Hochschulen

Zivilklausel in Bewegung

von Lucas Wirl

Im Dezember 2009 sprach Dr. Subrata Ghoshroy vom MIT in einem durch den Studierendenstreik besetzten Hörsaal an der Universität Karlsruhe über Rüstungsforschung in den USA, die große Abhängigkeit vieler US-Universitäten von Geldern des Pentagons, die Verschleierung von Rüstungsforschung als Grundlagen-, dual-use- oder Sicherheitsforschung, Korruption bei der Drittmittelvergabe und Beschönigungen von Forschungsprojektergebnissen, um Folgemittel zu erhalten. Im Januar zuvor hatten Studierende der Universität mit großer Mehrheit in einer Urabstimmung gegen Studiengebühren und für die Einführung einer Zivilklausel - eines Passus in der Hochschulordnung, dass Forschung, Lehre und Studium zivilen und friedlichen Zwecken dienen soll - gestimmt.

Sechs Jahre später ist aus Einzelnen, die nach dem Tun ihrer Universität und ihrer ProfessorInnen fragen, die die Wissenschaft in der Pflicht sehen, Lösungsansätze für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu entwickeln, eine Zivilklauselbewegung geworden. Es wurden weitere sechs Urabstimmungen durchgeführt, 21 Hochschulen haben eine Zivilklausel und an über 50 Hochschulstandorten gibt es aktive Gruppen und Aktivisten. Von den vielen GewerkschaftlerInnen der GEW und ver.di ganz zu schweigen, ebenso von den ProfessorInnen und DoktorandInnen, die sich intensiv für die Einführung einer Zivilklausel einsetzen. Durch diese dezentralen Gruppen, die bundesweit in der Initiative „Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel“ vernetzt sind und sich landesweit verstärkt vernetzen (z.B. in Bayern, NRW, Thüringen), wurde Rüstungsforschung delegitimiert, und der Begriff an sich zu einem negativ besetzten, zu einem „dirty word“.

Rüstungsforschung gibt es aber immer noch – auch an Hochschulen, die eine Zivilklausel eingerichtet haben. Die „alten“ Reflexe zur Rechtfertigung dieser Forschung funktionieren nach wie vor: Grundlagenforschung, dual-use, Sicherheits- bzw. Friedensverteidigungsforschung, Freiheit der Wissenschaft. Aber: ist Grundlagenforschung, die von einer militärischen Einrichtung, die sich der technologischen Überlegenheit der US Air Force verschreibt (1), im Sinne von ziviler und friedlicher Forschung und Lehre? Ist Forschung, die sowohl zivil als auch militärisch eingesetzt werden kann (dual-use), aber von dem US-Office of Naval Research (2) finanziert und dann auch weiter „verwertet“ wird, nicht eindeutig als Rüstungsforschung klassifizierbar? Ist Sicherheitsforschung für die (Weiter-)Entwicklung von elektronischen Zaun-Systemen Arbeit, wünschenswert? Wo fängt eine Verteidigungswaffe an und hört eine Angriffswaffe auf? Ist die Freiheit der Wissenschaft durch die Ökonomisierung der Hochschulen (inkl. prekärer Beschäftigungsverhältnisse für WissenschaftlerInnen), zunehmende Drittmittelabhängigkeit, bürokratische sowie politische Auflagen (z.B. in der Stammzellenforschung) nicht sowieso beschnitten?

Die Zivilklauselbewegung wird konkreter
In intensiven Auseinandersetzungen halten die Argumente der ZivilklauselgegnerInnen in der Regel nicht Stand. Mehr als 20 Universitäten haben härtere oder weichere Zivilklauseln eingeführt. Daraus ergeben sich neue Herausforderungen zur Operationalisierung von Zivilklauseln. Papier ist geduldig und Bürokratie behäbig. Wie aber können Zivilklauseln lebendig gemacht werden, und wie werden Verstöße aufgedeckt und mit ihnen umgegangen?

Grundbedingung für Zivilklausel ist Transparenz. Diese ist durch eine Palette von angegebenen Gründen – Überlastung der Hochschulverwaltung bis zur sicherheitsrelevanten Klassifizierung seitens der Bundesregierung – nicht gegeben. Rüstungsforschungsprojekte sind v.a. über kleine Anfragen der Linken im Bundestag und in einigen Landtagen sowie über das Rechercheprojekt „Geheimer Krieg“ der SZ und des NDR, das Pentagon-Finanzierung von deutschen Hochschulen offengelegt hat, an die Öffentlichkeit getragen worden. Hochschulen, Landes- und Bundesregierung bedecken sich mit Schweigen. Eine kritische Öffentlichkeit muss dieses Schweigen brechen und auch Schutz für diejenigen, die sprechen (Whistleblower), einfordern.

Die Verankerung einer Zivilklausel ist eng verbunden mit der demokratischen und partizipativen Verfasstheit einer Hochschule: Gibt es Ombudsmänner, Ethik-Kommissionen mit VertreterInnen aller Statusgruppen, Senatsanhörungen, Rechenschaftsberichte, etc.? Werden öffentliche Diskussionen oder Ringvorlesungen zur Verantwortung der Wissenschaft angeboten und wird eine Zivilklausel in die Lehre der Hochschule integriert?

Die Zivilklausel ist ein Mittel im „Kampf“ um die Köpfe an Hochschulen. Breite Bündnisse und vielfältige Aktivitäten, Beharrlichkeit und Kontinuität sind vonnöten. Die Herausforderung der nächsten Jahre wird sein, die Frage nach Krieg und Frieden verstärkt in die Köpfe der Hochschulangehörigen zu bekommen und somit Zivilklauseln zu stärken und lebendig zu machen.

 

Anmerkungen
1 http://www.wpafb.af.mil/library/factsheets/factsheet.asp?id=8131

2 http://www.onr.navy.mil/

 

 

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