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Warum man nicht auf die UN setzen sollte
vonIn der Friedensbewegung gibt es in Bezug auf die Vereinten Nationen drei Tendenzen: Die eine sieht in ihr aufgrund der Zielsetzung - "Weltfrieden", Menschenrechte etc. - gleichsam einen natürlichen Verbündeten. Deshalb will man die Vereinten Nationen stärken, um die den Nationalstaaten inhärenten Probleme, wie Feindbilder, Militarisierung, Grenzen, und Militärbündnisse, wie die NATO, einzudämmen bzw. Staaten und Militärs perspektivisch überhaupt zugunsten einer Weltregierung aufzulösen. Andere begreifen die Vereinten Nationen pragmatisch als mächtiges Gremium, auf das dann auch etliche Friedensorganisationen durch Mitarbeit Einfluss zu nehmen versuchen. Die dritte Tendenz schließlich, die hier vorgestellt wird, sieht gerade in der UNO ein wichtiges Hindernis für die Erreichung unserer Ziele und fordert deswegen, ihre fatale Praxis anzuprangern, mit dem Ziel, diese Institution zugunsten regionaler Politik von unten aufzulösen. Im folgenden Beitrag werden einige Argumente der UN-Gegner aus Sicht der Friedensbewegung zur Diskussion gestellt.
Die Vereinten Nationen sind kein Zusammenschluss von Nationen, wie der Name impliziert, sondern gemäß ihrer Charta, von "friedliebenden Staaten". Die weit über 1.000 Nationen, die keinen Staat bilden (wollen) und tatsächlich "friedliebend" sind, wie z.B. Romas, haben auf die UNO keinen Einfluss. Natürlich haben Staaten per se kein Interesse, permanent Krieg zu führen, sondern wollen im Allgemeinen ihre Konflikte politisch-diplomatisch beilegen. Aber sie schließen diese Möglichkeit auch nicht aus, sondern bereiten sich z.B. durch ihre Armeen und die Mitgliedschaft in Militärbündnissen permanent darauf vor. Wer die Geschichte und Praxis der Staaten untersucht, wird ihnen wohl kaum "Friedensliebe" bescheinigen können. Im Gegenteil, sie sind mit den Worten des Friedensforschers Johan Galtung nichts als "strukturelle Gewalt", in anderen Worten, eine ständige Kriegsursache. Galtung: "Ich persönlich denke, dass der Nationalstaat eine der verwerflichsten Innovationen der Menschheitsgeschichte ist." Wie soll da ein Bündnis dieser Staaten anders zu beurteilen sein?
Ein weiterer Mythos ist die "souveräne Gleichheit" der Mitglieder. Kleine bzw. arme Staaten können sich im sündteuren New York oft nicht mal Büros mieten; sie können lediglich in einer Kooperation mit anderen Staaten auftreten und vielleicht gerade mal in der Vollversammlung eine Rede halten. Mächtige Staaten dagegen besetzen alle Gremien und bringen so ihren Einfluss überproportional zur Geltung. So wird die Hierarchie der Staaten - Erste, Zweite, Dritte etc. Welt - durch die Vereinten Nationen sogar noch verschärft.
Die Vereinten Nationen sind nach dem Zweiten Weltkrieg von den gegen den Faschismus siegreichen westlichen Staaten ins Leben gerufen worden, um ihr System als Gradmesser für die restliche Welt zu verankern. Ist aber eine weiße, christliche, kapitalistische Welt - abgesehen davon, dass sie nicht durchsetzbar ist - überhaupt wünschenswert? Sollte nicht vielmehr die Unterschiedlichkeit und die dadurch existierenden Probleme, als Positivum begriffen werden?
Der mächtigste Staat der Erde, die USA, hatte auch das größte Interesse an der Gründung der UNO und konnte sie bislang auch am Besten benutzen. So bestimmten sie, dass der permanente Sitz in New York sein soll. Sie sind dafür auch bereit, den größten Finanzanteil zu tragen. Seitdem verfährt man nach dem Motto "Wer bezahlt, bestimmt". Das heißt nicht, dass sie wirklich bezahlen. Die USA sind der UNO größter Schuldner, um der Organisation zu zeigen, wo es lang geht. Kommissionen, die als kritisch gelten, werden boykottiert oder es wird ihnen solange der Geldhahn abgedreht, bis die Richtung wieder stimmt. Viele Anliegen der UNO können erst dann durchgeführt werden, wenn das Geld aus den USA fließt.
Das zentrale Gremium ist die Generalversammlung, ihr ist aber der Sicherheitsrat übergeordnet. Die Generalversammlung kann ihm lediglich unverbindliche "Empfehlungen" geben. Artikel 12 der Charta legt zudem fest: "Solange der Sicherheitsrat ... Aufgaben wahrnimmt, darf die Generalversammlung" dazu nicht mal "eine Empfehlung abgeben". Von Demokratie und Mehrheitsbeschlüssen ist hier, an entscheidender Stelle, nichts zu verspüren. Die Generalversammlung hat die Funktion einer Schwatzbude, bei der Regierungsvertreter im besten Falle jedes Jahr eine Rede halten können.
Im ständig tagenden Sicherheitsrat maßen sich die permanenten Mitglieder an, die Geschicke der Welt zu leiten. Das Kriterium, um in diesen erlauchten Club aufgenommen zu werden, ist der Besitz von Atomwaffen. Dabei sind Russland und China gegenüber den drei westlichen Mächten in der Position einer permanenten Minderheit. Ihnen bleibt lediglich die Stimmenthaltung oder das Veto, wovon sie aber kaum Gebrauch machen, denn sie können durch ihr Wohlverhalten darauf vertrauen, dass es dann auch keine Einmischung in ihre "inneren Angelegenheiten" gibt. So sind die militarisiertesten und aggressivsten Staaten nicht nur Wächter über den Frieden der Welt, sie müssen gleichzeitig auch keine Verurteilung befürchten.
Die große Mehrheit der derzeit geführten Kriege sind innerstaatlich - und dafür erklärt sich die UNO gemäß der Charta für unzuständig bzw. sie unterstützt aus Prinzip die staatlichen Gewaltherrscher gegen aus der Not geborene Guerillabewegungen. Das heißt, die Vereinten Nationen sind nur ein Gremium zur Beilegung von Konflikten zwischen Staaten. Zu den wesentlichen Mitteln dafür zählen jedoch "friedenserhaltende" bzw. "friedensschaffende" Militäreinsätze. Und hier feiert der "gerechte Krieg" fröhliche Urständ`. Dabei ist klar, dass auch nur dann ein Eingreifen beschlossen wird, wenn dies im Sinne der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates ist, es ist also eindeutig selektiv.
Anfang der 90er Jahre wurde durch den damaligen UN-Generalsekretär Butros Butros-Ghali das Problem gesehen, dass für UNO-Kriege immer erst Militär bei den Mitgliedsstaaten angefordert werden muss. Er wollte deswegen eigene UNO-Truppen. Dies war aber z.B. der NATO gar nicht recht, weshalb sie dann selbst zur weltweiten "Friedensstreitmacht" wurde. Er galt auch deswegen als nicht mehr tragbar und musste abdanken. Die NATO sieht sich aber keineswegs an Beschlüsse der UNO gebunden und wird seitdem - mit oder ohne UN-Auftrag - out-of-area eingesetzt.
Dass Staaten Militär haben, Leute über die Wehrpflicht zwangsrekrutieren und "gerechte Kriege" führen, stellt für die UNO kein Problem dar. Hinzu kommt, dass immer mehr Staaten mit dem Argument möglicher UN-Einsätze aufrüsten bzw. nach deren Vorbild eigene Interventionen starten. Dazu ein paar Beispiele: In Namibia war die UNO nach dem Rückzug Südafrikas beim Aufbau der neuen Armee behilflich, die inzwischen in mehrere Kriege verwickelt war und derzeit in der Demokratischen Republik Kongo interveniert. In Argentinien hatte die Armee durch die Diktatur und den verlorenen Krieg um die Malwinen jegliches Ansehen verloren. Hier gelang der Regierung die Remilitarisierung mit UN-Militäreinsätzen in Haiti und Kroatien. In Fidschi führten die Einheiten der bis dahin sehr kleinen Armee nach ihrem Libanon-Einsatz einen Putsch durch. UNO-Einsätze sind für arme Staaten zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden.
Auch von der UNO sanktionierte bzw. geführte Kriege sind für uns keineswegs akzeptabel. Alle Begleiterscheinungen, inklusive von Kriegsverbrechen, finden sich auch in ihnen. Man denke nur an den Einsatz in Somalia oder Bosnien (Srebrenica).
Aufgrund der geschilderten Einseitigkeit im Sicherheitsrat, gab es in den letzten Jahren Initiativen, zusätzliche Staaten als permanente Mitglieder aufzunehmen. Nach dem ursprünglichen Kriterium, Atomwaffen, sind nun auch Indien und Pakistan Kandidaten. In diesen Staaten hat man die Atomwaffen übrigens auch mit diesem Hintergrund gezündet. Dann fühlen sich die Länder der südlichen Hemisphäre ausgeschlossen und möchten ebenfalls vertreten sein. Und schließlich melden die seit 1945 neu entstandenen Großmächte, wie Deutschland und Japan, ihre Ansprüche an. Da keines dieser Kriterien für sich genügend Zustimmung erfährt, gibt es nun die Idee, eine gemeinsame Aufnahme zu versuchen. Dann wären die mächtigsten und aggressivsten Staaten im Club der Mächtigen. Aus friedenspolitischer Sicht wäre damit nichts gewonnen. Das Anliegen ist wohl auch kaum durchsetzungsfähig. Selbst wenn die dafür notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit in der Vollversammlung zusammen käme, müssten dann auch die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates gemäß der Charta ausdrücklich zustimmen. Aber warum sollten sie ein Interesse haben, ihre Macht zu teilen?
Die Auswirkungen dieses Bestrebens können wir in Deutschland seit nunmehr zehn Jahren hautnah nachvollziehen. Mit dem Anspruch auf einen Platz im Sicherheitsrat wurde die Bundeswehr erst zu "friedenserhaltenden", dann zu "friedensschaffenden" UNO-Missionen entsandt, gleichzeitig wurde die NATO "out-of-area" einsatzbereit gemacht. Dann ist man dabei europäische Interventionstruppen aufzubauen. Da das mit dem Platz im Sicherheitsrat wohl erstmal nichts wird, spielt nun auch der ursprünglich vorgegebene UN-Auftrag dieser ganzen Aufrüstung für Interventionen plötzlich keine Rolle mehr.
Zusammenfassung: Die UNO verschärft das Machtgefälle der Staaten. Im einzig relevanten Gremium, dem Sicherheitsrat, haben sich die historischen Atommächte die Legitimation verschafft, der Welt ihren Frieden aufzudrücken. Alle Reformvorschläge laufen darauf hinaus, dieses Gremium, und die dort beschlossenen Interventionen, Kriege etc. weiter aufzuwerten. Ohne Unterstützung von NGOs kann auch die UNO keinen Krieg mehr führen, deshalb unternimmt sie vieles um sie einzubinden. Friedensorganisationen dürfen im Menschenrechtsausschuss mitarbeiten, um die Folgen von Kriegen mildern zu helfen. In der entscheidenden Frage, ob ein Krieg geführt wird oder nicht, wird ihre Hilfe offensichtlich nicht benötigt. So werden immer mehr NGOs zu Agenten der UNO-(Kriegs-)Politik. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der Forderung, dass Kriege doch bitteschön von der UNO beschlossen werden sollen. Kriege sind jedoch an sich Verbrechen. Wer glaubhaft gegen Atomwaffen, Abrüstung und Entmilitarisierung, für Solidarität der Menschen untereinander arbeiten will, muss eindeutig gegen die der UNO inhärente (militärische) Machtpolitik aktiv werden. Glaubwürdig ist dies nur durch die Nicht-Beteiligung an diesen Strukturen und die entsprechende Vernetzung nationaler und internationaler Initiativen.