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Kleine Waffen - große Wirkung
Von der Landminen- zur Kleinwaffen¬kampagne
vonUnter der Abkürzung IANSA (International NGO action on small arms) hat sich ein internationales Aktionsnetzwerk zu Kleinwaffen gebildet. Viele der an der internationalen Landminenkampagne beteiligten Initiativen haben nach der Ratifizierung des Vertrages zur Ächtung von Anti-Personen-Minen ihr Sichtfeld "erweitert": Landminen gehören zu den Kleinwaffen, die heute an allen Kriegsschauplätzen der Erde zunehmend im Einsatz sind.
Kleinwaffen im engeren Sinn sind Revolver, Gewehre, Maschinenpistolen und leichte Maschinengewehre. Unter dem Begriff Kleinwaffen werden aber weiterhin auch schwere Maschinenpistolen, Handgranaten, Granatwerfer, tragbare Luftabwehrraketen, sowie Munition, Landminen und sonstige Explosivkörper gezählt.
Nach groben Schätzungen sind weltweit über 500 Millionen Kleinwaffen im Einsatz. Die "größte Plage" geht von geschätzten 125 Mio. automatischer Handfeuerwaffen aus, die gegenwärtig weltweit zirkulieren.
Die Bedeutung von Kleinwaffen hat zuletzt stetig zugenommen, weil heute über 90% aller Kriege vor allem mit diesen Waffen ausgetragen werden. Neben den `robusten`, einfach zu bedienenden "Altwaffen", die z.B. von der Bundesrepublik Deutschland in großer Zahl aus dem ehemaligen Nachlaß der DDR in viele Länder der Erde verkauft und verschenkt wurde - und massenhaft in den kurdischen Gebieten der Türkei zum Einsatz kamen und kommen - spielt hier noch die technische Entwicklung eine große Rolle: Die Miniaturisierung komplexer Waffensysteme, High-Tech-Geräte als Kleinwaffen.
Reisebericht aus der "Neuen Welt"
Der Entwicklung "Die Waffen werden immer kleiner" am besten nachspüren laßt sich im US-Bundesstaat New Mexico - in einem Reisebericht aus der "Neuen Welt": Das Ortsschild ist eindeutig - "Los Alamos - Atomic City". Das Schild steht für die berühmte Vergangenheit der Stadt im Norden New Mexicos, nicht für seine Gegenwart. Die ist zwar immer noch von der Forschung und Entwicklung neuer Waffen bestimmt. Doch dabei geht es weniger um Atomwaffen. Bei der Waffenentwicklung wird hier gegenwärtig die Losung "small is beautiful" in makaberer Weise umgesetzt.
Vergangenheit, das ist die in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts unter der Leitung von J. Robert Oppenheimer mit einem von der Außenwelt gänzlich abgeschotteten Forscher-Team entwickelte erste Atombombe, genannt "Fat Man". Gegenwart, das ist immer mehr die Entwicklung moderner High-Tech-Waffen, die zukünftigen Kriegsführungsstrategien gerecht werden. Die Nachfolge von "Fat Man" treten neue Waffen an, die klein, hochmobil und flexibel einsetzbar sind. Soviel ist bekannt: In Los Alamos gibt es heute eigens ein "nationales Amt für Kleinwaffenprogramme". Nicht "Atomic City" und "Fat Man", sondern "Pitman" ist die Zukunft der geheimen US-amerikanischen Rüstungsschmieden. Das aktuelle Entwicklungsvorhaben "Pitman" ist ein Kleinpanzer, in dem der darin befindliche Soldat sowohl vor einem Beschuß mit konventionellen Waffen, als auch vor chemischen Kampfstoffen geschützt und damit fast unbesiegbar gemacht werden soll. Das US-Militär beabsichtigt ab dem Jahr 2000 die Soldaten mit diversen High-Tech und Kleinwaffen auszustatten, mit denen sie für die veränderten Aufgaben im nächsten Jahrtausend "bestens gerüstet" sein sollen.
Der Aspekt "Kindersoldaten"
Nach Angaben von Olara Otunnu, des von UN-Generalssekretär Kofi Annan ernannten Sonderbeauftragten für Kinder in bewaffneten Konflikten, gibt es derzeit weltweit etwa 300.000 Kindersoldaten. Die Kinder werden auf unterschiedliche Weise rekrutiert: Oftmals werden sie von der Armee willkürlich auf den Straßen aufgegriffen und mitgenommen.
Aus Sicht der kriegsführenden Parteien hat der Einsatz von Kindern eine Reihe von Vorteilen. Sie sind, so UNICEF-Mitarbeiter Ray Torres, "schlicht billiger als echte Soldaten, sie essen weniger und haben wenig Ansprüche". Außerdem sind Kinder leichter zu manipulieren und die Armee oder Guerilla wird vielfach zu einer Art "Ersatzfamilie", was die Resozialisierung ehemaliger Kindersoldaten nach dem Ende des Konflikts zu einem ganz großen Problem macht.
Dass in Kriegen immer mehr Kinder eingesetzt werden, hat noch andere Gründe: Es gibt heute immer mehr innerstaatliche Kriege, bei denen die Unterscheidung zwischen Soldaten und Zivilisten aufgeweicht wird. Ein anderer Grund der zunehmenden Zahl von Kindersoldaten hat "natürlich" auch mit der Verbreitung von Kleinwaffen zu tun: Eine leichte Schnellfeuerwaffe macht schon Achtjährige zu Kämpfern.
Neue Rüstungsexportproblematik
Bis in jüngste Zeit galten Kleinwaffen als Bagatelle. Entsprechend wenig wurde über die Produktion, den internationalen Handel und die Bestände berichtet.
Während des Kalten Krieges haben vorrangig die USA, in Einzelfällen auch die Sowjetunion sich international operierender, illegaler Netzwerke bedient, mittels derer die jeweilige Kriegsklientel mit Waffen versorgt wurden. Das war besonders da relevant, wo es sich um substaatliche Akteure handelte, die man nicht offiziell beliefern konnte: Zum Beispiel die Unita in Angola, die Rebellen in Afghanistan oder die Contras in Nicaragua.
Dem Zauberlehrling gleich, so der Friedensforscher Peter Lock, konnten danach die Geister nicht zurückgerufen werden, die zunächst gerufen wurden. Die Versuche, diese Waffen später wieder einzusammeln waren oft zum Scheitern verurteilt: Im Falle Afghanistans sind die Bemühungen, die gelieferten Waffen, teils gefährliche Hochtechnologie, wie z.B. Stinger Boden-Luft-Raketen, wieder `einzusammeln` ohne Erfolg geblieben, "der CIA ist dabei", so Peter Lock "allen Berichten zufolge kläglich gescheitert." In Gang gesetzt wurde nicht nur hier ein riesiges Waffenkarussell
Kleinwaffen - Made in Germany
Beim Thema Kleinwaffen hat die Bundesrepublik in zweifacher Hinsicht eine bedeutende Rolle: Der deutschen Industrie ist es in der Vergangenheit gelungen, mit großzügigen Lizenzvergaben zur Kleinwaffenproduktion, vor ihrer Konkurrenz aus Belgien, Frankreich, Großbritannien und den USA, weltweit in Märkte einzudringen. Die ehemals bundeseigene Fritz-Werner AG verkaufte ganze Waffenschmieden in verschiedene Länder, und Heckler&Koch-Gewehre werden an mindestens einem Dutzend verschiedener Standorte produziert. Heckler&Koch-G-3-Gewehre gehören heute in mehr als 50 Ländern zur Standardausrüstung von Streitkräften.
Außerdem gehören deutsche Rüstungsfirmen bei der Munitionsherstellung weltweit zu den bedeutendsten. Deutsche Werkzeugmaschinen produzieren inzwischen Munition von Ecuador, über die Türkei, den Sudan bis hin nach Birma.
Soviel steht fest: Für deutsche Organisationen wird der Punkt Herstellung und Export von Munition relevant, denn hier spielen deutsche Firmen eine wichtige Rolle.
Bedeutende deutsche Kleinwaffenproduzenten, gleichsam ein "who ist who" der deutschen Industrie, sind: Dynamit Nobel, Diehl, Rheinmetall Industrie, DaimlerChrysler u.v.a. - an `Anlaufstellen` für kritische Nachfragen und mögliche Aktionen im Rahmen einer beginnenden Kampagne fehlt es sicher nicht.
Ausblick auf die beginnende Kampagne
Während der Anti-Minen-Kampagne entstand in der öffentlichen Auseinandersetzung gelegentlich der irreführende Eindruck, nur die "bösen Billigminen" der Entwicklungsländer seien das Problem, die "guten High-Tech-Minen" der Entwicklungsländer könnten ja abgeschaltet werden. Nun sind einige NGOs bei der beginnenden Kampagne darum bemüht, auch die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Bedingungen für die erhebliche Zunahme gewaltsam ausgetragener Konflikte in einigen Regionen der Welt nicht außen vor zu lassen.
Kurzfristige Forderungen (z.B. an die Bundesregierung) - die zunächst zwar nur kleine Schritte darstellen, aber zumindest in die richtige Richtung weisen - sind:
- Registrierung aller Kleinwaffen
- restriktive Handhabung beim Transfer von Kleinwaffen
- Festschreibung der Altersgrenze bei der Rekrutierung auf mindestens 18 Jahre
- Umschichtung von Mitteln aus dem Verteidigungsetat zur Finanzierung ziviler Friedensdienste und zum Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen
Weitergehende Ziele:
- Beendigung von Produktion und Export militärisch verwendbarer Kleinwaffen und dazugehöriger Munition.
- Verbot des Verkaufs von Lizenzen, Konstruktionsunterlagen und Werkzeugmaschinen zur Rüstungsproduktion.