Feministische Außenpolitik – was ist das?

Wirklich feministisch?

von Annegret Krüger
Hintergrund
Hintergrund

Am 01. März 2023 wurden im Weltsaal des Auswärtigen Amtes feierlich die Leitlinien für Feministische Außenpolitik (FAP) vorgestellt. Damit setzt die Ampel-Regierung auch Teile des Koalitionsvertrags um, wo bereits eine Feminist Foreign Policy angekündigt wurde.

Allein wegen des Wortes „feministisch“ stößt das Konzept schon auf große Widerstände, und die Aufregung ist groß. Dabei sagte Annalena Baerbock bei der Vorstellung der Leitlinien bereits selbst, dass damit keine Revolution ausgerufen werde. Gleichzeitig kann ein Großteil der deutschen Gesellschaft nichts mit dem Begriff anfangen oder sich vorstellen, was damit gemeint sein soll. Dies ist aber essenziell, soll es nicht lediglich zu einem Buzzword verkommen. Dazu müssen auch die Berührungsängste mit etwas, dass das Label „feministisch“ trägt, abgebaut werden. Denn Feministische Außenpolitik heißt keinesfalls „Frauenpolitik“. Daher soll hier im Folgenden versucht werden, (verständlich) zu erklären, was Feministische Außenpolitik überhaupt ist.

Erste größere Bekanntheit erlangte das Konzept, als es 2014 als erstes Land von Schweden eingeführt wurde. Die Ursprünge können aber teils bis auf die Internationale Frauenfriedenskonferenz 1915 in Den Haag zurückgeführt werden. Die zugrundeliegenden Konzepte der Feministischen Außenpolitik sind damit also nicht wirklich neu. Ein Grundstein ist die „Frauen, Frieden, Sicherheit“-Agenda, beginnend mit der Meilenstein-UN-Resolution 1325 aus dem Jahr 2000, die in den folgenden Jahren um neun weitere UN-Resolutionen erweitert wurde. Bereits hier wurden z.B. die Teilhabe und Repräsentation von Frauen, insbesondere an Friedensprozessen, international verankert. Ein weiterer zentraler Aspekt der Feministischen Außenpolitik ist die Menschliche Sicherheit. Der Fokus liegt dabei nicht auf der Sicherheit der Grenzen, wie bei traditionellen Ansätzen, sondern auf der Sicherheit der Menschen innerhalb und außerhalb von staatlichen Grenzen. Auch das Spektrum der Akteur*innen in dem Bereich ist breiter, so sollen die Menschen selbst zu aktiven Akteur*innen werden und nicht (nur) Staaten, wie in den traditionellen Theorien der Internationalen Beziehungen.

Feministische Außenpolitik (FAP) entwickelt diese Ansätze weiter, indem sie sie um eine intersektionale Komponente erweitert. Was heißt das? Der Begriff „Intersektionalität“ von Kimberlé Crenshaw erklärt, wie unterschiedliche gesellschaftliche Diskriminierungsformen sich addieren. (1) In Bezug auf die FAP heißt das, dass der Fokus nicht nur auf dem Individuum liegt, sondern dass insbesondere marginalisierte Gruppen und Menschen ins Zentrum rücken. Gleichzeitig erkennt die FAP an, dass die Strukturen unserer Gesellschaft - auch der Außenpolitik - patriarchale Machstrukturen sind, die es zu überwinden gilt. Hinzu kommen historische Ungleichheiten, wie Kolonialismus, weshalb zur Überwindung auch in der FAP ein postkolonialer Ansatz wichtig ist. Dies führt beispielsweise zu Fragen wie „Wer hat warum wie viel Macht?“. Oder „Wessen Bedürfnisse werden gehört?“ FAP ist folglich ein wichtiges Mittel, um nachhaltigen Frieden zu erreichen, nicht nur in Bezug auf Sicherheit, sondern auch hinsichtlich Geschlechtergerechtigkeit, Klimagerechtigkeit und den Abbau von (Neo-) Kolonialismus. So zeigt die Forschung von u.a. Valerie Hudson, dass je mehr Geschlechtergerechtigkeit ausgeprägt ist, desto weniger anfällig diese Staaten für Konflikte und Kriege sind. Ferner ist durch die Forschung von Laurel Stone bekannt, dass, wenn Frauen an Friedensverhandlungen maßgeblich (nicht nur zahlenmäßig) beteiligt sind, Friedensabkommen eine 35 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, 15 Jahre oder länger zu halten.

Die Leitlinien des Auswärtigen Amts
Was steht nun in den vorgestellten Leitlinien des Auswärtigen Amts? Den Fokus bilden die „3 R“ (Rechte, Repräsentanz und Ressourcen) – nach dem schwedischen Modell. Ziel der Friedensbewegung muss es ein, dass auch bereits erwähnte strukturelle Hürden überwunden werden. Das Kapitel zu Friedens- und Sicherheitspolitik hat einen starken Schwerpunkt auf die Frauen, Frieden und Sicherheit-Agenda, die kaum über die bereits existierenden Verpflichtungen aus den Resolutionen hinausgeht und im Wesentlichen auf die Umsetzung dieser pocht. Aus friedenspolitischer Sicht ist interessant, dass Rüstungskontrolle und Abrüstung erklärte Ziele der FAP sind. Allerdings wird ein starker Fokus auf „humanitäre Rüstungskontrolle“ anstatt auf das langfristige Ziel der Abrüstung gelegt. Ein erklärtes Ziel der FAP muss sein, die Waffenexporte drastisch zu reduzieren. Es fehlt in den Leitlinien eine klare Verortung gegen Militarisierung, die ein Kernanliegen von FAP ist. In den Leitlinien wird anerkannt, dass feministische und humanitäre Bewegungen maßgeblich zur Entwicklung von Rüstungskonventionen und -normen beigetragen haben. Ferner wird zudem (erneut) das Ziel einer „sicheren Welt ohne Atomwaffen“ formuliert, und die geschlechtsspezifischen Auswirkungen werden anerkannt. Die Anerkennung und Entschädigung der Opfer von Atomwaffentests ist ein weiterer Punkt, der zu begrüßen ist. Eine Welt ohne Atomwaffen kann aber nur durch ein Ende der nuklearen Teilhabe und den Beitritt zum Atomwaffenverbostvertrag erreicht werden. Dazu findet sich jedoch nichts in den Leitlinien. (2)

Deutschland ist nun nach Schweden, Kanada, Mexiko, Frankreich, Spanien und den Niederlanden ein weiteres Land mit einer FAP. Nur die Zukunft wird zeigen, wie diese Leitlinien umgesetzt werden. Dieser Prozess wird hoffentlich auch im Austausch mit der Zivilgesellschaft kritisch begleitet werden, gerade weil eines der zentralen Anliegen von FAP ist, Frauen und marginalisierte Gruppen an Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen und Perspektiven von Betroffenen einzubinden.

Anmerkungen
1. Das Wort kommt aus dem Englischen „intersection“ (Straßenkreuzung) und beschreibt das Bild, dass Diskriminierungen aus verschiedenen Richtungen kommen können und sich an bestimmten Punkten überschneiden. Zudem geht es um die Positionierung von mehrfach diskriminierten Personen, die beispielsweise in der Mitte der Kreuzung einem größeren Risiko eines Unfalls ausgesetzt sind.

2. Ein ausführliches Statement zu den Leitlinien hat u. a. WILPF verfasst - https://www.wilpf.de/statement-zu-den-leitlinien-feministischer-aussenpo...

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Annegret Krüger arbeitet beim Netzwerk Friedenskooperative in Bonn.