Kleine Waffen - große Wirkung

Von der Landminen- zur Kleinwaffen¬kampagne

von Thomas Klein
Schwerpunkt
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Unter der Abkürzung IANSA (International NGO action on small arms) hat sich ein internationales Aktionsnetzwerk zu Kleinwaffen gebildet. Viele der an der internationalen Landminenkampagne beteiligten Initia­tiven haben nach der Ratifizierung des Vertrages zur Ächtung von Anti-Personen-Minen ihr Sichtfeld "erweitert": Landminen gehören zu den Kleinwaffen, die heute an allen Kriegsschauplätzen der Erde zuneh­mend im Einsatz sind.

Kleinwaffen im engeren Sinn sind Re­volver, Gewehre, Maschinenpistolen und leichte Maschinengewehre. Unter dem Begriff Kleinwaffen werden aber weiterhin auch schwere Maschinenpi­stolen, Handgranaten, Granatwerfer, tragbare Luftabwehrraketen, sowie Mu­nition, Landminen und sonstige Explo­sivkörper gezählt.

Nach groben Schätzungen sind weltweit über 500 Millionen Kleinwaffen im Ein­satz. Die "größte Plage" geht von ge­schätzten 125 Mio. automatischer Hand­feuerwaffen aus, die gegenwärtig welt­weit zirkulieren.

Die Bedeutung von Kleinwaffen hat zuletzt stetig zugenommen, weil heute über 90% aller Kriege vor allem mit diesen Waffen ausgetragen werden.  Neben den `robusten`, einfach zu bedie­nenden "Altwaffen", die z.B. von der Bundesrepublik Deutschland in großer Zahl aus dem ehemaligen Nachlaß der DDR in viele Länder der Erde verkauft und verschenkt wurde - und massenhaft in den kurdischen Gebieten der Türkei zum Einsatz kamen und kommen - spielt hier noch die technische Ent­wicklung eine große Rolle: Die Minia­turisierung komplexer Waffensysteme, High-Tech-Geräte als Kleinwaffen.

Reisebericht aus der "Neuen Welt"
Der Entwicklung "Die Waffen werden immer kleiner" am besten nachspüren laßt sich im US-Bundesstaat New Me­xico - in einem Reisebericht aus der "Neuen Welt": Das Ortsschild ist ein­deutig - "Los Alamos - Atomic City". Das Schild steht für die berühmte Ver­gangenheit der Stadt im Norden New Mexicos, nicht für seine Gegenwart. Die ist zwar immer noch von der Forschung und Entwicklung neuer Waffen be­stimmt. Doch dabei geht es weniger um Atomwaffen. Bei der Waffenentwick­lung wird hier gegenwärtig die Losung "small is beautiful" in makaberer Weise umgesetzt.

Vergangenheit, das ist die in den vierzi­ger Jahren des letzten Jahrhunderts unter der Leitung von J. Robert Oppenheimer mit einem von der Außenwelt gänzlich abgeschotteten Forscher-Team entwic­kelte erste Atombombe, genannt "Fat Man". Gegenwart, das ist immer mehr die Entwicklung moderner High-Tech-Waffen, die zukünftigen Kriegsfüh­rungsstrategien gerecht werden. Die Nachfolge von "Fat Man" treten neue Waffen an, die klein, hochmobil und flexibel einsetzbar sind. Soviel ist be­kannt: In Los Alamos gibt es heute ei­gens ein "nationales Amt für Kleinwaf­fenprogramme". Nicht "Atomic City" und "Fat Man", sondern "Pitman" ist die Zukunft der geheimen US-amerikani­schen Rüstungsschmieden. Das aktuelle Entwicklungsvorhaben "Pitman" ist ein Kleinpanzer, in dem der darin befindli­che Soldat sowohl vor einem Beschuß mit konventionellen Waffen, als auch vor chemischen Kampfstoffen geschützt und damit fast unbesiegbar gemacht werden soll. Das US-Militär beabsich­tigt ab dem Jahr 2000 die Soldaten mit diversen High-Tech und Kleinwaffen auszustatten, mit denen sie für die ver­änderten Aufgaben im nächsten Jahrtau­send "bestens gerüstet" sein sollen.

Der Aspekt "Kindersoldaten"
Nach Angaben von Olara Otunnu, des von UN-Generalssekretär Kofi Annan ernannten Sonderbeauftragten für Kin­der in bewaffneten Konflikten, gibt es derzeit weltweit etwa 300.000 Kinder­soldaten. Die Kinder werden auf unter­schiedliche Weise rekrutiert: Oftmals werden sie von der Armee willkürlich auf den Straßen aufgegriffen und mitge­nommen.

Aus Sicht der kriegsführenden Parteien hat der Einsatz von Kindern eine Reihe von Vorteilen. Sie sind, so UNICEF-Mitarbeiter Ray Torres, "schlicht billi­ger als echte Soldaten, sie essen weniger und haben wenig Ansprüche". Außer­dem sind Kinder leichter zu manipulie­ren und die Armee oder Guerilla wird vielfach zu einer Art "Ersatzfamilie", was die Resozialisierung ehemaliger Kindersoldaten nach dem Ende des Konflikts zu einem ganz großen Pro­blem macht.

Dass in Kriegen immer mehr Kinder eingesetzt werden, hat noch andere Gründe: Es gibt heute immer mehr in­nerstaatliche Kriege, bei denen die Un­terscheidung zwischen Soldaten und Zi­vilisten aufgeweicht wird. Ein anderer Grund der zunehmenden Zahl von Kin­dersoldaten hat "natürlich" auch mit der Verbreitung von Kleinwaffen zu tun: Eine leichte Schnellfeuerwaffe macht schon Achtjährige zu Kämpfern.

Neue Rüstungsexportproblematik
Bis in jüngste Zeit galten Kleinwaffen als Bagatelle. Entsprechend wenig wurde über die Produktion, den interna­tionalen Handel und die Bestände be­richtet.

Während des Kalten Krieges haben vor­rangig die USA, in Einzelfällen auch die Sowjetunion sich international operie­render, illegaler Netzwerke bedient, mittels derer die jeweilige Kriegsklien­tel mit Waffen versorgt wurden. Das war besonders da relevant, wo es sich um substaatliche Akteure handelte, die man nicht offiziell beliefern konnte: Zum Beispiel die Unita in Angola, die Rebellen in Afghanistan oder die Contras in Nicaragua.

Dem Zauberlehrling gleich, so der Frie­densforscher Peter Lock, konnten da­nach die Geister nicht zurückgerufen werden, die zunächst gerufen wurden. Die Versuche, diese Waffen später wie­der einzusammeln waren oft zum Scheitern verurteilt: Im Falle Afghani­stans sind die Bemühungen, die gelie­ferten Waffen, teils gefährliche Hochtechnologie, wie z.B. Stinger Bo­den-Luft-Raketen, wieder `einzusammeln` ohne Erfolg geblieben, "der CIA ist dabei", so Peter Lock "allen Berichten zufolge kläglich gescheitert." In Gang gesetzt wurde nicht nur hier ein riesiges Waffenkarussell

Kleinwaffen - Made in Germany
Beim Thema Kleinwaffen hat die Bun­desrepublik in zweifacher Hinsicht eine bedeutende Rolle: Der deutschen Indu­strie ist es in der Vergangenheit gelun­gen, mit großzügigen  Lizenzvergaben zur Kleinwaffenproduktion, vor ihrer Konkurrenz aus Belgien, Frankreich, Großbritannien und den USA, weltweit in Märkte einzudringen. Die ehemals bundeseigene Fritz-Werner AG ver­kaufte ganze Waffenschmieden in ver­schiedene Länder, und Heckler&Koch-Gewehre werden an mindestens einem Dutzend verschiedener Standorte produ­ziert. Heckler&Koch-G-3-Gewehre ge­hören heute in mehr als 50 Ländern zur Standardausrüstung von Streitkräften.

Außerdem gehören deutsche Rüstungs­firmen bei der Munitionsherstellung weltweit zu den bedeutendsten. Deutsche Werkzeugmaschinen produzieren inzwi­schen Munition von Ecuador, über die Türkei, den Sudan bis hin nach Birma.

Soviel steht fest: Für deutsche Organi­sationen wird der Punkt Herstellung und Export von Munition relevant, denn hier spielen deutsche Firmen eine wichtige Rolle.

Bedeutende deutsche Kleinwaffenpro­duzenten, gleichsam ein "who ist who" der deutschen Industrie, sind: Dynamit Nobel, Diehl, Rheinmetall Industrie, DaimlerChrysler u.v.a. - an `Anlaufstellen` für kritische Nachfragen und mögliche Aktionen im Rahmen ei­ner beginnenden Kampagne fehlt es si­cher nicht.

Ausblick auf die beginnende Kampa­gne
Während der Anti-Minen-Kampagne entstand in der öffentlichen Auseinan­dersetzung gelegentlich der irreführende Eindruck, nur die "bösen Billigminen" der Entwicklungsländer seien das Pro­blem, die "guten High-Tech-Minen" der Entwicklungsländer könnten ja abge­schaltet werden. Nun sind einige NGOs bei der beginnenden Kampagne darum bemüht, auch die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Bedingungen für die erhebliche Zunahme gewaltsam aus­getragener Konflikte in einigen Regio­nen der Welt nicht außen vor zu lassen.

Kurzfristige Forderungen (z.B. an die Bundesregierung) - die zunächst zwar nur kleine Schritte darstellen, aber zu­mindest in die richtige Richtung weisen - sind:

-     Registrierung aller Kleinwaffen

-     restriktive Handhabung beim Transfer von Kleinwaffen

-     Festschreibung der Alters­grenze bei der Rekrutierung auf minde­stens 18 Jahre

-     Umschichtung von Mitteln aus dem Verteidigungsetat zur Finanzierung ziviler Friedensdienste und zum Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen

Weitergehende Ziele:

-     Beendigung von Produktion und Export militärisch verwendbarer Kleinwaffen und dazugehöriger Muni­tion.

-     Verbot des Verkaufs von Li­zenzen, Konstruktionsunterlagen und Werkzeugmaschinen zur Rüstungspro­duktion.

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