Andreas Buros Wirkungskreise

Wir vermissen Dich

von Memo Sahin

Lieber Andreas,

Kekê delal,

Als wir uns kennenlernten, war Krieg in Kurdistan, in den vom Irak und der Türkei besetzen Teilen, Mitte der 1980er Jahre. Saddam setzte Giftgas gegen die Kurden ein, die Türkei bemühte sich um eine „Endlösung“ der Kurdenfrage.

Du erinnerst Dich noch, als ich 1998 anlässlich Deines 70. Geburtstags die folgenden Sätze schrieb;

„Als ich Dich kennenlernte, Andreas,

gingen die Bomben im Irak und Irakisch-Kurdistan hoch.

Dann hat die Menschheit Bilder Hunderttausender Menschen gesehen,

die sich nackt, barfuß und hungrig auf die Berge begaben.

Vergeblich gingen sie von einer Grenze zur anderen ...

Bei dieser schwindelerregenden Geschwindigkeit der Menschheit,

der Kultur, der Wissenschaft und der Technik,

hat man nicht begriffen,

dass die offenen und unbehandelten Wunden immer wieder bluten würden ...

 

Es dauerte nicht lange, bis die Bomben mitten in Europa hochgingen,

Man setzte die Nachbarhäuser in Flammen und vergaß dabei,

dass das Feuer überspringen könnte ...

Menschen, die Jahrhunderte lang als Nachbarn gelebt haben,

verfolgten und töteten sich gegenseitig.

Die Freundschaftsbrücken hat man in die Luft gesprengt,

um später nicht wieder zusammenzukommen.

(…)

Ort und Zeit des Geschehens ändern sich,

die Werkzeuge aber bleiben die gleichen ...

 

Wo Kriege und Krise herrschen,

wo das Töten und die Meister des Todes am Werk sind,

wo die Ungerechtigkeit herrscht,

wo die Menschenrechte und Grundfreiheiten mit Füßen getreten werden,

wo Menschen nicht einmal eine Kugel Wert sind,

hat sich Andreas dagegen eingesetzt,

protestiert,

in Kurdistan,

in Bosnien und Kosovo

in Weißrussland und anderswo..

 

Nicht jeder kann den langen Atem haben,

die Geduld, ein unermüdliches Einsatzvermögen und einen klaren Kopf.

Deswegen sage ich,

es ist ehrenhaft und würdevoll,

auf der Seite derjenigen zu stehen,

die für Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit eintreten.

 

Ich habe auch von Dir gelernt Andreas, auf welcher Seite ich stehen muss ...“

 

Dafür und für die über zwanzigjährige angenehme und sehr lehrreiche Zusammenarbeit danke ich Dir, kekê delal.

Wörter reichen  manchmal nicht, die Gefühle zu vermitteln. Begriffe verlieren ihren Sinn, bleiben trocken und karg, wie nicht bestellte Felder.

Gulê meinte am zweiten Tag, nachdem Du gegangen bist, dass Deine schützende und sorgsame Hand wie ein Engel uns fehlen würde.

Wir wissen, dass Du im Himmel bei Mani und bei den anderen Mitstreitern bist, die vor Dir gegangen sind. Dort werdet Ihr fleißig fortsetzen, was Ihr hier auf Erden zeitlich nicht geschafft habt.

In klaren Nächten werden wir zu Euch blicken und an Euch denken.

Wir vermissen Dich, lieber Andreas!

Wir vermissen Euch, kekê delal!

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