Buchbesprechung: „Mutmachbuch“ von Jürgen Grässlin

Wie Lichter in der Nacht

von Christine Schweitzer
Hintergrund
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Das Vorwort des Buches ist Programm. Es beginnt mit: „Wie Lichter in der Nacht – was für wunderbare Worte voller Poesie. Die Nacht ist gekennzeichnet von der Destruktion unserer Zeit und den drohenden Dystopien unserer Zukunft. Doch Lichter leuchten in der Nacht: Menschen, die die Welt verändern. Weil sie als Mut machende Aktivistinnen und Aktivisten so viel Positives bewirken, weil sie Gutes und Grandioses tun. Weil sie ihre Visionen definieren und diese Schritt für Schritt in die Tat umsetzen und damit anderen Menschen Hoffnung spenden.“ (S. 11)

Jürgen Grässlin hat für dieses Buch 24 Persönlichkeiten interviewt. Viele von ihnen zählen eher zu den Prominenten der Friedensbewegungen oder sind als Politiker*innen bekannt geworden. Zu ihnen gehören alte Bekannte wie Margot Käßmann, Franz Alt, Malalai Joy und Vandana Shiva. Daneben kommen aber auch vielleicht nur Insider*innen bekannte Aktivist*innen zu Wort – u.a. der Filmemacher Peter Ohlendorf, der den under cover bei Nazis recherchierenden Journalisten Thomas Kuban portraitiert hat und mit seinem Film durch die Republik tingeln muss, weil die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender eine Ausstrahlung ablehnen. Auch eine Heilerziehungspflegerin, der ukrainische Kriegsdienstverweigerer Yurii Sheliazhenko, eine Pressesprecherin der Letzten Generation, zwei Aktivist*innen von Fridays for Future und Sebastian Sladek, der Geschäftsführer der EWS Schönau wurden interviewt. Des weiteren zwei Menschen, die in Kommunen leben, Menschen, die sich für Obdachlose und Inklusion einsetzen, ein Seenotretter und ein Vertreter der Exilregierung Myanmars (Aung Myo Min) ebenso wie die aufmüpfige ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Christa Lörcher, zwei Vertreter der Veteranen für Frieden aus Palästina und Israel, ein ehemaliger Kindersoldat aus Uganda und zwei Hip-Hop Musiker der Band Zweierpasch. Für den Autor stehen sie „exemplarisch für so viele Menschen, die sich für ihre Vision einer intakten und gesunden, einer demokratischen und gerechten, friedlichen und solidarischen Welt stark machen. Die ihren Weg dorthin Schritt für Schritt beschreiten und dabei den Wandel von unten erfolgreich meistern. Die die Welt verändern mit ihrer Kompetenz und ihrem Können, mit ihrem Optimismus und ihrer Euphorie, mit ihrer Lebenslust und ihrem Lachen.“ (S. 22-23)

Die Kapitel basieren auf den Interviews, die der Autor mit den Protagonist*innen geführt hat, sind aber keine schlichten Transkriptionen, sondern zusammenhängende Aufsätze über das Wirken der Interviewten, in die viele Zitate eingebaut sind. Jedes Kapitel endet mit weiterführenden Hinweisen, Texten und/oder Filmen. Als Beispiel für den Stil der Kapitel sei dieser kurze Abschnitt aus dem Gespräch mit Gunter Trabert, einem Arzt, der sein Leben der Versorgung von Obdachlosen gewidmet hat, zitiert:

„Bei Beginn unseres Gesprächs hätte ich eigentlich erwartet, dass uns Prof. Dr. med. Trabert zuallererst über die Not und das Elend der Menschen erzählt, die in seiner Heimatstadt Mainz unter Brücken wohnen … Über sein unermüdliches Engagement für notleidende Menschen, das ihn weit über die Grenzen der Republik hinaus bekannt gemacht hat. Weit gefehlt. Der Mediziner glaubt von ganzem Herzen an das Gute im Menschen, an die innere Kraft seiner Patienten, erzählt er zum Einstieg unseres vierstündigen Treffens. ‚Jeder Mensch besitzt Fähigkeiten und Ressourcen, Außergewöhnliches zu erreichen. Selbst wenn er auf der Straße lebt.‘ Seine zahllosen Krankenbehandlungen hätten ihm diese Menschen nähergebracht. ‚Sie haben mich sogar zu meinem eigenen Selbst geführt.‘“ (S. 214)

Das Buch endet mit einem Gastbeitrag der Kommunikationswissenschaftlerin und Holocaustforscherin Inka Engel und einem Nachwort von Jürgen Grässlin. In diesem Nachwort beschreibt er, wie die vielen Gespräche ihm selbst Mut machten: „Die interviewten Aktivistinnen und Aktivisten geben wichtige Impulse, wo sinnvolles Handeln ansetzen kann. Dabei sollte jede und jeder von uns ihren bzw. seinen Weg wählen, um sich engagiert für eine andere Welt einzusetzen. Unsere Mutmachmenschen sind Vorbilder, die oftmals Grandioses leisten und damit zur Nachahmung anregen. … Meine Hoffnung: Lassen Sie sich also vom ein oder anderen Projekt in diesem Buch begeistern. Lassen Sie sich gerne von einem der Mut machenden Menschen in diesem Werk anstecken. Engagieren Sie sich bei der ein oder anderen zukunftsweisenden Aktion oder Kampagne. Ich würde mich freuen, wenn es gelänge, Ihre unbändige Lust zu wecken: aufs Mitmachen, Mitgehen und Mitgestalten. Auf dass dieses Mutmachbuch den Weg möglichst vieler von uns in eine neue Mitmachgemeinschaft befördern möge.

Diesem Wunsch kann sich die Redakteurin nur anschließen und empfiehlt das Buch allen, die diese Besprechung gelesen haben.

Jürgen Grässlin (2024): Wie Lichter in der Nacht. Menschen, die die Welt verändern. Ein Mutmachbuch. München: Heyne Verlag, 384 S., ISBN 978-3453218918, 20 €

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.