Überlegungen zum "Staatsempfang"

Wenn sich der Staat in Schale wirft

von Armin Gräfingholt

Was tut ein Staat, der Gäste erwartet? All das, was der Privatbürger auch tut - und etwas mehr. Über dieses Mehr haben wir in unserer Friedensgruppe Über­legungen angestellt, die wir als Anstoß zur Diskus­sion weitergeben möchten.

Wenn ausländische Staatsoberhäupter begrüßt werden sollen, dann reichen die sonst üblichen Formen plötzlich nicht mehr aus, dann wird Militärisches aufgestellt. Dem unvoreinge­nommenen Betrachter will es zunächst nicht einleuchten, daß der Aufmarsch von Soldaten und das Zurschaustellen von Kriegs­material eine besondere Ehrung darstellen. Man braucht keine vergleichende Verhaltensforschung studiert zu haben, um an Imponierge­habe aus der Tierwelt erinnert zu wer­den.

Fragt man beim Protokollbeamten des Auswärtigen Amtes nach, dann erhält man eine mehrfache Be­gründung für das Fortbestehen von Formen, wie wir für überholt halten: Militärisches Ze­remoniell sei von jeher bei vergleich­baren Gelegenheiten selbst­verständlich gewesen. Es sei auch heute noch welt­weite Gepflogenheit, Staatsempfänge militärisch hervorzuheben. Jeder Staatsmann auf Be­such würde das Fehlen des Militärs als Kränkung ansehen. Zu­dem solle das Vorzeigen der ungeladenen Waffe die Friedfertigkeit des Gastgebers bewei­sen.

Die Begründung mag stichhaltig gewe­sen sein in Zeiten, in denen das Militä­rische Macht- und Ord­nungsbasis der Staaten war. Gegenwärtig zeichnen sich am Horizont Formen zwischen­staatlicher Bezie­hungen ab, die auf der Erkenntnis beruhen, daß angesichts des Waffenpotentials und der mensch­heitsbedrohenden Gefahren außermi­litärischer Art nicht nur die militäri­sche Auseinandersetzung sinn­los ge­worden ist, sondern daß im Gegenteil welt­weite friedliche Zusammenarbeit das dringendste Erfordernis ist. Auch wenn der Weg bis zur Ver­wirklichung solcher Zusammenarbeit weit und schwierig sein wird: wäre es nicht ein deutliches Zeichen für die Bereitschaft zum Umdenken, wenn da, wo es ganz sicher ohne Schaden geschehen könnte, auf das Militärische verzichtet würde?

Wir halten es weder für notwendig noch für zeit­gemäß, einen Staat, des­sen außenpolitische Ziele auf friedli­ches Zusammenleben der Völker ge­richtet sind, beim Empfang hoher ausländischer Gäste weiterhin allein durch Militär und militärisches Zere­moniell da­zustellen, - selbst wenn man der Interpretation des Auswärtigen Amtes folgt. Wir halten es vielmehr für notwendig, die archaische Ebenen der Droh- und Unterwerfungsgebärden zu verlassen und einen Rahmen zu schaffen, der Wesen und Ziele einen demokratischen Staates besser zum Ausdruck bringt.

Wir skizzieren einige Möglichkeiten:

  1. Militär trifft nur noch musikalisch in Erschei­nung, Präsentation von Ge­wehren und Abschrei­ten einer Eh­renfront entfallen.
  2. An einem informellen Empfang nehmen Abgesandte der im Bun­destag vertretenen Parteien und Vertreter der von dem Staatsgast zu besuchen­den Institutionen teil - oder Vertreter von Ge­werkschaften und Gruppen, die sich um Völker­verständigung bemühen (z.B. der Deutsch-So­wjetischen Gesellschaft, der Friedensgruppen...)
  3. Ein folkloristisches Programm bildet den Rahmen für einen Empfang, der auf kulturellen Brücken­schlag gerichtet ist.

Andere Formen sind denkbar; ent­scheiden ist der grundsätzliche Ver­such, die rein militärische Ebenen mit all ihren Implikationen zu verlassen. Dafür Ver­ständnis zu gewinnen sollte eigentlich kein Problem sein.

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Armin Gräfingholt ist Lehrer und ar¬beitet in der Friedensgruppe Burg (Fehmarn) mit.