Zur Verantwortung des Einzelnen für die Bewahrung der Umwelt

"Was kann ich allein tun?"

von Saral Kumar Sarkar

Schon 1976 riet der Friedensforscher Theodor Ebert den damaligen Frie­densbewegten, sich für die Ökobewegung zu engagieren. Er schrieb:"Selbst wenn wir eine vollständige Abrüstung zustande brächten und selbst wenn wir die Produktionsmittel in die Hände der Produzenten überführten, hätten wir das Friedensziel noch nicht erreicht. Wenn näm­lich unter pazifistischen und sozialistischen Vorzeichen das industrielle Wachstum weiter vorangetrieben würde, führte dies auch ohne Krieg und Kapitalismus in Krisen und Katastrophen."1 

Ich möchte einen Schritt weiter gehen. Ich meine, die Ökobewegung sollte heute Vorrang haben vor der Frie­densbewegung im engeren Sinne. Denn die Friedensbewegung wird nie ganz erfolgreich sein, solange die hochindustrielle Lebensweise in Eu­ropa und Nordamerika und das Stre­ben danach in der Dritten Welt wei­terbesteht. Wer soviel ôl braucht, muß seine Streitkräfte an den Persischen Golf schicken. Wer soviel Kupfer braucht, muß einen Militärputsch in Chile organisieren.

Damit will ich auch sagen, daß das Problem nicht bloß Umweltver­schmutzung ist. Die Lösung ist also auch nicht bloß mehr Achtsamkeit und Investitionen in Umweltschutz. Die X Milliarden Mark, die in den Umwelt­schutz investiert werden sollen, müs­sen auch zuerst verdient werden. Und dieser Prozeß wird, wie schon jetzt, sehr viel Umweltzerstörung und Aus­beutung der Dritten Welt notwendig machen. Die Energie und Rohstoffe, die für die Herstellung und den be­trieb der diversen Umweltschutzanla­gen (z.B. Katalysator für Autos) ver­braucht werden, erhöhen doch deren Gesamtverbrauch. Nein, mit techni­schem Umweltschutz können wir das eigentliche Problem nicht lösen. Das eigentliche Problem ist unsere Indu­striegesellschaft selbst. Sie kann nicht ökologisch modernisiert oder umge­baut werden, ohne anderswo ökologi­sche Zerstörungen zu verursachen. Eine ökologische Industriegesellschaft ist ein schwarzer Schimmel.2 Die In­dustriegesellschaft muß langfristig ab­gebaut werden, eine andere Lebens­weise muß entstehen.

Die Ökobewegung hat in den letzten zwei Jahrzehnten sehr viele Demos, Kundgebungen und andere Aktionen gemacht. Erreicht hat sie dadurch aber nichts außer etwas erhöhtem, aber konsequenzlosem und ohnmäch­tigem Problembewußtsein. Wie ein Politiker einmal sagte, "Die Hunde bellen, aber die Karawane zieht wei­ter." Die ôko­bewegung ist, mit einigen wenigen Ausnahmen, zu sehr staatsfi­xiert. Sie fordert(e) vom Staat irgend­ein Tun oder Unterlassen. Aber der Staat macht(e), was er will/wollte. Re­sultat: Flaute in der Bewegung, Resi­gnation.

Ich meine, wenn die Ökobewegten wirklich eine ökologische Gesellschaft erreichen wollen, dann sollten sie nicht nur an den Staat Forderungen stellen, sondern auch an sich selbst. Auch wir müssen etwas tun und unterlassen. Und wir müssen damit hier und jetzt anfangen. Dieser Anfang kann nicht auf der Regierungsebene passieren. Erstens sind Politiker von den Wirt­schaftsbossen abhängig, und zweitens sind sie ja auch gewöhnlich Menschen, die vor allem ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Sie haben kein Interesse daran , wegen unpopulärer Maßnah­men die nächste Wahl zu verlieren. Der Anfang muß und kann in unse­rem Alltagsleben stattfinden. Zum Beispiel sollten wir aufhörten, (soviel) Auto zu fahren. Zumindest für Großstadtbe­wohner gibt es keinen plausiblen Grund, regelmäßig Auto zu fahren. Wenn wir nicht wollen, daß die Wäl­der in Lateinamerika zugunsten der Viehzucht gerodet werden, wenn wir nicht wollen, daß große Teile des fruchtbaren Ackerbodens der Dritten Welt dem Futtermittelexport gewid­met werden, dann sollten wir aufhö­ren, soviel Fleisch zu essen.

Dieser Ansatz hat große Vorteile. Er­stens brauchen wir dazu keine Regie­rungsmaßnahmen und keine Be­schlüsse des Parlaments, wo wir noch lange keine Mehrheit haben würden. Zweitens kann fast jeder diese Un­terlassungen (aber auch manches Tun) schaffen. Und drittens, wenn Millionen Menschen das tun, dann werden sich als Ergebnis ganz konkrete, spürbare Wirkungen zeitigen.

Dieser Ansatz wird schließlich Druck von unten auf die Gesetzgebung aus­üben. "Wir sind als einzelne aufgefor­dert, Zeichen des Konsumverzichts zu setzen, um damit unsere Bereitschaft anzuzeigen, gesetzliche Regelungen anzunehmen. Damit ist der einzelne aber auch davon entlastet, durch sei­nen freiwilligen Verzicht alle Pro­bleme lösen zu müssen."3 Dem Zitat aus dem Jahre 1979 möchte ich noch drei Argumente hinzufügen: Erstens, erfahrungsgemäß wird ein solcher "Verzicht" bald als eine Befreiung empfunden. Zweitens, das wird auch den Politikern die Angst nehmen, daß sie bei Entscheidungen zugunsten der Umwelt nicht mehr gewählt werden würden. Und last but not least, eine gesunde Umwelt zum Nulltarif ist ab­solut unmöglich. Ohne die moralische Kraft zur Verzichtsbereitschaft gibt es keine Hoffnung.

 

  1. Theodor Ebert: Ziviler Ungehor­sam; Waldkirch; 1984; S.127-128
  2. Dieses Argument habe ich detail­liert ausgeführt in: Saral Sarkar: ôkologische Industriegesellschaft ist ein schwarzer Schimmel; in "Kommune"; Nr.2/90; S.39ff.
  3. Christoph Stückelberger: Konsum­verzicht - Befreiung für Menschen und Natur; in: Rudolf Brun (Hrsg.): Der neue Konsument; Frankfurt; 1979; S.12.

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Saral Kumar Sarkar lebt in Köln