6x jährlich informiert unsere Zeitschrift, das FriedensForum, über Aktionen und Kampagnen der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeexemplar zu.
"Eine Resonanz, wie sich die Friedensbewegung dies wünschen würde"
Verleihung des Aachener Friedenspreises
vonWarum nicht weitere Friedenspreise? Was Organisationen lernen können.
"Meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich bin froh, dass es den "Aachener Friedenspreis" gibt und freue mich immer wieder von neuem, Ihnen die herzlichen Grüße der Stadt Aachen überbringen zu dürfen. Ich danke den Initiatoren für Ihr unermüdliches Engagement." Diese lobenden Worte fand am 1. September 2007 bei einem Empfang im Rathaus in Aachen die Bürgermeisterin Astrid Ströbele.
Und die "Initiatoren" - das sind die Mitglieder des Vereins Aachener Friedenspreis e.V. mit ihrem Vorsitzenden Otmar Steinbicker, ebenfalls Sprecher der Kooperation für den Frieden. Das sind Leute, die glasklare Positionen der Friedensbewegung vertreten - aktuell sich gegen die Verlängerung der Mandate in Afghanistan positionieren, die auch schon mal eine Strafanzeige gegen die Bundeskanzlerin stellen, weil deren Verteidigungsminister ein Weißbuch herausbringt, in dem unverhohlen Krieg für Rohstoffe angekündigt wird.
Und doch - diese "Initiatoren" werden gehört, finden Resonanz und Anerkennung bis weit ins bürgerliche Lager, werden in ihren Aktivitäten von vielen gesellschaftlichen Gruppen in der Stadt unterstützt. Und die Aktivitäten finden in den Medien statt, weit über Aachen hinaus, was schon angesichts der spärlichen Resonanz friedenspolitischer Organisationen im bundesdeutschen Blätterwald bemerkenswert ist. Wie funktioniert das? Was können Friedensgruppen von den Aachenern lernen?
Zum 20. Mal wurde am Anti-Kriegstag in diesem Jahr der Aachener Friedenspreis verliehen. 20 Personen und Organisationen bilden also mittlerweile den "erlauchten" Kreis der Aachener Friedenspreisträger. Jedes Jahr werden - laut Satzung - Frauen, Männer oder Gruppen geehrt, die von "unten her" dazu beigetragen haben, der Verständigung der Völker und der Menschen untereinander zu dienen sowie Feindbilder ab- und Vertrauen aufzubauen. Es werden Menschen geehrt, unabhängig von ideologischen, religiösen oder parteipolitischen Kriterien und unabhängig von ihrer sozialen oder nationalen Zugehörigkeit. Preisträger können Menschen werden, wenn sie Frieden gestiftet haben durch Gerechtigkeitssinn, Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft (auch Feinden gegenüber), durch Gewaltlosigkeit, Zivilcourage, Tatkraft, Sachlichkeit und Herz.
Der Hintergrund: Mit der Preisverleihung werden Friedensarbeit und Friedenspolitik thematisiert, wird auf Hintergründe von Fehlentwicklungen hingewiesen, werden alternative Perspektiven einer friedlicheren Welt vorgestellt. Frieden und Friedensarbeit werden personalisiert, bekommen ein Gesicht. "Der Aachener Friedenspreis" - so noch mal die Bürgermeisterin Astrid Stöbele - "ist ein wichtiges Signal, und zwar in zweifacher Hinsicht. Mit ihm werden zum einen der Friedenseinsatz im In- und Ausland geehrt. Und zum anderen mahnt er von Jahr zu Jahr von neuem, dass die Menschen auf dieser Erde noch viel tun müssen, um ihr Zusammenleben friedlicher zu gestalten."
Die Liste der Friedenspreisträger ist lang, beeindruckend und spiegelt insgesamt die ganze Bandbreite friedenspolitischer Felder in den vergangenen Jahren wieder.
Beispiele:
- Jutta Dahl, die im Hunsrück den Widerstand gegen die Stationierung der Cruise missiles organisierte,
- Ludwig Baumann, der sich unermüdlich für die Rehabilitation der Deserteure im Zweiten Weltkrieg stark macht,
- die israelische Friedensorganisation Gush Shalom mit Uri Avnery an der Spitze,
- die Frauen in Schwarz, die in Jerusalem und anderen Städten Israels während der Intifada wöchentlich vor Beginn des Sabbats gegen die Besetzung der 1967 eroberten palästinensischen Gebiete demonstrierten und
- die Internationalen Peace Brigaden.
2007 erhielten den Aachener Friedenspreis
- das Friedensdorf San José de Apartadó in Kolumbien und
- Jupp Steinbusch, der Begründer des Aachener Kinderzirkus "Pinocchio".
Das Friedensdorf San José de Apartadó ist eines von mittlerweile 50 Friedensgemeinden in Kolumbien. Es wurde stellvertretend für alle anderen ausgezeichnet, die sich im Bürgerkrieg in Kolumbien neutral verhalten und auf Gewaltfreiheit setzen und so Wege aus dem Tod bringenden Konflikt zeigen.
Der 64jährige Diplom-Sozialarbeiter Jupp Steinbusch ist der Vater des Aachener Kinderzirkus "Pinocchio". Mit diesem tritt er in Eigenengagement in den ehemaligen Kriegsgebieten Bosnien, Kroatien und Serbien, aber auch in St. Petersburg und Nordirland auf und zeigt auf seine Weise Kindern und Erwachsenen Wege zu friedlichem Miteinander auf.
In einer beeindruckenden Feier mit über 800 Gästen wurden die Preise verliehen. Die Aachener Aula Carolina war festlich geschmückt. Vertreten waren die Stadt und das Bistum Aachen (Steinbicker: "die Stützpfeiler der Preisverleihung"), vertreten waren Parteien und Gewerkschaften, vertreten waren zahlreiche Medien - darunter auch Medien aus dem Ausland. Und vertreten waren natürlich Friedensgruppen aus Aachen und weit darüber hinaus, die mit Ständen ihre Arbeit vorstellten. Eindrücklich schilderten die Preisträger ihre "Friedensarbeit". Die Laudatio hielt Thomas Antkowiak, Geschäftsführer von Misereor. Der Laudator stellte in seiner Rede die Aktivitäten der Preisträger vor und führte die Realität des Krieges auf dem Balkan und in Kolumbien vor Augen. Zum Schluss machte Antkowiak noch mal deutlich, worum es bei der Preisverleihung 2007 ging: "Die heutige Preisverleihung ist ein wichtiges Zeichen für die Stärkung der Zivilgesellschaft. Sie ist ein Signal an die politische Öffentlichkeit in unserem Land, aber auch in anderen Europäischen Ländern, nicht wegzuschauen, sondern sich mit allen rechtlich möglichen Mitteln für eine Veränderung der Menschenrechtssituation in Kolumbien zum Positiven einzusetzen." Und an das Publikum gewandt: "Die Preisträger nehmen uns mit auf ihrem Weg bei der Bewältigung des Krieges. Ihr Einsatz lehrt uns, dass unsere Solidarität - gegen Krieg, Waffen, Brutalität und Gewalt - notwendig ist und dringend benötigt wird. Sie mahnen und ermutigen uns zum vorbehaltlosen Einsatz für den Frieden."
Und was das konkret heißt, griff Otmar Steinbicker in seiner Ansprache noch mal auf: "Wir gehören zu den Mitinitiatoren einer bundesweiten Kampagne der deutschen Friedensbewegung für einen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Wir brauchen eine solche Kampagne, um in unserem Land Nachdenklichkeit zu erzeugen und um die gesellschaftliche Diskussion darüber zu führen, wie in Afghanistan Frieden geschaffen werden kann. Da reicht es nicht aus, einfach nur zu fordern `Bundeswehr raus`." Sprach es und bekam von 800 Menschen Beifall. Und natürlich fehlte nicht der Aufruf zur Afghanistan-Demonstration in Berlin.
In den Tagen nach der Preisverleihung wurden die Preisträger aus Kolumbien im Auswärtigen Amt in Berlin und im Europa-Parlament empfangen. Dort konnten sie ihre Ideen für einen Friedensprozess in ihrem Land vorstellen. Sowohl die Bundespolitik als auch die EU-Politik sicherte ihnen Unterstützung zu - eine unmittelbare Folge der Aktion "Aachener Friedenspreis".
Was können Friedenorganisationen aus den Aktivitäten der Aachener lernen
- Einen Friedenspreis zu vergeben, schafft die Öffentlichkeit und die Resonanz, die die Friedensbewegung sich immer wünscht - natürlich,
- wenn diese Aktion sorgfältig und mit Weitsicht vorbereitet ist,
- wenn über viele Jahre hinweg kontinuierlich - auch personell - gearbeitet wird (Aachens Bürgermeisterin: "unermüdliches Engagement"),
- wenn die Medienarbeit professionell betrieben wird (siehe die Medienresonanz auf der Internetseite des Aachener Friedenspreises),
- wenn man sich auch auf konventionelle Bühnen traut - bis hin zum Tragen eines Anzuges mit Schlips und Kragen,
- wenn alle gesellschaftlichen Gruppen - die Stadt, die Kirchen, die Gewerkschaften, die Parteien - ohne falsche Berührungsängste eingebunden werden,
- wenn so eine Kultur des Friedens entwickelt wird, wie sie von Horst-Eberhard Richter immer gefordert wird.
Warum nicht weitere Friedenspreise ins Leben rufen - einen Berliner Friedenspreis, einen Münchener Friedenspreis und warum nicht einen Nottulner Friedenspreis?
Wer den Aachener Feierlichkeiten, die sich über den ganzen Tag hinzogen, beiwohnen konnte, der sang zum Schluss der Preisverleihung im Chor mit allen Gästen hoffnungsvoll mit: "We shall overcome some day - oh deep in my heart, I do believe, that we shall live in peace some day."