Wahlkampf `98: Innenpolitik

Zieht Euch warm an!

von Mani Stenner
Initiativen
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Deutschland im Wahlkampf - das orientiert sich am Stammtisch und geht zu Lasten von Menschen. Auch 1998 werden von den großen "Volksparteien" keine konkurrierenden gesellschaftlichen Entwürfe zur Wahlentscheidung vorgelegt. Die Spitzenpolitiker der SPD konkurrieren stattdessen mit der CDU darum, wer in der Innenpolitik härter durchgreift oder von der Auto-, Atom- und Rüstungsindustrie als geschäftsfähiger angesehen wird. In wichtigen Feldern wollen beide das Feld nicht den Parteien am rechten Rand überlassen. Die Methode dazu: sich deren Inhalte zumindest zum Teil zu eigen machen. Um dem entgegenzuhalten braucht es sehr viele Stimmen der Vernunft, Kampagnen und Aktitäten gesellschaftlicher Gruppen und Initiativen.

Zu böse gedacht, zu pessimistisch? Grund zur Sorge für das Klima im Land gibt es genug:

Neuauflage der Asyldebatte?

Nachdem durch die Abschottung die Zahl der zu uns gelangten Flüchtlinge und Asylbewerber drastisch zurückgegangen ist, reichen ein paar tausend an Italiens Küste gestrandete Kurden für wütende Angriffe Kanthers auf Italiens Asylpolitik. Kinkel spricht von "Asylshopping" in Europa, wo sich Flüchtlinge das ihnen genehmste Land aussuchen könnten und betreibt einen EU-Aktionsplan gegen kurdische Flüchtlinge. Deutschland könne "nicht die ganze Not der Welt schultern".

Bratton vorm Kopf

Die CDU will erklärtermaßen die "Bekämpfung der Ausländerkriminalität" zu einem Wahlkampfschwerpunkt machen und treibt die Innenpolitiker der SPD damit bereits vor sich her. Niedersachsens Innenminister Glogowsky, designierter neuer Landesfürst, wetteifert da gerne mit und wiederholt aus Passion das fehlgeschlagene Hamburger Voscherau-Konzept. Kanthers "Sicherheitspartnerschaft" und die diversen Varianten der Bundesländer bescheren uns in den Innenstädten Bundesgrenzschützer, mehr schwarze Sheriffs, unausgebildete "freiwillige Polizeihelfer" und sonstige Spielarten von Ordnungsdiensten, die Junkies und Punks, Obdachlose und Bettler vertreiben und mit "Null-Toleranz" gegen Schwarzfahrer wie Sprayer vorgehen sollen, ganz so, wie der bei Polizei und Innenpolitikern in Mode gekommene ehemalige New Yorker Polizeichef Bratton es landauf landab predigt. Die zunehmende Furcht vor "Jugendgewalt", "Drogenmafia" und "Organisierter Kriminalität" wird weiter angeheizt und unsachgerecht mit den Folgen der unsozialen Politik, der zunehmenden Verelendung vieler Menschen, vermischt.

Mit untauglichen Ordnungskonzepten aus den 50er Jahren (Jugendliche Straftäter in geschlossene Heime) und Haß gegen Minderheiten (Ausländische Straftäter sofort abschieben) lassen sich Wahlkampfpunkte machen. Auf der Strecke bleiben Konzepte für wirksame Prävention und zur Bekämpfung der schweren Kriminalität, der Wirtschaftskriminalität, der Korruption ....

Freiheit stirbt mit Sicherheit

Wie vorher schon auf Abweichler im Bundestag übt die SPD-Spitze jetzt Druck auf Bremens Oberbürgermeister Henning Scherf aus, dem Schily-"Kompromiß" zum Großen Lauschangriff im Bundesrat trotz erheblicher rechtsstaatlicher Bedenken zuzustimmen. Die Große Koalition ist im Begriff, mit der weiteren Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung erneut einen Kern des Grundgesetzes über Bord zu schmeißen.

Prügel-Castor?

Zu befürchten ist, daß auch der Polizeieinsatz zum Castor-Transport in Ahaus davon geprägt sein wird, daß das Innenministerium NRW sozialdemokratische Durchsetzungsfähigkeit beweisen muß. So könnte manche Eskalation und Blessur am 23. März 98 schon dem Wahlkampf geschuldet sein, auch wenn der kleinere grüne Koalitionspartner noch versuchen sollte, die Verhältnismäßigkeit der Mittel einzuklagen.

Bundeswehr im öffentlichen Raum

Den Schulterschluß der Gesellschaft mit der Armee will Rühe mit vielen öffentlichen Gelöbnissen und Zapfenstreichen erzwingen - im Wahlkampfjahr erst recht. Die Image-Krise der Bundeswehr durch die Häufung rechtsradikaler Vorfälle benutzen er und Kohl, um die Offensive zur Eroberung des öffentlichen Raums im Sturmangriff auf das Rote Rathaus am 13. August 98 fortzusetzen. Die Ablehnung der öffentlichen Gelöbnisse in Berlin und Bremen am Tag des Mauerbaus ist wegen der offenbaren Unsinnigkeit dieser Verquickung bei der SPD jetzt noch einheitlich. Prognose: Der Hammer mit den "vaterlandslosen Gesellen", die nicht zur Bundeswehr stehen, wird seine Wirkung bei den Genossen nicht verfehlen. Die antimilitaristischen Protestgruppen werden ihnen die eigenen Argumente immer wieder in Erinnerung rufen müssen.

Es gibt viel zu tun!

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