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Erfahrungsbericht der BoA-Tour durch Mecklenburg Vorpommern
Unterwegs für "Kriegsdienste verweigern!"
vonRückwirkend betrachtet, kam sie eineinhalb Jahre zu spät, unsere Tour für eine Bundesrepublik ohne Armee und für "Kriegsdienste verweigern" durch neun Städte in Mecklenburg und Vorpommern. Wir hätten vielleicht schon viel früher ... Nur lag es uns nicht, wie die "Besserwessis" Vortragreisen zu machen und wir hatten Hemmungen. Erst als uns Mitglieder des DFG-VK Landesverbandes Ost dazu ausdrücklich ermutigten, weil sie selbst im Norden wenig Kontakte hatten, gingen wir in die konkrete Vorbereitung. Inzwischen sind zahlreiche junge Wehrpflichtige, die keine Informationen über ihr Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung hatten, zur Bundeswehr einberufen worden, und das wäre vielleicht zu verhindern gewesen, wenn wir vielleicht schon viel früher ...
Aber jetzt ist es geschehen! In der Woche vom 16. bis 21. März 1992 wurden in 25 Realschulklassen, 23 Gymnasialklassen und einer Umschülerklasse über tausend Schüler erreicht, wir verteilten 7000 Flugblätter, gaben 750mal unsere Broschüre "Wie verweigere ich den Kriegsdienst?" ab und zahlreiche andere Materialien. Unsere Abendveranstaltungen wurden von ca. 165 Teilnehmern besucht. In allen Städten hatte die Lokalpresse berichtet, vom Einspalter bis zum halbseitigen Artikel. Dadurch wurde nicht nur die DFG-VK, sondern auch das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung und unsere Forderung nach einer Bundesrepublik ohne Armee bekannter.
Vorbereitungen
Zunächst hatten wir nur sehr wenig Kontaktadressen. Sie stammten zum einen noch vom BoA-Kongreß in Kiel und zum anderen vom Bundeskongreß in Hannover. Wir haben dann über verschiedene Organisationen Adressen angefordert. Beispielhaft seien genannt: Kampagne gegen Wehrpflicht in Berlin, Graswurzelrevolution, Jusos, die Grünen und diverse Gewerkschaften. Wir haben Mitte November, also fast fünf Monate vor Fahrtbeginn, mit der Werbung begonnen. Wir haben dabei 80 Personen direkt angeschrieben. Weitere 15 Organisationen haben unser Schreiben über ihren Verteiler verbreitet.
Wir haben ca. 8 Wochen vor Tourbeginn rund 100 Schulen schriftlich unser Angebot unterbreitet. Dem Schreiben haben wir eine Rückantwort beigelegt, die von 8 Schulen in verschiedenen Orten beantwortet wurde.
In den Schulen besteht eine große Rechtsunsicherheit, ob ein solcher Schulbesuch überhaupt zulässig ist. Es wäre erforderlich gewesen, eine Information über die DFG-VK mitzusenden. Sinnvoll wäre es desweiteren, nicht nur die Schulen, sondern auch die Schulamtsleiter anzuschreiben. In einem Fall hatte ein Schulamtsleiter den Schulen davon abgeraten unseren Besuch zuzulassen, da er selbst über zu wenig Informationen verfügte.
Zu bemängeln ist, daß wir die Kirchen bei unseren Anschreiben fast vollständig ausgelassen haben. Daneben war enttäuschend, was aus dem eigenen Verband an Adressen gesammelt war. Lediglich die Adressen der Mitglieder in Mecklenburg-VP konnten wir bekommen.
Flugblätter
Wir hatten zunächst die Hoffnung, Flugblatt und Pressemitteilung könnten inhaltlich mit den Gruppen abgestimmt werden. Aufgrund der schlechten Kommunikationswege ist dies gescheitert. Private Telefonanschlüsse sind die absolute Ausnahme und die Postlaufzeit ist mindestens um ein bis zwei Tage länger. So haben wir das Flugblatt nach eigenen Vorstellungen gestaltet. Es hat sich als sehr sinnvoll herausgestellt, das Plakat und die Vorderseite des Flugblattes gleich zu gestalten und für beides gelbes Papier zu benutzen. Der Wiedererkennungswert ist so bestens gegeben.
Plakate
Das Plakat haben wir in der Hauptsache vom LV NRW übernommen. Von der Schlange als Erkennungssymbol sind wir alle nicht begeistert, aber etwas besseres ist uns auch noch nicht eingefallen.
Andererseits wurde das Plakat den Veranstaltungsabenden gerecht, denn wir haben jeweils eine Gruppe für KDV-Beratung und eine für BoA angeboten. Einig waren wir uns darüber, daß wir den Infostand jeweils hätten ankündigen sollen.
Für Grevesmühlen und für Güstrow haben wir eine Plakatierungshilfe angeboten. Ein Paar aus Bad Oldesloe/Lübeck und eines aus Buxtehude haben ca. 14 Tage vor der Tour jeweils 100 verklebt. Die Plakatierung war auch deshalb sinnvoll, weil die örtlichen Gegebenheiten überprüft werden konnten.
Material und Ausrüstung
Als Transportmittel stand uns ein VW-Bus und ein PKW-Kombi zur Verfügung. Der Bus war optimal, da er es ermöglichte, unser gesamtes Gepäck und Material aufzunehmen. Neben einem herkömmlichen Infotisch mit Transparenten, hatten wir eine ca. zwei Meter hohe, quadratische Stellwand dabei. Die Stellwand dient hervorragend als Blickfang, Zu unserer Requisite gehörte eine Kampfuniform der Bundeswehr und ein schwarzer Umhang samt Sense für die Sensenfrau.
Außer den 7000 Flugblättern und 500 Plakaten hatten wir weiteres umfangreiches Material mitgenommen.
Was m.E. gefehlt hat, ist eine kurze, gute Darstellung der Totalen Kriegsdienstverweigerung (TKDV), der Musterungsverweigerung und der Erfassungsverweigerung. Viele junge Männer in Ostdeutschland sind viel älter, wenn sie erfaßt oder gemustert werden und sind daher entschlossener, ihre Verweigerung so früh wie möglich deutlich zu machen. Aus dem Verkauf von Aufklebern, Buttons und Büchern konnten wir einen Erlös von 400,- DM erzielen. Besonderen Anklang fanden dabei Motive gegen Nazis.
Die Tour
Um vor den Schulen verteilen zu können, sind wir bis spätestens um sieben Uhr im jeweiligen Ort eingetroffen. Da mit dem VW-Bus in der Stunde durchschnittlich ca. 50-60 Kilometer auf Landstraßen bewältigt werden konnten, sind wir regelmäßig um fünf Uhr aufgebrochen. Die Fahrzeit war immer reichlich bemessen. Die Straßen- und Verkehrsverhältnisse sind erheblich besser, als wir es erwartet hatten.
Vor den Schulen
Das Verteilen von Flugblättern vor den Schulen gestaltete sich einige Male umständlicher, als wir das von unseren Erfahrungen her kannten. Zunächst beginnt die Schule recht früh, teilweise schon ab 7.15 Uhr. Viele Schulen sind in kleinen Gebäuden und in verschiedenen Straßen untergebracht, was das Verteilen erschwerte.
In Grevesmühlen haben wir, statt vor Schulbeginn zu verteilen, während der Pause mit Uniform, Sensenfrau und Transparent eine wirkungsvolle Aktion gestartet. Während der Tod mit der Sense durch die Schüler schritt, verweigerte sich der Soldat symbolisch, in dem er sich unter lautem Rufen seiner Uniform entledigte, Es gibt kaum einen schöneren "Liebestöter" als die lange Unterhose der Bundeswehr. Begleitet wurde diese Aktion natürlich von einem fleißigen Flugblattverteiler und dem Transparent "Verweigert alle Kriegsdienste". Die Wirkung zeigte sich auf der gut besuchten Abendveranstaltung.
In den Schulen
Wir haben vor ca. 1000 Schülern gesprochen. Gerade in den letzten beiden Tagen waren soviele Schulen zu bewältigen, daß wir alle voll eingespannt waren.
Die meisten Klassen haben wir allerdings nur 45 Minuten lang besucht.
Festzustellen war, daß das Wissen bei Lehrern und Schülern über das Recht auf KDV gering ist. bemerkenswert ist, daß sich sie Mädchen stärker an der Diskussion beteiligen, als ich es aus Buxtehude kenne.
Zweckmäßig ist es, für die Lehrer ein Infopaket zu schnüren. Vielen mangelt es einfach an Informationen und in einigen Städten hatten sie glücklicherweise noch keine Kontakte zu den Jugendoffizieren. Ein Schulrat wies uns daraufhin, daß wir auch in seine Schulen hätten gehen können, wenn uns unsere Organisation ein "amtliches Schreiben" mitgegeben hätte, welches erklären würde, daß wir befähigt seien, eine KDV-Beratung zu geben. "Amtlich" wird dies Schreiben mit Briefkopf und Stempel. Der Schulrat regte an, ein Seminar für Sozialkundelehrer zu gestalten.
Infostände am Nachmittag
Ab 14.00 oder 15.00 Uhr haben wir an zentralen Punkten unseren Infostand aufgestellt. Die Infostände waren gut besucht und es kam zu vielen positiven Gesprächen. Die Zustimmung zu BoA war deutlich größer, als wir es in Wessiland bisher erlebt hatten. In mehreren Städten sind die Sensenfrau und der tote, gehorsame Soldat aufgetaucht. Um deutlich zu machen, daß "am Krieg nur der Tod gewinnt" (Pappenaufschrift), waren die Gesichter von Soldat und Tod wie ein Totenschädel geschminkt. Der Soldat trug eine Pappe auf dem Rücken, auf der "Ich war ein gehorsamer Soldat" geschrieben stand. Von vielen Passanten wurden die Pappen interessiert gelesen. Eine massiv ablehnende Haltung haben wir trotz der Kostümierung nicht erlebt.
Abendveranstaltungen
Von den acht Abendveranstaltungen gab es nur eine, zu der keine Gäste erschienen. Für diese Veranstaltung in Pritzwalk war zu wenig Werbung gemacht worden. Wir hatten weder Plakate noch Flugblätter gedruckt, da sich der Veranstaltungsort erst kurzfristig ergeben hatte. Insgesamt nahmen an den Abendveranstaltungen 164 Gäste teil.
Über die große Resonanz zum Thema BoA waren wir natürlich erfreut. Genauso erfreulich war, daß der Anteil der interessierten Frauen mit 10-60 % relativ hoch war.
Zur KDV-Beratung gibt es nur soviel Berichtenswertes, daß etliche hoffen, an der Erfassung und Musterung vorbeizukommen. Ob sich dies bestätigt, bleibt abzuwarten. Außerdem ist der Anteil der Menschen, die sich total verweigern wollen, enorm hoch. Leider sind die Informationsdefizite ähnlich groß wie die Motivation zur totalen KDV.
Zusammenfassend läßt sich sagen: Eine tolle Tour mit klasse Leuten, die viel Spaß gemacht und reichlich Arbeitet bedeutet hat.