Wo bleibt die Friedensbewegung?

von Mani Stenner
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Grosny gibt es nicht mehr, die Infrastruktur Tschetscheniens ist zerstört, aber der Krieg kann und wird noch lange weitergehen. Für die Friedensbewegung ist das skrupellose Vorgehen der russischen Armee gegen die tschetschenische Zivilbevölkerung so unerträglich wie die NATO-Bomben gegen Jugoslawien, die Russland zu Recht kritisiert hat. Viele Gruppen haben sich mit Protestbriefen an die russische Regierung gewandt; dennoch gab es bisher weit weniger Veranstaltungen, Kundgebungen und Mahnwachen als zum Kosovo-Krieg und sie waren noch schlechter besucht.

Tatsächlich ist die Hilflosigkeit groß - fast so groß wie die der westlichen Regierungen, die spätestens seit dem eigenen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die jugoslawische Zivilbevölkerung gegenüber den Nachahmern im Argumentationsnotstand sind. Die aber ihre Kritik auch lieber mäßigen, weil von einem "in die Isolation getriebenen" Russland der massive Schulden-Rückzahlungsdienst für die Kredite wohl nicht mehr erfüllt würde. Und dann gibt es da noch die Atomwaffen und die westlichen Interessen am kaspischen Öl und vieles mehr, von dem in dieser Ausgabe des FriedensForums die Rede ist.

Von unseren Regierungen kommt da nicht viel, obwohl auch dort gesehen werden muss, dass mit der Eroberung Grosnys und den russischen Präsidentschaftswahlen dieser Krieg nicht beendet ist, sondern eher weitere Eskalationen drohen. "Die Konflikte im Kaukasus werden nicht durch die Zerstörung der Siedlungen, durch die Vertreibung und Tötung von Zivilisten gelöst", schreibt das Hamburger Forum an Putin unter der Überschrift "Kein Blut für Öl".
 

Unsere eigene Hilflosigkeit: Kann es denn Putin und seine Generäle interessieren, ob in Berlin, Erfurt oder München kleine Kundgebungen stattfinden, in Bremen, Marburg oder Nottuln Diskussionsveranstaltungen, in z.B. Nürnberg (jeden Freitag) oder Dortmund (jeden Samstag) wöchentliche Mahnwachen? Interessiert es den Kreml, dass sich in Mönchengladbach wegen des Engagements von Friedensgruppen Ratsgremien mit der Idee einer Städtepartnerschaft zu Grosny befasst haben? Und wo landen die vielen Briefe, Faxe, Emails aus aller Welt?

Dazu wissen wir: Genauso berechtigt ist die Frage "Wo bleibt die Friedensbewegung?" bei Afghanistan, beim Kongo, bei Indonesien, bei so vielen hierzulande vergessenen Kriegen und bewaffneten Konflikten. Und wir wissen, dass es leichter - und meist auch dringender und wichtiger ist - gegen die Kriegstreiber in den "eigenen" Regierungen aufzustehen und für Opposition in der Gesellschaft zu sorgen, was uns ja selbst beim ersten Krieg der bundesdeutschen Geschichte nur mäßig gelungen ist.

Wir haben aber - besonders seit den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien - auch gelernt, wie wichtig internationale Unterstützung und Solidarität für Initiativen und NGOs ist, die gegen Krieg und Verfeindung arbeiten. Wie wichtig für unsere eigene Arbeit und Argumentation für zivile Konfliktbearbeitung statt militärischer Gewalt die kleinen Beispiele sind, die wir dazu selbst leisten können. Die PartnerInnen dafür gibt es auch in Russland, auch im Kaukasus. Und da gehören Protest - und sei es ein wöchentlicher Informationstisch mit Mahnwache -, Information, Diskussion und die Entwicklung und Unterstützung von Projekten zusammen. Anregungen gibt dieses Heft und sicher auch die Konferenz der NaWi.

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