Militär als Verursacher von Umweltschäden und Klimawandel

Verbrannte Erde

von Jürgen Scheffran
Schwerpunkt
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Im Hitzesommer 2018 machte die Bundeswehr auf sich aufmerksam. Nach Raketentests in einem Moorgebiet bei Meppen kämpften Feuerwehrleute der Bundeswehr wochenlang gegen einen Flächenbrand. Der Rauch war bis Bremen und Hamburg zu riechen. Der Naturschutzbund (Nabu) kritisierte die zusätzlichen CO2-Emissionen wie auch die Feinstaubbelastung, und befürchtete, der Brand vernichte viele Kleintiere und Insekten. (1)

Dieser Vorfall machte deutlich, dass Militär und Rüstung nicht nur für den Menschen gefährlich sind, sondern auch für die Umwelt. In vielen Kriegen der Geschichte wurde die Umwelt Opfer einer Politik der verbrannten Erde. Moderne Kriegsführung kann noch größere Zerstörungen anrichten und Ökosysteme schädigen, mit ernsten Folgen auch für das menschliche Wohlbefinden und die Gesundheit. Bewaffnete Konflikte verbrauchen und belasten natürliche Ressourcen (Luft, Wasser, Boden, Land, Wälder und Ozeane), belasten öffentliche Infrastrukturen und Dienstleistungen (z. B. Energie, Gesundheit, Abwasser, Müllabfuhr) und haben negative Auswirkungen auf den Erhalt von Wildtieren und Lebensräumen. (2)

Umwelt als Kriegsfaktor
Umwelt wurde in der Geschichte immer wieder für kriegerische Zwecke manipuliert und eingesetzt. Felder wurden verbrannt, Gewässer vergiftet und Land unbrauchbar gemacht, um der Bevölkerung und gegnerischen Truppen die Existenzgrundlage zu entziehen. Katastrophal war die Zerstörung von Deichen, um Landstriche zu überfluten, z.B. im Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg 1938 oder 1943, als die Staudämme von Eder und Sorpe durch Alliierte bombardiert wurden.

Der Gaskrieg des Ersten Weltkriegs tötete 100.000 Menschen und vergiftete große Landstriche. Die gewaltigen Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges mit Flächenbombardements, Schiffswracks und Verminung, und die Steigerung der Rüstungsproduktion kontaminierten Meeres- und Landökosysteme und hinterließen für Jahrzehnte tiefe Narben in der Natur. Die Vernichtung erreichte ein neues Ausmaß mit dem Einsatz von Atombomben der USA gegen die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki im August 1945. Durch die kombinierte Wirkung von Hitze, Druck und Strahlung wurden nicht nur hunderttausende von Menschen ausgelöscht, sondern auch die lokale Flora und Fauna; große Landstriche, das Wasser und die Atmosphäre für Jahre radioaktiv verseucht. Im nuklearen Wettrüsten des Kalten Krieges wurden mehr als 2.000 Kernwaffen getestet, wodurch Plutonium und andere radioaktive Stoffe freigesetzt wurden, die bis heute weltweit zirkulieren und sich in der ökologischen Nahrungskette anreichern. Testgebiete wurden für indigene Völker unbewohnbar oder gingen verloren (wie das Bikini-Atoll). Bei Nuklearunfällen fielen rund 50 Atomsprengköpfe und 11 Atomreaktoren in den Ozean. Ein Atomkrieg könnte die Atmosphäre so stark verdunkeln, dass das Leben auf der Erde gefährdet ist (Nuklearer Winter). (3)

Auch die zahlreichen Gewaltkonflikte nach 1945 brachten vielfältige Umweltbelastungen mit sich. Besonders folgenreich war der großflächige Einsatz von nahezu 100.000 Tonnen Herbiziden wie Agent Orange im Vietnamkrieg, um Wälder zu entlauben und gegnerische Aktivitäten einzuschränken. Dies traf 4,8 Millionen VietnamesInnen, führte zu 400.000 Todesfällen und Behinderungen und Gendefekten bei 500.000 Kindern. Die Pflanzenwelt konnte sich über Jahrzehnte nicht regenerieren, die Zahl der Tierarten ging deutlich zurück.

Der Ost-West Konflikt endete mit gefährlichen Hinterlassenschaften des Wettrüstens, die besonders den Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu schaffen machten. Es gab enttäuschte Hoffnungen, dass durch Rüstungskonversion Mittel für den Umweltschutz freigesetzt werden. (4) In den komplexen Konflikten ging es oftmals auch um natürliche Ressourcen, die wiederum durch den Einsatz umweltbelastender Kampfmittel beeinträchtigt wurden. Die weiter hohen Militärausgaben erfolgten zu Lasten von Umweltschutz, nachhaltigem Ressourcenmanagement, Bewahrung der Biodiversität und Verringerung von Schadstoffen. Krieg und Völkermord führten zu massiven Flüchtlingsbewegungen und -lagern (z. B. in Tansania, der Demokratischen Republik Kongo und Jordanien), die umliegende Ökosysteme und Wälder unter Druck setzten, durch Abfälle, Schutzräume und den Bedarf an Feuerholz.

Besonders dramatisch war der Völkermord in Ruanda, in dem rund 800.000 Menschen ermordet wurden und fast 2 Millionen in Flüchtlingslager der Nachbarländer flohen. Wälder wurden gerodet, Ökosysteme und Nationalparks gerieten unter Druck. Während des Golfkriegs von 1991 zeigten die Ölbrände in Kuwait und die Freisetzung von Öl im Persischen Golf die Folgen einer Politik der verbrannten Erde durch Irak. Amerikanische Militärangehörige beklagten sich über das Golfkriegssyndrom, wahrscheinlich als Folge des Einsatzes von mehr als 1.000 Tonnen Uranmunition durch das US-Militär.

Grenzen der Rüstung in der vollen Welt
In einer engeren und volleren Welt wird die hohe Ressourcenintensität und Umweltbelastung der Aufrüstung immer mehr zum Problem. Krieg und Militär gehören zu den größten Verbrauchern von Energie und anderen Ressourcen und setzen erhebliche Umweltschadstoffe frei. Als einer der größten Umweltverschmutzer der Welt gilt das US-Militär, mit rund 39 000 kontaminierten Standorten. (5) Die vom Pentagon produzierten Toxine sind etwa fünfmal so hoch wie die der größten amerikanischen Chemieunternehmen.

Militärische Landnutzung beeinträchtigt die Lebensqualität, Gesundheit und Ernährung betroffener Gemeinschaften. Lösungsmittel, Treibstoffe und andere giftige Chemikalien aus militärischen Aktivitäten können über Jahrzehnte in der Umwelt verbleiben. Schwere Militärfahrzeuge beschädigen Böden und Infrastrukturen. Lärmbelästigung durch Militär stört den Lebensraum von Tieren und Pflanzen, bewaffnete Konflikte in Gebieten hoher Artenvielfalt beeinträchtigen Ökosysteme und deren Dienstleistungen für menschliche Entwicklung. Dabei kommt es zur Entwaldung, z.B. in Kolumbien, wo bewaffnete Gruppen Wälder für Goldgewinnung und Weideflächen roden. In Afrika ist Krieg ein wesentlicher Faktor für den Rückgang der Wildtierbestände in Schutzgebieten. (6) Zudem tragen militärische Transportsysteme weltweit zur Verbreitung exotischer Arten bei, die lokale Arten gefährden.

Fossile Brennstoffe, Treibhausgase und Klimawandel
Weltweit verbraucht das Militär große Mengen fossiler Brennstoffe und setzt beträchtliche Mengen an Treibhausgasen frei, die zum anthropogenen Klimawandel beitragen, besonders im Globalen Norden. Laut dem CIA World Factbook von 2005 würde das Pentagon beim Ölverbrauch auf Platz 34 aller Staaten der Erde liegen, knapp hinter dem Irak und vor Schweden. Einem Bericht des US- Kongresses von 2012 zufolge hat das Pentagon 2011 rund 117 Millionen Barrel Öl verbraucht habe, annähernd so viel wie der Treibstoffverbrauch aller Autos in Großbritannien.(7) Mehr als die Hälfte der Hubschrauber der Welt sind für militärische Zwecke bestimmt und etwa ein Viertel des Verbrauchs von Düsentreibstoffen stammen von Militärfahrzeugen, die meist ineffizient, kohlenstoffintensiv und umweltschädlich sind. (8)

Militärische Emissionen und Minderungen, die die Militärmacht einschränken, wurden aus Klimaverhandlungen bislang weitgehend herausgehalten. Dies macht es schwierig, ihren Anteil zu berechnen. Aufgrund der Abhängigkeit vom Öl tendieren Militärs und Rüstungsunternehmen dazu, bewaffnete Interventionen oder Stationierungen zu unterstützen, um die Öl- und Energieversorgung zu sichern und die Tankerrouten oder Pipelines zu verteidigen. Dadurch nehmen Konflikte und Militärausgaben noch zu, inzwischen betragen sie mehr als 1,7 Billionen US-Dollar oder 2% des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP). Dies ist eine gewaltige Abzweigung öffentlicher Ressourcen, die stattdessen in erneuerbare Energien und Umweltschutz investiert werden könnten. Die geschätzten Kosten für die Sanierung militärisch kontaminierter Standorte liegen bei mindestens 500 Milliarden US-Dollar. Um die Klimakrise zu bewältigen, würden bis 2030 jährlich schätzungsweise ein Prozent des globalen BIP benötigt.

Angesichts sicherheitspolitischer Risiken durch Klimawandel kommen aus dem Militär auch Stimmen, die zum Handeln gegen die Klimakrise aufrufen. Die Maßnahmen liegen weniger auf der Emissionsminderung als vielmehr auf der Sicherung der Grenzen und dem Schutz von Handelsrouten, dem Einfluss auf Ressourcenkonflikte, der Instabilität durch Wetterextreme und der Unterdrückung sozialer Unruhen. So werden aus Opfern des Klimawandels "Bedrohungen", die kontrolliert oder bekämpft werden sollen. Für die Bewältigung der Klimakrise auf Militärs zu vertrauen wäre fatal angesichts der damit verbundenen Umweltrisiken und würde den Teufelskreis verstärken.

Dabei kann der Klimawandel selbst militärische Einrichtungen gefährden, durch Stürme, Überschwemmungen und den Meeresspiegelanstieg. Dadurch können die Risiken für und durch militärische Einrichtungen verstärkt werden. Ein Beispiel waren die Waldbrände in Kalifornien 2018, die militärische Nuklear- und Raketentestanlagen bedrohten. (9)

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um das Militär umweltverträglicher zu machen, etwa durch Mitwirkung an aktivem Naturschutz und nachhaltigem Landmanagement. Beispiele sind Aufforstung und der Schutz von Ressourcen oder Nationalparks durch lokale Streitkräfte. Rüstung kann mit umweltfreundlicheren Technologien, besserer Ressourceneffizienz und erneuerbaren Energien realisiert werden. Militärische Technologien wie GPS, Drohnen, Satelliten und Informationssysteme können im Umwelt- und Katastrophenschutz verwendet werden. Nach Konflikten und Katastrophen kann das Militär daran mitwirken, Wildtierbestände und Ökosysteme wiederherzustellen und gegen Wilderer zu schützen, wie beispielsweise in Ruandas Akagera-Nationalpark und Mosambiks Gorongosa-Nationalpark.

Bei fortwährender Aufrüstung reichen solche Maßnahmen jedoch nicht aus und sind keine Alternative zur Abrüstung und Entmilitarisierung, die einen Beitrag zu nachhaltiger Friedenssicherung leisten, um Mensch und Umwelt zu schonen.

Anmerkungen
1 Feuer nach Raketentest. SPIEGEL-Online, 18. September 2018.
2 Viele Informationen finden sich in: IPB (2002) The Military’s Impact on The Environment: A Neglected Aspect Of The Sustainable Development Debate. International Peace Bureau, Briefing Paper. http://www.ipb.org/wp-content/uploads/2017/03/briefing-paper.pdf.
3 Vgl. die Übersicht in Scheffran, J., Burroughs, J., Leidreiter, A., van Riet, R., Ware, A. (2016) The Climate-Nuclear Nexus. World Future Council, London.
4 Scheffran, J. (1992) Panzer gegen die ökologische Krise?, Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1992, S. 128- 132. Vgl. auch die Beiträge in: Scheffran, J., Vogt, W. (Hrsg.) (1998) Kampf um die Natur – Umweltzerstörung und die Lösung ökologischer Konflikte. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
5 Nazaryan, A. (2014) The US Department of Defense Is One of the World's Biggest Polluters. Newsweek, 17.4.2014.
6 Daskin, J. H., Pringle, R. M. (2018) Warfare and wildlife declines in Africa's protected areas. Nature. 553: S. 328–332.
7 Buxton (2015) The elephant in Paris – the military and greenhouse gas emissions 25.11.2015; https://www.tni.org/es/node/22587.
8 IPB 2002, a.a.O.
9 PSR (2018) Massive Woolsey Fire Began On Contaminated Santa Susana Field Laboratory, Close to Site of Partial Meltdown. Physicians for Social Responsibility, Nov 12, 2018. https://www.psr-la.org/massive-woolsey-fire-began-on-contaminated-santa-...

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Prof. Dr. Jürgen Scheffran ist Professor für Klimawandel und Sicherheit am Institut für Geographie der Universität Hamburg. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Climate Change and Security innerhalb der Exzellenzinitiative “Integrated Climate Systems Analysis and Prediction” am KlimaCampus Hamburg.