre Äcker. Karl Schneider schildert das Dorfleben am Flugplatzzaun: "Es geht uns auch um die Einengung unseres Lebensraumes. In den letzten Jahren wurde der Flugplatz ständig erweitert. Inzwischen wird sogar eine dritte Startbahn gebaut. Ständig sind wir dem Lärm der startenden und landenden Flugzeuge ausgesetzt. Wir sind in Sorge angesichts der vielen Flugzeugabstürze der letzten Zeit. Und nicht zuletzt müssen wir unmittelbar am Zaun eines Atomwaffenlagers leben. Unsere Heimat ist zum waffenstarrenden Arsenal geworden."
Seit einigen Wochen steht auf den bedrohten Äckern ein sieben Meter hohes Kreuz. Eine Tafel ist an das Kreuz geschlagen: "Hier wird zum Wohl der Allgemeinheit enteignet." Schneider hatte ein einem alten Exemplar des Grundgesetzes geblättert und den Artikel gefunden: "Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig." Jetzt kann jeder Spaziergänger, der draußen am Kreuz vorbeikommt, darüber nachdenken, was wohl das "Wohl der Allgemeinheit" ist.
In einem Protestbrief an Bundesverteidigungsminister Stoltenberg hatten die von der Enteignung betroffenen Landwirte schon im Frühjahr erklärt: "Wir wollen es nicht mehr hinnehmen, daß sich das Militär ausbreitet wie ein Krebsgeschwür. Auf der politischen Ebene sind die Weichen endlich auf Abrüstung gestellt. Die Mittelstreckenraketen sollen wieder verschwinden. Die Sowjetunion hat sogar mit dem einseitigen Abbau von Truppen begonnen. Warum muß bei uns weiter aufgerüstet werden?"
Auf diese Fragen erhielten die Bauern keine Antwort. Im Binsfelder Gemeindebüro fragt Fritz Gerten, der fast ein Drittel seines Landes verlieren soll, noch einmal: "Ist die Enteignung überhaupt noch notwendig? Was ist denn mit der Abrüstung?" Dr. Klameth antwortet kühl: "Sie brauchen sich von uns ja nicht überzeugen zu lassen, daß die Enteignung notwendig ist!" Nein, die Militärs brauchen tatsächlich nur das Land.
Für Karl Schneider sind die Enteignungstermine die drei schwersten Tage seines Lebens. Er selbst ist zum zweitenmal dran. Schon Anfang der fünfziger Jahre wurde er wegen des Flugplatzbaus enteignet. Jetzt hat ihn der Moloch wieder eingeholt. Karl Schneider bleibt in all diesen Stunden ruhig und bedächtig. Er bringt ein kleines Wunder fertig: Er hält die 28 Bauern zusammen. Keiner schert aus. Keiner unterschreibt den "freiwilligen" Verkauf. Keiner läßt sich mit Geld ködern. Alle wollen es auf den Zwang der Enteignung ankommen lassen - und gegen die Enteignung Rechtsmittel einlegen. Sie haben sich bereits an Abgeordnete im Bundestag und im Landtag gewandt. Sie bekommen Unterstützung von der Friedensbewegung in der Region. Die Binsfelder Bauern sind nicht allein in der Verteidigung ihres Lebensraumes.
Ruhig, aber fest und unbeirrt trägt Karl Schneider dem Enteignungskommissar die Resolution der Binsfelder Bauern vor: "Auch Wackersdorf wurden durch den entschiedenen Widerstand von Bürgern verhindert. Warum sollte gleiches nicht in Binsfeld möglich sein? Entscheidend ist nur, daß sich die Menschen der Eifel nicht mehr wie brave, aber auch dumme Schafe alles gefallen lassen."