Eine Woche vor Ostern rufen wir mit unserem Aufruf "Kriege stoppen - Frieden und Abrüstung jetzt! " in mehreren Zeitungen zur Teilnahme an den Ostermärschen 2025 auf. Hilf auch du mit bei der Mobiliserung!
Zur Verantwortung des Einzelnen für die Bewahrung der Umwelt
"Was kann ich allein tun?"
vonSchon 1976 riet der Friedensforscher Theodor Ebert den damaligen Friedensbewegten, sich für die Ökobewegung zu engagieren. Er schrieb:"Selbst wenn wir eine vollständige Abrüstung zustande brächten und selbst wenn wir die Produktionsmittel in die Hände der Produzenten überführten, hätten wir das Friedensziel noch nicht erreicht. Wenn nämlich unter pazifistischen und sozialistischen Vorzeichen das industrielle Wachstum weiter vorangetrieben würde, führte dies auch ohne Krieg und Kapitalismus in Krisen und Katastrophen."1
Ich möchte einen Schritt weiter gehen. Ich meine, die Ökobewegung sollte heute Vorrang haben vor der Friedensbewegung im engeren Sinne. Denn die Friedensbewegung wird nie ganz erfolgreich sein, solange die hochindustrielle Lebensweise in Europa und Nordamerika und das Streben danach in der Dritten Welt weiterbesteht. Wer soviel ôl braucht, muß seine Streitkräfte an den Persischen Golf schicken. Wer soviel Kupfer braucht, muß einen Militärputsch in Chile organisieren.
Damit will ich auch sagen, daß das Problem nicht bloß Umweltverschmutzung ist. Die Lösung ist also auch nicht bloß mehr Achtsamkeit und Investitionen in Umweltschutz. Die X Milliarden Mark, die in den Umweltschutz investiert werden sollen, müssen auch zuerst verdient werden. Und dieser Prozeß wird, wie schon jetzt, sehr viel Umweltzerstörung und Ausbeutung der Dritten Welt notwendig machen. Die Energie und Rohstoffe, die für die Herstellung und den betrieb der diversen Umweltschutzanlagen (z.B. Katalysator für Autos) verbraucht werden, erhöhen doch deren Gesamtverbrauch. Nein, mit technischem Umweltschutz können wir das eigentliche Problem nicht lösen. Das eigentliche Problem ist unsere Industriegesellschaft selbst. Sie kann nicht ökologisch modernisiert oder umgebaut werden, ohne anderswo ökologische Zerstörungen zu verursachen. Eine ökologische Industriegesellschaft ist ein schwarzer Schimmel.2 Die Industriegesellschaft muß langfristig abgebaut werden, eine andere Lebensweise muß entstehen.
Die Ökobewegung hat in den letzten zwei Jahrzehnten sehr viele Demos, Kundgebungen und andere Aktionen gemacht. Erreicht hat sie dadurch aber nichts außer etwas erhöhtem, aber konsequenzlosem und ohnmächtigem Problembewußtsein. Wie ein Politiker einmal sagte, "Die Hunde bellen, aber die Karawane zieht weiter." Die ôkobewegung ist, mit einigen wenigen Ausnahmen, zu sehr staatsfixiert. Sie fordert(e) vom Staat irgendein Tun oder Unterlassen. Aber der Staat macht(e), was er will/wollte. Resultat: Flaute in der Bewegung, Resignation.
Ich meine, wenn die Ökobewegten wirklich eine ökologische Gesellschaft erreichen wollen, dann sollten sie nicht nur an den Staat Forderungen stellen, sondern auch an sich selbst. Auch wir müssen etwas tun und unterlassen. Und wir müssen damit hier und jetzt anfangen. Dieser Anfang kann nicht auf der Regierungsebene passieren. Erstens sind Politiker von den Wirtschaftsbossen abhängig, und zweitens sind sie ja auch gewöhnlich Menschen, die vor allem ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Sie haben kein Interesse daran , wegen unpopulärer Maßnahmen die nächste Wahl zu verlieren. Der Anfang muß und kann in unserem Alltagsleben stattfinden. Zum Beispiel sollten wir aufhörten, (soviel) Auto zu fahren. Zumindest für Großstadtbewohner gibt es keinen plausiblen Grund, regelmäßig Auto zu fahren. Wenn wir nicht wollen, daß die Wälder in Lateinamerika zugunsten der Viehzucht gerodet werden, wenn wir nicht wollen, daß große Teile des fruchtbaren Ackerbodens der Dritten Welt dem Futtermittelexport gewidmet werden, dann sollten wir aufhören, soviel Fleisch zu essen.
Dieser Ansatz hat große Vorteile. Erstens brauchen wir dazu keine Regierungsmaßnahmen und keine Beschlüsse des Parlaments, wo wir noch lange keine Mehrheit haben würden. Zweitens kann fast jeder diese Unterlassungen (aber auch manches Tun) schaffen. Und drittens, wenn Millionen Menschen das tun, dann werden sich als Ergebnis ganz konkrete, spürbare Wirkungen zeitigen.
Dieser Ansatz wird schließlich Druck von unten auf die Gesetzgebung ausüben. "Wir sind als einzelne aufgefordert, Zeichen des Konsumverzichts zu setzen, um damit unsere Bereitschaft anzuzeigen, gesetzliche Regelungen anzunehmen. Damit ist der einzelne aber auch davon entlastet, durch seinen freiwilligen Verzicht alle Probleme lösen zu müssen."3 Dem Zitat aus dem Jahre 1979 möchte ich noch drei Argumente hinzufügen: Erstens, erfahrungsgemäß wird ein solcher "Verzicht" bald als eine Befreiung empfunden. Zweitens, das wird auch den Politikern die Angst nehmen, daß sie bei Entscheidungen zugunsten der Umwelt nicht mehr gewählt werden würden. Und last but not least, eine gesunde Umwelt zum Nulltarif ist absolut unmöglich. Ohne die moralische Kraft zur Verzichtsbereitschaft gibt es keine Hoffnung.
- Theodor Ebert: Ziviler Ungehorsam; Waldkirch; 1984; S.127-128
- Dieses Argument habe ich detailliert ausgeführt in: Saral Sarkar: ôkologische Industriegesellschaft ist ein schwarzer Schimmel; in "Kommune"; Nr.2/90; S.39ff.
- Christoph Stückelberger: Konsumverzicht - Befreiung für Menschen und Natur; in: Rudolf Brun (Hrsg.): Der neue Konsument; Frankfurt; 1979; S.12.