Wo bleibt die Friedensbewegung?

von Mani Stenner

Das Morden geht weiter. Es ist leichter einen Krieg zu beginnen als ihn zu beenden. Der Völkermord und die Flucht von Millionen des kurdi­schen Volkes macht zornig und fordert uns heraus, gleichzeitig sind viele (ich jedenfalls) auch ratlos über die besten Wege zur Hilfe und So­lidarität. Dazu erleben wir eine neue Welle der Angriffe auf die Frie­densbewegung. Haben wir im Golfkrieg für manche zu viel getan, ma­chen wir nun für alle zu wenig.

 

In vielen Städten des Bundesgebietes gibt es wieder Mahnwachen rund um die Uhr gegen den Völkermord an den Kurden und für humanitäre und politi­sche Hilfe, so z.B. in Bonn, Berlin, Es­sen, Göttingen, Gelsenkirchen, Hagen, Hannover, Solingen, Dortmund, Frank­furt, Stuttgart,...und vieles, wovon wir bei Redaktionsschluß des Friedens­Forum noch nicht wissen.

Kurdische Gruppen haben mit Beset­zungen von Botschaften, Parteibüro, des DRK ... auf ihre Forderungen nach mehr Hilfe und Selbstbestimmung für das kurdische Volk aufmerksam gemacht. Zunehmend (und eingestandenermaßen zu langsam) veranstalten Friedensgruppen ei­gene Demos und Mahnwachen vor Ort oder unterstützen die kurdischen Aktionen. Größere Demonstra­tionen mit bundes­weiten Aufrufen von Kurden und Friedens­gruppen (Frankfurt 13.4., Köln 20.4.91) wurden veranstaltet. Neben vielen Stel­lungnahmen von Or­ganisationen und Gruppen hat den ne­benstehenden "Appell aus der Friedensbe­wegung" in sehr kur­zer Zeit ein reputierli­cher Kreis von Orga­nisationen gezeichnet. Auch vor dem erneu­ten Massaker haben einige Gruppen z.B. am 16. März zusammen mit den Kurden den Gedenk- und Aktionstag zum Giftgas-Massaker in Halbjahr  von 1988 gestaltet und auf die Notwendigkeit für die Berücksichtigung des kurdischen Selbstbestimmungs­rechts bei möglichen Nahost-Lösungen hingewiesen.

Friedensbewegung als beliebtes Pro­jektionsobjekt allgemeinen Versa­gens?
Trotzdem: Von vielen Kurdinnen und Kurden, ihren Organisationen, aber auch von der Presse, vielen Leserbriefschrei­berInnen, Fachorganisationen, insbe­sondere der "Gesellschaft für bedrohte Völker", und auch der Bundesregierung (Norbert Blüm u.a.) wurden und werden massive Vorwürfe erhoben: Warum regt sich "die Friedensbewegung" jetzt nicht so auf wie beim Golfkrieg?

Tatsächlich finden die Aktivitäten we­niger Zuspruch als damals und es wer­den auch weniger organisiert. Die "neuen" Antikriegsgruppen sind größ­tenteils wieder auseinandergebrochen, viele Aktive resigniert oder auch nur zunächst mal müde. Die Menschen "in der Friedensbewegung" sind nicht bes­ser (und nicht schlechter) als die ge­samte westliche Gesellschaft. Dies scheint man uns jetzt übel zu nehmen. Friedensbewegung als Projektionsobjekt eigenen Versagens und schlechten Gewissens? Ausdruck übriggebliebenen Zorns auf die Aktionen während des Golfkriegs, die den Hau-drauf-und-Schluß-sauberen-krieg so madig gemacht haben?

Wie auch unser moralisches Dilemma aussehen mag: Sowohl als Auswirkung des Golfkriegs wie der neuen Tragödie des kurdischen Volkes haben wir eine Menge neu zu lernen, am besten durch viel Begegnung und Zusammenarbeit mit den Betroffenen aus der Region. Und auch im Alltag durchzuhaltende langanhaltende Aktivitäten zur Solida­rität.

Bitte haltet das Büro der Friedenskoope­rative über Eure eigenen Aktivitäten auf dem Laufenden, so daß ein Informations­fluss gewährleistet werden kann.

Für die humanitäre und medizinische Soforthilfe rufen wir auf zu Spenden unter dem Stichwort "Kurdistan" an Konten v. medico international, Post­giro Köln 6999-508 o. Frankf. Spar­kasse Kto 1800 (BLZ 500 501 02).

 

Ausgabe

Rubrik

Initiativen