Frauen in der (weißen) Armee

Warum Frauen das Militär verlassen

von Janice Hill

Frauen im Militär am Beispiel der US-Armee: Anstatt der versprochenen Gleichberechtigung und der nicht-konventionellen Arbeit ist ihr Schicksal nur zu häufig, sich gegen ständige sexuelle Belästigungen bis hin zu Vergewaltigung wehren und untergeordnete Dienste verrichten zu müssen. Viele würden sich eine vorzeitige Entlassung aus dem Militär wünschen, doch zu Hause erwartet sie die Arbeitslosigkeit...

''Als ich ihm mitteilte, daß ich die Armee verlassen wollte, fragte mein vorgesetzter Offizier sarkastisch: "Wo werden Sie arbeiten, bei McDonald's?"
Diese Anekdote - sie wurde von einer jungen weiblichen Freiwilligen der US-Armee in der BRD erzählt - illustriert gleichzeitig, warum Frauen in die Armee gehen, warum sie raus wollen und warum sie oft nicht in der Lage sind, das Militär zu verlassen. Während Bevormundung, sexuelle Belästigung, Benachteiligung am Arbeitsplatz und sogar Vergewaltigung den Alltag von Frauen im Militär kennzeichnen, machen Arbeitslosigkeit oder Unterbeschäftigung (in sogenannten "Dienstleistungsbetrieben" wie McDonald's), fehlendes Geld fürs Studium und die Aussicht eines Lebens ohne Perspektive im Ghetto oder an der Hauptstraße die Versprechen der Militärdienstwerbung verlockend. Tatsächlich erscheint die Chance zu reisen, aufs College zu gehen und aufzusteigen um einiges besser als die Arbeit beim örtlichen McDonald's. Doch nach der Rekrutierung beginnen die wahren Probleme.
"Ich hatte unmittelbarere Probleme als mich darum zu sorgen, was geschehen würde, wenn irgendwelche fremde Truppen anfangen würden, durch die Hauptstraßen der USA zu marschieren - ich mußte mich davor schützen, von meinen Mit-Soldaten vergewaltigt zu werden." (Kriegsdienstverweigererin in der US-Armee)
Während Frauen als Soldatinnen benötigt werden, um die Hegemonie der USA aufrechtzuerhalten, werden sie nicht als Soldatinnen akzeptiert. Frauen spüren heftig, daß sie in den "Boy's Club" "reingelassen" wurden. Psychologische und physische Gewalt gegen Frauen sind die Kennzeichnen von dem, was die Generalin der Air Force a.D. Jeanne Holmes den militärischen "Kult der Männlichkeit" nennt.
Armee, Luftwaffe und Marine geben offiziell zu, daß sexuelle Belästigung ein großes Problem der Mannschaften ist. Bei einer Untersuchung über Frauen, die in der Dritten Infantrie-Division der USA in der BRD dienen, wurde herausgefunden, daß 81% der Frauen in Uniform über jeden Tag stattfindende unerwünschte Annäherungen und Obszönitäten klagen. Dieses Verhalten nimmt keine Rücksicht auf den militärischen Rang; ein weiblicher Kolonel in Stuttgart formuliert es so: ''Wenn du mit mehr als einem Jungen gehst, bist du eine Hure. Wenn ich nicht mit den Jungen gehe, werde ich eine Lesbe genannt. Du kannst nicht gewinnen."
Obwohl sexuelle Belästigung nach Militärrecht belangt werden kann, darf die belästigte Frau keine Beschwerde gegen ihren Angreifer initiieren. Der Prozess kann nur durch den kommandierenden Vorgesetzten in Gang gesetzt werden, der gut zögern könnte, Anklagen gegen einen anderen männlichen Soldaten vorzubringen. Frauen, die sich beschweren, können sich Repressionen ausgesetzt sehen, z.B, eine schlechte Beurteilung bekommen, was dazu führt, daß sie nicht befördert werden und weniger Sold beziehen. Vergewaltigung passiert im Militär zweimal so häufig wie in der zivilen Welt. Dennoch wird Überlebenden von Vergewaltigungen innerhalb des Militärs oft gesagt, daß Vergewaltigung "zum Militärdienst dazugehöre" und der Vergewaltiger wird nie vor Gericht gestellt. Angesichts solcher Gefühlslosigkeit strengen vergewaltigte Soldatinnen nur selten Klagen gegen ihre Angreifer an.

Einige unserer besten Soldaten tragen Lippenstift (Werbe-Poster der US¬Armee)
Über die Hälfte der weiblichen Soldaten bekommen nicht die nicht-traditionelle Arbeit, die ihnen von den Werbern versprochen wurde - was heißt: weniger Bezahlung und weniger Chancen zum Aufstieg. Während 99% der weiblichen Rekruten ein Oberschuldiplom haben (im Vergleich: 93% der männlichen Freiwilligen), sowie bessere Ergebnisse bei den Einstellungsprüfungen, finden sich die meisten Frauen (besonders Schwarze) in den fünf niedrigstbezahlten Rängen. Frauen nichtweißer Hautfarbe sehen sich der doppelten Barriere von Sexismus und Rassismus gegenüber: entsprechend Statistiken der US-Armee in Europa stellen farbige Frauen 51,2% aller weiblichen US-Soldaten in der BRD, doch sind nur 3,46% von ihnen Offiziere - dreimal weniger als die Zahl weißer weiblicher Offiziere.
Schaut man sich das Gesamtbild des militärischen Lebens von weiblichen Soldaten an, ist es leicht zu erkennen, warum so viele unzufrieden sind. Doch "überzeugen" der Verlust von Vorteilen, die durch die Mitgliedschaft im Militär entstehen, die Verantwortung, Stipendien zurückzuzahlen und die drohende Arbeitslosigkeit zuhause viele Frauen, ihren Stolz herunterzuschlucken und zu bleiben. Jene, die die Entlassung suchen, werden oft durch ihren Vorgesetzten falsch informiert; häufig wird ihnen gesagt: "Geh und werde schwanger - das ist der leichteste Weg raus!"

"Ich glaube nicht an das, wofür das Militär steht. Ich glaube nicht, daß wir unsere Verteidigung aufbauen müssen, um zu töten ... In meinem Gewissen erkannte ich, wofür das Militär wirklich dient: Wenn es einen Konflikt gibt, würde es Menschen mobilisieren, um Menschen zu töten ...'' (PFC Laura Hunter, Worms, Antragstellerin auf Verweigerung aus Gewissensgründen)
Für viele Frauen im Militär kommt ein Punkt, an dem ihnen die Natur der Strukturen bewußt wird, in denen sie gefangen sind. Für manche bedeutet diese Erkenntnis tiefe Zweifel an ihrer fortgesetzten Teilnahme an diesen Strukturen. Für Laura war es ihr Kontakt mit den Deutschen, was sie infragestellen ließ, welchen Zusammenhang ihre Arbeit als Sekretärin und Computer-Fachfrau mit der Gesamtaufgabe der Armee zu tun hat:
"Den Deutschen scheint bewußter zu sein, daß Krieg real ist", sagte Laura. "In den USA nehmen die Menschen es für selbstverständlich hin, daß es ein Militär gibt und was es tut.“

Janice Hill ist Mitarbeiterin im Projekt Gewalt im Militär.  Es ist Teil des "Military Counseling Networks" in der BRD, das versucht, Frauen im Militär zu helfen, einschließlich der Gattinnen von Soldaten und. Zivilangestellten. Es stellt die Verbindung zwischen der persönlichen Gewalt des Sexismus und der strukturellen Gewalt des Militärs her. Sie geben rechtliche Ratschläge an jene, die die Entlassung aus dem Militär anstreben, helfen Frauen, gegen. Benachteiligung am Arbeitsplatz und sexuelle Belästigung zu kämpfen, und helfen den Opfern von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt im Militär. Auch sorgen sie für Unterstützung und rechtliche Hilfe für deutsche Frauen und Frauen anderer Nationalität in der BRD, die durch US-Militärpersonal mißbraucht wurden. In erster Linie wollen sie Frauen gegen den tatsächlichen Feind vereinigen: die Gewalt, sei es in der Form von Vergewaltigung, von Atomwaffen oder Armut.

Informationen bei:
Women  and the Military, Sindelfingen aus dem Militär anstreben, helfen Jugendhaus Mitte, Küblerstr. 4, 7032Sindelfingen, Tel. 07472/8928.

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Janice Hill ist Mitarbeiterin im Projekt Gewalt im Militär.