US-Verluste im Irak

von Manfred Sohn

US-Präsident Bush hat Ende Juni zum Durchhalten im Irak aufgerufen. Der Krieg sei die Opfer wert - auch die 1741 GIs, die bis zur Rede nach offiziellen Angaben der US Army gefallen sind.

Dennoch bröckelt die öffentliche Unterstützung für diesen Krieg - wobei die mindestens 100 000 Toten auf irakischer Seite nicht die Hauptrolle spielen, ähnlich wie einst im Vietnamkrieg, als die 50 000 gefallenen US-Soldaten zu mehr Diskussionen führten als die fünf Millionen hingeschlachteten Vietnamesen.

1741 tote Soldaten sind viele. Mehr aber noch beunruhigen die amerikanischen Familien - auch ohne dass die großen Medien diese Unruhe bis jetzt abbilden - einige andere Zahlen.

Immer schon kamen auf einen getöteten Soldaten im Krieg mehrere Verwundete und Vermisste oder Gefangene. Alle vier Kategorien zusammen bilden die Verlustliste jeder Armee mit einer ordentlichen Buchhaltung. Vermisste oder Gefangene gibt es in diesem Krieg auf amerikanischer Seite (noch) kaum. Irritierend groß aber ist die Verwundetenliste - und noch irritierender das bis zum 2. Weltkrieg nicht bekannte Phänomen des Ansteigens der Verlustliste nach den eigentlichen Kampfhandlungen.

Zur Zeit räumt die US Army rund 10 000 so schwer Verwundete ein, dass sie vom Kampfplatz abgezogen werden mussten. Zusätzliche 30 000 wurden wegen »unexplained illness« - unerklärter Krankheit - abgezogen.

Joel Wendland, Chefredakteur der linken US-Monatszeitschrift "political affairs" zitiert in der jüngsten Ausgabe dieses Magazins Veteranenverbände, die vor allem wegen der enorm hohen Zahl »unerklärter Krankheit« zunehmend Alarm schlagen. Sie vermuten, dass dahinter Verluste durch die eigene panzerbrechende Munition stehen.

Wenn sie recht haben, wird es nicht bei den 30 000 bleiben, und viele von ihnen werden sich nicht nur nicht erholen, sie werden daran sterben.

Die Veteranenverbände, so Wendland, weisen dabei auf die Erfahrungen des ersten Golfkriegs hin. Wir erinnern uns: Damals war Husseins Armee noch intakt, und den Amerikanern stand eine beträchtliche Anzahl russischer Panzer gegenüber. Zerschlagen wurden sie binnen weniger Stunden dank einer waffentechnischen Neuentwicklung, nämlich der Verwendung von Munition mit abgereichertem Uran. Dieses Uran verdichtet das Material der Panzergranaten und lässt sie auch durch Panzerplatten dringen, die ihnen normalerweise standhalten würden. Die dabei auftretende Hitze setzt das Uran frei und zersprüht es wie eine Nebelwolke über das ganze Schlachtfeld. Im Februar 1991 wurden insgesamt 375 Tonnen dieser Munition über den Schlachtfeldern des Irak eingesetzt. In den so gelegten radioaktiven Nebelteppich marschierten unmittelbar danach 500.000 alliierte Streitkräfte hinein. Die verglühten Iraker wurden niemals gezählt.

Die Sozialversorgung der US Army zählt aber die eigenen Verluste. Im ersten Golfkrieg waren die damals eingesetzten Soldaten überwiegend um die 20 Jahre alt. Von den Veteranen dieses Krieges - jetzt, wenn sie überlebt haben, rund 35 Jahre alt - sind inzwischen 104 000 gestorben - überwiegend an »unexplained illness«. Weitere 262 000 Veteranen beider Golfkriege vom August 1990 bis heute beziehen inzwischen Pensionen aufgrund kriegsbedingter »Behinderungen«.

Aus: Ossietzky 14705, S. 499 ff

Der Text wurde von der Redaktion gekürzt.
 

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