IPPNW-Kongress "Kultur des Friedens" mit über 1.000 TeilnehmerInnen

Von der Protestbewegung zur Pro-Bewegung

von Angelika Wilmen
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Der Kongress "Kultur des Friedens" war von 8.-10. Dezember in Berlin mit über 1.000 TeilnehmerInnen ein Zeichen für die Lebendigkeit der oft schon totgesagten Friedensbewegung. Initiator des Kongresses und IPPNW-Ehrenmitglied Horst-Eberhard Richter betonte bei seiner Begrüßung: "Wir wollen von unten die Fragen stellen, die von oben nicht mehr laut gestellt oder gar unterdrückt werden." Die neue Friedensbewegung sei keine laute Protest-Bewegung mehr, sondern eine Pro-Bewegung für die inneren Voraussetzungen für äußeren Frieden.

Auch Egon Bahr bezeichnete den Druck von unten als notwendig und erwünscht. "Der Anpassung widerstehen und wo erforderlich dem alten Denken die Gefolgschaft verweigern, das wurde zu einem Kern der Friedensbewegung. Mit Blick auf die neuen wie die alten Gefahren für den Weltfrieden könnte sie zu einer Überlebensbewegung werden", erklärte Bahr.

Und in der Tat hat der "Druck von unten" bereits erfolgreiche Modelle hervorgebracht, wie der Kongress zeigte. Referenten aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft lieferten praktische Beispiele, wie Zivile Konfliktlösungen aussehen können und bereits erfolgreich praktiziert werden, z. B. von der Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika. Doch diese Erfolge erscheinen bisher leider gering gegenüber den Rückschlägen, die die Friedensbewegung immer wieder einstecken muss. Gerade aktuell angesichts der Nahost-Krise Israel/Palästina, deren Ursachen der israelische Psychologe Dan Bar-On und den palästinensische Biologe Ismael Al Baz hervorragend analysierten.

Zu den neuen Gefahren für den Weltfrieden gehört nach Ansicht des Journalisten Andreas Zumach die Militarisierung der europäischen Außenpolitik. Er warnte vor einer neuen Aufrüstung. Die EU reagiere mit den falschen, weil militärischen Mitteln, auf eine völlig ungeklärte Bedrohungssituation. Der Aufbau von Krisenreaktionskräften werde mittelfristig zu erheblichen Spannungen mit Russland führen, prophezeite er. Dem widersprach der CDU-Politiker Richard von Weizsäcker. Russland sehe in den EU-Einsatzkräften keineswegs eine Gefahr, und in der EU würde militärisches Personal abgebaut, statt aufgerüstet. Egon Bahr erklärte, er könne zwar mit einer EU-Streitmacht als "Schild Europas, nicht aber als Schwert Amerikas leben".
 

Doch nicht nur der äußere, auch der innere Frieden beschäftigte die TeilnehmerInnen der Veranstaltung. Foren zu "Rechtsextremismus" und "Frieden und Gesundheit" zeigten die Anstrengungen auf, die notwendig sind zur Etablierung einer dauerhaft friedfertigen Gesellschaft. "Deutschland tritt heute weltweit als Friedensstifter auf, doch in Sachen Friedfertigkeit sind wir selbst Patienten auf der psychiatrischen Couch", resümierte der Molekularbiologe Jens.

Besonders bewegend war die Verleihung der IPPNW-Friedensmedaille an den Schriftsteller Stefan Heym. Horst-Eberhard Richter würdigte den 87-jährigen als unermüdlichen Aufklärer für eine Humanisierung der Gesellschaft. Die Ehrung gehe ihm besonders tief ans Herz, erklärte Heym: "schließlich haben Sie sich ja verschworen, die schlimmste Epidemie der Menschheit zu bezwingen: Krieg, Unterdrückung und Ausbeutung. Ich werde mein Leben lang an Ihrer Seite stehen".

Der Kongress war eine nachdenkliche Veranstaltung, der neben herausragenden Redebeiträgen auch Raum bot zur Besinnung, mit musikalischen Elementen wie der Phantasie über "Liebe und Hass" des Arztes und Musikers Rolf Verres sowie Liedern einer Kultur des Friedens der Musiker des Mikis-Theodorakis-Ensembles. Der Friedensfilmpreisträger 2000 "Long Night`s Journey into Day" rundete das kulturelle Rahmenprogramm ab. Als deutscher Beitrag zum Unesco-Jahr "Kultur des Friedens" war der IPPNW-Kongress ein eindrückliches Erlebnis, das nachwirken wird und Mut macht, aktiv zu bleiben oder zu werden - für eine Kultur des Friedens und der Friedfertigkeit.

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