Was verbindet Karlheinz Schreiber, Walther Leisler-Kiep, Franz-Josef und Max Strauß, Erich Riedl, Ludwig-Holger Pfahls, Helmut Kohl?

Waffengeschäfte wie geschmiert

von Thomas Klein
Hintergrund
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Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat einer heiklen Frage nachzugehen: Haben bei Waffengeschäften mit Saudi-Arabien - vielleicht auch bei einigen anderen dubiosen Entscheidungen im Rüstungsbereich - kleine Briefumschläge mit großen Beträgen, ja sogar ganz Geldkoffer, dazu beigetragen nicht nur die politische Landschaft "zu pflegen" (so einst der Industrielle Flick) sondern gezielt brisante Entscheidungen zu beeinflussen?

Im Zuge der Ermittlungen werden neben dieser zentralen Fragestellung eine Vielzahl weiterer Punkte bedeutsam sein. Konkret: Welche Verbindungen gab es zwischen dem Waffenhändler Schreiber, der Familie Strauß, einer Reihe weiterer bayerischer Amigos wie Erich Riedl und Ludwig-Holger Pfahls, Ex-CDU-Schatzmeister Kiep und dem Kohl-Vertrauten Horst Weyrauch? Wie hoch ist der Preis zum Export von Kriegswaffen in Spannungebiete, wenn dieser gegen bestehende Richtlinien und Gesetze verstößt und einzig wegen des politischen Gewichts und der Einflussmöglichkeiten der Entscheidungsträger jahrelang ohne juristische Konsequenzen bleibt?

Ein illustrer Kreis von Verdächtigen
Klar ist schon jetzt: Der zu Beginn der neunziger Jahre erfolgte Verkauf von Fuchs-Panzern an Saudi-Arabien hat gegenwärtig ein aufsehenerregendes Nachspiel: Nachdem im Mai 1999 zwei Thyssen-Manager wegen Betrugsverdacht verhaftet wurden, ermittelt die Staatsanwaltschaft inzwischen gegen eine Reihe weiterer Personen. So sind u.a. der in Kanada lebende Waffenhändler Karlheinz Schreiber, der ehemalige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Erich Riedl (CSU), der ehemalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium und Ex-Verfassungschutzpräsident (!) Ludwig-Holger Pfahls (CSU), der Sohn von Franz-Josef Strauß, Max Strauß, und in den letzten Wochen auch der Ex-CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep und sogar - erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik - der Ex-Kanzler des Landes in das Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Dieser wirklich illustre Kreis ist nicht nur für manche Überraschungen gut. Er wartet geradezu darauf, dass weitere prominente Personen aus Politik, Wirtschaft und Sport (Eintreiben von Spenden in Rekordhöhe) ihn komplettieren.
Zu den Details: Bereits im September 1999 berichtet die Süddeutsche Zeitung, dass die Familie Strauß über 5 Millionen Mark von dem über hervorragende Beziehungen zu offiziellen Stellen verfügenden Waffenhändler Schreiber erhalten haben soll. Die Geschichte gärt schon länger. Nach der ersten Sitzung des neuen Bundestages im Oktober 1998 hatte die Augsburger Staatsanwaltschaft angekündigt, die Untersuchungen gegen den einflussreichen CSU-Politiker Riedl wiederaufzunehmen. Zuvor hatte der Bundestag Riedls Immunität zwar im Juni 1996 aufgehoben, nachdem der Politiker in den Verdacht geraten war, für eine von Thyssen beantragte Ausfuhrgenehmigung des Spürpanzers "Fuchs" widerrechtlich eine Provision von 500.000 Mark erhalten zu haben. Doch im November 1997 wurde ihm die Immunität durch einen Bundestagsbeschluss zurückgegeben. Begründung: Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg zögen sich zu sehr in die Länge.

Landschaftspflege im Minenfeld
Nachdem Riedl bei der letzten Bundestagswahl nach fast 30 Jahren Zugehörigkeit zum Parlament sein Mandat verlor, war er nicht länger durch die parlamentarische Immunität geschützt. Da von den Ermittlungen neben Riedl, Pfahls und Kiep inzwischen eine ganze Reihe ehemaliger Spitzenpolitiker aus CDU und CSU betroffen sind, droht die juristische Aufarbeitung dieser Panzer- und Bestechungsaffäre die politische Landschaft schwer zu erschüttern. Die "Pflege der politischen Landschaft" durch Manager von Rüstungsfirmen, Waffenhändlern und Rüstungslobbyisten hinterlässt weniger "blühende Landschaften", um es mit einem Kohl-Wort zu sagen, als vielmehr so manches Minenfeld.

Während im Moment die Öffentlichkeit sehr auf "schwarze Konten" fixiert ist, und die kriminelle Energie bei der Beschaffung von Spenden bzw. deren Verschleierung, sowie mögliche Gegenleistungen der Politik Gegenstand der Betrachtungen sind, fällt weitgehend unter den Tisch, welche dubiosen Rüstungsgeschäfte die in die Affaire Verstrickten zu verantworten haben. Durchaus interessant ist da auch der Blick in die zweite Reihe; die Beispiele Erich Riedl und Ludwig-Holger Pfahls machen das deutlich.

Riedl war lange Zeit in führenden politischen Positionen tätig und hat eine Fülle wichtiger Entscheidungen eingefädelt und mitgetragen. Der politische Ziehsohn des früheren CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß zog erstmals 1969 in den Bundestag ein. Nachdem er als Präsident des Fußballclubs TSV 1860 München den Verein zu Beginn der achtziger Jahre sportlich und finanziell in ein Debakel geführt hatte, widmete er sich danach - zum Segen des Fußballclubs und einiger Rüstungsschmieden - der großen Politik: Er wurde 1987 Koordinator der Bundesregierung für die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie.
 

In seiner Funktion als Staatssekretär zog er später in dem von FDP-Ministern angeführten Wirtschaftsministerium die Drähte. Als das Kartellamt die Fusion zwischen Daimler-Benz und Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB) ablehnte, kümmerte sich Riedl nicht um Verfahrensfragen. Er betätigte sich als starker Mann im Hintergrund und stellte der Industrie die gewünschte Sondergenehmigung durch den Wirtschaftsminister schon in Aussicht, bevor der zunächst zögerliche FDP-Wirtschaftsminister Haussmann sich entschieden hatte. Tatsächlich erteilte Haussmann die Sondergenehmigung, die den Spruch des Kartellamtes außer Kraft setzte: Der Weg war frei zur Schaffung des mit Abstand größten deutschen Rüstungskonzerns unter dem Dach von Daimler-Benz. Damals auftauchende Spekulationen, es könnten bei dieser Entscheidung Versprechen über großzügige Zuwendungen, sprich Geld, im Spiel gewesen sein, konnten nie belegt werden und sind letztlich auch unerheblich. Denn die Fakten sprechen für sich. Wem zu danken war bei dem Zustandekommen der Elefanten-Hochzeit, wusste der Daimler-Benz-Konzern sehr gut - auch und gerade abzulesen an den Großspenden für die Parteien. Dass die CSU bei den Zuwendungen besonders gut abschnitt und auch die FDP sich über hohe Geldbeträge des sich spendabel zeigenden Konzerns freuen durfte, ist sicher keine Überraschung.

Der ´Jäger 90` lebte weiter
In den zurückliegenden Jahren tat sich Riedl dann als einer der energischsten Befürworter des teuersten europäischen Rüstungsprojekts "Eurofighter 2000" (ehemals Jäger 90) hervor, das von der Daimler-Tochter DASA mitentwickelt wurde. Als Volker Rühe zu Beginn seiner Amtszeit als Verteidigungsminister erklärte "der Jäger 90 ist tot" - er passe nicht mehr in unsere Zeit und sei viel zu teuer - drohte Daimler-Chef Jürgen Schrempp mit der "Schließung kompletter Werke". Die Rüstungslobby, vor allem Riedl, Pfahls und eine Reihe bayerischer Amigos, übte auf politischer Bühne erheblichen Druck aus. Mit Erfolg. Den vollmundigen Ankündigungen Rühes folgten peinliche Rückzugsgefechte. Finanzielle Obergrenzen wurden festgelegt, die keinesfalls überschritten werden dürften, da sonst das Projekt gestoppt werde. Die Kostenexplosion des Projekts ging munter weiter, und das Überschreiten aller zuvor festgelegten Obergrenzen honorierte die Politik auf ihre Weise: Im November 1997 beschloss die alte CDU/CSU/FDP-Regierungskoalition die Anschaffung des neuen Jagdflugzeuges. Dafür muss der Bund in den nächsten Jahren nach Angaben des Ex-Verteidigungsministeriums (Volker Rühe) 23 Milliarden Mark ausgeben. Der Bundesrechnungshof bescheinigte dem alten Verteidigungsminister und den Fürsprechern, mit falschen Zahlen an die Öffentlichkeit gegangen zu sein: Nach seinen Angaben kostet der Nachfolger des Tornados - das seinerzeit "teuerste Rüstungsprojekt seit Christi Geburt" (Helmut Schmidt) - über 30 Milliarden Mark.

Geldkoffer für politische Gefälligkeiten
Zur Zeit sehr anschaulich ist: Wichtige politische Entscheidungen werden in der Bundesrepublik von einer starken Militär- und Rüstungslobby beeinflusst und mit dem angeblich bestehenden "Primat der Politik" ist es nicht weit. Außerdem anzutreffen ist ein der demokratischen Kontrolle völlig entzogenes Geben und Nehmen. Anders gesagt: Wo in dieser Branche das große Geld fließt, ist auch die große Politik nicht weit.

Die Rechtslage ist beim Thema Produktion von Kriegswaffen und Rüstungsexporten an sich eindeutig. Auf die Frage, wieso es trotzdem z.B. Panzerlieferungen in ein Spannungsgebiet gibt und es zu vielen legalen und illegalen Waffenlieferungen in zahlreiche Länder der Erde kommt, darauf erhalten wir gegenwärtig einige Antworten.

Dass gegenwärtig für Schmiergeldzahlungen zahlreiche Belege auftauchen und das nun bestehende öffentliche Interesse dürfen allerdings über eines nicht hinwegtäuschen: Die beteiligten Herren (es sind ausschließlich Herren - sehen wir einmal von der Ex-Staatssekretärin im Verteidigungsministerium Agnes Hürland-Büning ab) sind beim "Geschäft mit dem Tod" meistens sehr diskret und Konsequenzen haben sie kaum zu fürchten. Obwohl beispielsweise die Waffendeals deutscher Firmen mit Saddam Hussein tausende Kurden im Nordirak mit ihrem Leben bezahlten, als der irakische Diktator seine "neuen Waffen" einsetzte, blieb es im Zuge einer politischen und juristischen Aufarbeitung dieses Skandals bei "bescheidenen Folgen" für die hierfür Verantwortlichen: Es gab eine kleine Zahl zu Geld- und kurzen Haftstrafen verurteilter Rüstungsmanager. Das Wegsehen staatlicher Stellen, der Beschluss zur Lieferung von Waffen für Vertreibungen, Zerstörungen und Krieg - da mangelt es nicht an Beispielen, erinnert sei hier nur an den nachweislich stattfindenen Einsatz deutscher Waffen auch gegen die Zivilbevölkerung in den kurdischen Provinzen in der Türkei - blieb zu allen Zeiten folgenlos. Dabei heißt es unzweideutig: Eine Genehmigung des Exports von Kriegswaffen ist zu versagen, wenn "die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere einem Angriffskrieg, verwendet werden" (KWKG §6, Abs.3).

Natürlich könnten auch in der Schweiz übergebene Geldkoffer die anzutreffende Haltung bei verantwortlichen Politikern gestärkt haben. Aus deren Sicht sehr dumm ist, dass Schreiber - nomen est omen? - soviel notiert hat. Selbst so harmlos anmutende Eintragungen wie "Waldherr (als Pseudonym für Kiep): 1" erweisen sich, wenn der Stein erst einmal am Rollen ist, als fatal. Schreiber erklärt unterdessen von Kanada aus, seine Verfolger seien Idioten und das Ganze sei ein "Haufen Scheiß". Doch genau dafür gibt es nun eine interessierte Öffentlichkeit - für seine kleinen und vor allem seine großen Geschäfte!
 

Was da alles zum Himmel stinkt, vor allem unter wessen Beteiligung, werden wir leider sicher nie ganz erfahren. Die nun bekannt werdenden Details sind trotzdem schon aufregend genug. Gleichzeitig ist es eine Geschichte wie aus einem Groschenheft: Panzer, Schmiergelder, Erinnerungslücken, schwarze Konten, ein in Asien - vermutlich in Singapur oder Indonesien - abtauchender Ex-Staatssekretär Ludwig-Holger Pfahls, der es immerhin in seiner Karriere einmal zum Präsidenten des Verfassungsschutzes gebracht hatte, und deshalb sicher das nötige "know-how" mitbringt, profesionell (und nach Vermutungen der Staatsanwaltschaft mit rund 4 Millonen Mark Schmiergeld in den Taschen) unterzutauchen. Und dann ist da noch ein Ex-Regierungschef, der "nur seiner Partei dienen wollte" und nicht ausschließen kann, den beteiligten Waffenhändler "mal gesehen zu haben". Aber das war wenigstens dann nicht mit einem Geldkoffer auf einem Parkplatz in der Schweiz. Für derartige "Übergaben" hatte Kohl gute "Vertraute".

Die angeblich mit derartigen Ereignissen nicht zusammenhängenden Entscheidungen der Politik fielen allerdings am Kabinettstisch.
 

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