Ein Interview mit Wladimir Orjol

Zur Politik des Sowjetischen Friedenskomitees

Vom 23. bis 30. Mai 1989 wird der Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung zusammen mit dem Sowjetischen Friedenskomitee (SFK) eine Friedenswoche in der Bundesrepublik gestalten. Eine ausführliche Auseinandersetzung über die deutsch-sowjetische Zusammenarbeit der Friedensbewegungen wird im nächsten Rundbrief erfolgen. In dieser Ausgabe möchten wir mit Auszügen aus einem Interview mit Wladimir Orjol, dem 1. stellvertretenden Vorsitzenden des SFK, den sowjetischen Partner der Mai-Aktionen vorstellen. Das Interview führte A. Wassiljew für die SFK-Zeitung "Das 20. Jahrhundert und der Frieden", Heft 11/88.

A. Wassiljew: Pressemeldungen zufolge entsteht der Eindruck, daß in letzter Zeit im Sowjetischen Friedenskomitee neue, ungewöhnliche Prozesse vor sich gehen. Daher fragt man manchmal: Was ist das - Widerspiegelung realer durchgreifender Änderungen oder Ergebnis einer gut organisierten Reklame, d. h. einer Werbung?
Beispielsweise war eine unserer letzten Initiativen mit der Vernichtung der sowjetischen Raketen entsprechend dem sowjetisch-amerikanischen Vertrag über die Liquidierung der Raketen mittlerer und kürzerer Reichweite verbunden. Das geschah am 2. August. über den Fakt selbst wurde sehr viel geschrieben, was für eine Rolle spielte aber hier das Sowjetische Friedenskomitee?
Alles begann viel früher, als sich erst eine reale Möglichkeit des Abschlusses solch eines Vertrages abzeichnete. Und da kamen wir im Komitee auf eine Idee, die zwar verlockend, aber vielen wenig real schien. Doch wie es heißt: Sei ein Realist und verlange Unmögliches! Die Idee bestand darin, daß die friedliebende Weltöffentlichkeit die praktische Durchführung des INF-Vertrages beider Seiten unter ihre Kontrolle nehmen müsse. Es ist bekannt, was für einen großen Beitrag die Friedensbewegungen zum Kampf gegen die "Euroraketen" geleistet ha¬ben, was die Führer der UDSSR und der USA zur Aufnahme der Verhandlungen bewogen hat. Und wenn der Vertrag abgeschlossen wird, so wird die Öffentlichkeit seine ehrliche Erfüllung - nach Geist und Buchstaben - als ihre ureigenste Angelegenheit an¬sehen, um so mehr, daß in den NATO¬-Kreisen bereits vorher Pläne ausgearbeitet waren, wie man diesen Vertrag umgehen, die Rüstungsreduzierung durch "Modernisierung kompensieren" könne.
Diese Idee haben wir bei einer öffentlichen Aussprache des Vertrages konkretisiert. Sie wurde parallel mit seiner offiziellen Erörterung im Obersten Sowjet der UDSSR durchgeführt.
Wir haben uns an das Verteidigungsministerium gewandt und vereinbart, daß beim ersten Akt der Raketenvernichtung in Saryosek Vertreter der sowjetischen Öffentlichkeit und großer ausländischer Friedensbewegungen, die das SFK einlud, als Beobachter dabei sein werden.
Für die Journalisten war das natürlich eine Sensation. Damit sie aber eintrat, bedurfte es einer langwierigen Vorbereitungsarbeit, eine Unmenge konkreter Probleme, die oft auf den ersten Blick unlösbar schienen, mußte gelöst werden. Das erste Mal betrat eine Masse von Außenstehenden, unter anderem Ausländer, ein Gelände, das bis dahin "streng geheim" gewesen war. Stellen Sie sich nur den psychologischen Zustand unserer Militärs vor...

A. Wassiljew: Aufschlußreich wäre zu erfahren, was es bei den langfristigen Richtungen u. a. bei der Entwicklung der Auslandsverbindungen Neues gibt. Werden ihre Teilnehmer "Auser¬wählte" sein, oder wird sich auch ein¬fachen Menschen eine Möglichkeit bieten, die ja eigentlich die von Ihnen proklamierte Volksdiplomatie verwirklichen sollen?
Wladimir Orjol: Wir sind dafür, daß unsere Außenpolitik und unser Engagement in den internationalen Beziehungen Arbeitsergebnis der offiziellen und der "Volksdiplomatie" werden. Die unmittelbare Teilnahme einfacher sowjetischer Bürger am internationalen Austausch ist ein wichtiger, aber nur ein Teil dieses allgemeinen Problems. Der Kern besteht darin, daß die außenpolitische Tätigkeit unseres Landes, und sie ist auf das engste mit der Friedenserhaltung verbunden, kein verschlossenes Gebiet mehr für die breite Öffentlichkeit ist. Damit wir, wie wir zum Beispiel die Probleme des Baikals oder die Reformen des politischen Systems öffentlich diskutieren, auch so über kardinale außenpolitische Fragen beraten.
Was hat das mit der Änderung der SFK-Politik zu tun?
Hier sollte man sich daran erinnern, wie und weshalb das Komitee gegründet wurde. Wie alle anderen artverwandten gesellschaftlichen Komitees, wurde es ebenfalls "von oben" gegründet (damals, 1949, war das auch gar nicht anders möglich), um zwei Hauptaufgaben zu erfüllen: erstens, dem Ausland, d. h. "ihnen" zu zeigen, daß die sowjetische Außenpolitik die volle Unterstützung und Billigung des sowjetischen Volkes findet, und zweitens, die Unterstützung und Billigung der sowjetischen Außenpolitik durch die ausländische Öffentlichkeit zu gewährleisten.
Das war das ursprüngliche Programm, das einige Jahrzehnte in diesem strengen Rahmen gehalten wurden. Jetzt haben wir die Möglichkeit, laut darüber zu reden, daß die Funktion einer gesellschaftlichen Organisation in unserem Land nicht nur darin besteht. Buchstäblich noch gestern war der Gedanke unzulässig, daß die offizielle außenpolitische Linie in Zweifel gezogen wird, daß man alternative Vorschläge machen kann, daß überhaupt eine öffentliche Meinung in Fragen Friedensicherung nicht mit den offiziellen Positionen übereinzustimmen braucht. Auf der letzteren beruhte übrigens ein ganzes System theoretischer Beweise für den Unterschied der Stellung der öffentlichen Meinung im Sozialismus zum Kapitalismus. Anerkannt, daß Hauptmerkmal der öffentlichen Meinung eben das Inoffizielle ist (gäbe man das nicht zur, so würde man der öffentlichen Meinung einfach das Existenzrecht absprechen), wurde gleichzeitig bewiesen, daß im Sozialismus beide Arten von Meinungen übereinstimmen. Beste Bestätigung dafür ist die in der UdSSR bestehende moralische und politische Einheit in der Friedensfrage, wobei die Behauptung "Bei uns sind alle für den Frieden" als solch ein allumfassendes Argument galt, daß sich jegliches Diskutieren erübrige.
Die prinzipielle Überprüfung der Zweckbestimmung des SFK, seiner Grundaufgaben und Funktionen (und das ist keine einmalige Aktion, sondern ein komplizierter theoretischer und praktischer Prozeß) begann mit der Einführung völlig neuer Arbeitseinrichtungen und -formen unter der allgemeinen Bezeichnung "Volksdiplomatie".
Sie haben den internationalen Austausch und die Teilnahme "auserwählter" und "einfacher" Leute an ihnen erwähnt. Bis jetzt haben unsere Auslandsverbindungen auf Komitee-Ebene nur einer begrenzten Zahl von Leuten eine Auslandsreise ermöglicht, obwohl die Beziehungen sehr umfangreich und hinsichtlich ihrer unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Kräfte sehr mannigfaltig sind. Und gerade mit den Auslandsreisen ist das Problem sehr akut. Wenn es um den Austausch offizieller Delegationen, um die Teilnahme an einem internationalen Forum geht, so läßt sich die Zusammensetzung jeder Delegation an den Fingern abzählen. Die Auswahlkriterien ergeben sich aus der funktionellen Notwendigkeit jedes einzelnen in dem jeweiligen konkreten Fall. Oft entsprechen wir dabei den Bitten unserer ausländischen Partner. Wir wollen, daß die Volksdiplomatie nicht nur inhaltlich, sondern auch in Form und Zusammensetzung ihrer Vertreter viel repräsentativer wird. Und das bedeutet die Einbeziehung des "Durchschnittsrussen" in sie, worunter wir einen gewöhnlichen sowjetischen Bürger verstehen.
Welches strategische Ziel haben wir da im Auge? Ein ganz einfaches, aber außerordentlich wichtiges. Die Überwindung des "Feindbildes'', das leider die Haltung vieler Länder zur UdSSR prägt, und auch unsere Haltung zu vielen von ihnen, obwohl nicht in dem Maße. Die Ausmerzung von Konfrontation, Mißtrauen und Feindseligkeit. Auch die besten zwischenstaatlichen Abkommen reichen dafür nicht aus. Hier braucht man eine solide, langfristige Basis, die durch die Völker selbst geschaffen werden kann, und zwar "auf der Ebene der Graswurzeln", um mit den Worten der Amerikaner zu sprechen.

A. Wassiljew: In welchen praktischen Dingen realisiert das Friedenskomitee die Volksdiplomatie?
Wladimir Orjol: Vor allem haben wir unser Augenmerk auf die Möglichkeiten des spezialisierten politischen Tourismus gelenkt. Solche Spezialistentruppen von 20 - 30 Mann stellen das SFK oder die örtlichen Friedenskomitees mit finanzieller Untersütung des SFK zusammen. Zu ihrem Aufenthaltsprogramm gehören die Besichtigungen von touristischen Sehenswürdigkeiten, und vor allem Treffen und Diskussionen, gegenseitiges Kennenlernen.
Mit einer amerikanischen Organisation verwirklichen wir ein interessantes gemeinsames Projekt, das man so bezeichnen könnte: "Bekanntschaft des Durchschnittsamerikaners und des Durchschnitt-Sowjetbürgers''. Fast je¬den Monat schicken wir Gruppen von 20 Personen in die USA, die dann in amerikanischen Familien leben. Jemand hat das snobistisch "Küchendiplomatie" genannt. Wo, wenn nicht in der Küche, führt man ein offenes Gespräch über einfachste und vertrauteste Dinge? Und wenn sich ein mit anti¬sowjetischer Propaganda überfütterter Amerikaner, seine Frau und Kinder davon überzeugen, daß ihr "roter Gast" gar keine Hörner und Hufe und auch in seiner Aktentasche keine Atombombe hat, daß ihn die gleichen alltäglichen Probleme - Arbeit, Wohnung, Familie, Urlaub - bewegen, dann werden sie uns hinterher wohl kaum als mystischen Feind ansehen. Auch wir sollten viele veraltete Vorstellungen über die Amerikaner ablegen und lernen, wie auch wir solch ein hohes materielles Lebensniveau erreichen können.
Die ungewöhnlichsten Vorhaben sind aber wohl die gemeinsamen sowjetisch-amerikanischen Märsche durch beide Länder. Der ersten Marsch war im vergangenen Jahr von Leningrad nach Moskau, der zweite vor kurzem in Amerika und dritte wieder bei uns, von Odessa über Kiew nach Moskau im August/September d. J. Etwa 220 Personen nehmen von jeder Seite ständig an diesen Märschen teil. In den Gegenden solch eines Marsches für Frieden und Verständigung schließen sich natürlich viele Hiesige an, was übrigens ein großer Vorzug ist.
Mit den Amerikanern entwickelt sich die Volksdiplomatie erfolgreicher. Mit den Westeuropäern geht es irgendwie schleppender voran. Ich weiß nicht, was hier mitspielt, entweder die Spezifik der Psychologie, die anderen materiellen Möglichkeiten oder daß wir uns schon besser kennen. Mit den Amerikanern sind noch andere gemeinsam. Vorhaben geplant: die Produktion eines Spiel- und Trickfilms, eine Kinderoper, Plastiken, Anthologien der Kinderliteratur usw. Alle diese Dinge sin nur dazu da, die bestehenden feindlichen Klischees zu beseitigen, gegen seitiges Vertrauen und Achtung herstellen, und zwar durch gemeinsam praktische Taten.

A. Wassiljew: Bei der weiteren Entwicklung der Volksdiplomatie und Einbeziehung von immer mehr Menschen in den Auslandsaustausch wird doch die Frage über die Auswahl der Teilnehmer an Maßnahmen, u. a. im Ausland, sehr akut. Sehen Sie das Problem, und wie wollen Sie es lösen?
Wladimir Orjol: Man geht von folgendem Grundsatz aus: Ein bestimmter Teil der Delegation wird sozusagen nach einer zentralen Liste durch das SFK selbst formiert. Das sind schon bekannte Aktivisten, um den vor der jeweiligen Delegation stehenden spezifischen Aufgaben gerecht zu werden. Der Großteil sind Vorschläge aus den örtlichen Friedenskomitees, die ihre Kandidaten natürlich besser kennen als wir. Dort wird unterschiedlich ausgesucht, manchmal völlig offen und demokratisch, durch Wahl in Arbeitskollektiven, mal geheim, ganz im Stillen.
Steht dieses Prinzip mit der heutigen Lage in unserer Gesellschaft im Einklang? Ist es demokratisch genug? Garantiert es, daß die sowjetische Friedensbewegung im Ausland von würdigen Leuten repräsentiert wird? über diese Fragen zerbrechen wir uns den Kopf. Wir wären jedem dankbar, der uns einen guten Ratschlag gibt. Wir haben da eine Idee, die wir als Experiment bei der Zusammenstellung von solch großen Delegationen wie für den sowjetisch-amerikanischen Marsch ausprobieren könnten. Warum sollte man sich nicht an fünf oder sechs Großbetriebe aus verschiedenen Landesregionen wenden, die in der Rolle der Sponsoren fungieren? Sie könnten auf demokratischem Weg die Kandidaten auswählen, und nicht nur das, sondern auch die Finanzierung der Reise, die dementsprechende materielle Versorgung usw. übernehmen ... Offizielle Sponsoren solcher großer Aktionen könnten auch einzelne Organe der Massenmedien sein.
Man muß suchen und probieren. Will man Realist bleiben, so muß man zugeben, daß jedes Prinzip unvollkommen ist und kritisiert werden kann, wenn die heutige Ausreiseprozedur für sowjetische Bürger beibehalten wird. Solange nicht jeder Interessent, zumindest vom rechtlichen Standpunkt, die Möglichkeit solch einer Reise hat, werden wir eine ständige Anspannung fühlen. Dann das SFK ist kein Reisebüro und kann weder finanziell noch organisatorisch alle, die möchten, auch nicht die würdigsten, befriedigen.
Und dieses Problem enthält noch ein Problem, gleich für alle Organisationen, die die Formalitäten mit Auslandsreisen erledigen. Alle wissen das, alle leiden darunter, doch alle schweigen einträchtig. Es ist allgemein bekannt, daß die Art der heutigen Verfahrensweise bezüglich der Auslandsreisen entweder genehmigend oder verbietend ist. Auch wenn wir auf demokratischem Weg eine Delegation zusammenstellen, heißt das noch nicht, daß alle fahren werden. Es fahren nämlich diejenigen, die die Genehmigung erhalten. Dafür braucht man eine Unmenge von Papieren. Durch ihre Bearbeitung und Weiterleitung, insbesondere wenn die Reisekandidaten nicht aus Moskau sind, kommt es meist zu Verzögerungen. Daher entscheidet sich manchmal alles im letz¬ten Moment, buchstäblich einige Stunden vor dem Abflug. Und in einigen Fällen wird abgelehnt, ohne jegliche Erläuterung. Können Sie sich vorstellen, welche Spannung manchmal in der Delegation herrscht? Und wie sich jener fühlt, der letztendlich nicht fahren darf? Alle Vorwürfe und Kritik gehen aber an das SFK. An das Friedenskomitee und nicht an jene Komitees, die die Ausreiseentscheidung treffen. Ist das gerecht?

A. Wassiljew: Sie haben da von der Formierung einer neuen SFK-Konzeption gesprochen. Worin besteht das Neue?
Wladimir Orjol: Die neue Konzeption des SFK ist keine Modesache und kein subjektiver Wunsch von irgendjemand. Das Leben selbst fordert sie. Fordert nicht einfach, sondern hat es schon getan, ohne jemand um Genehmigung zu bitten.
Worin besteht das Hauptproblem? Vor allem im gewandelten Inhalt der SFK-Tätigkeit. Denn seit seinem Bestehen war das Komitee auf das Ausland, "nach außen" orientiert. Auch jetzt bildet der Ausbau der Verbindungen mit ausländischen Antikriegs- und anderen friedensstiftenden Organisationen und Bewegungen den Hauptteil des gesamten Arbeitsumfangs. Aber nicht mehr in dem Umfang wie früher. In rasantem Tempo steigt die innere Arbeit, die mit Veränderungen unserer eigenen Friedensbewegung verknüpft ist, einer Bewegung, die bei der Vervollkommnung der demokratischen Prozesse in unserer Gesellschaft qualitativ neu wird. Es formiert sich eine echte und keine vermeintliche Bewegung der sowjetischen Öffentlichkeit für den Frieden. Für den Frieden im breitesten Sinne des Wortes. Auf die konkrete Situation in unserem Land angewandt, bedeutet das für die Perestroika. Nein, fassen Sie das nicht als politische Konjunkturlosung auf. Die ihrem We-sen nach demokratische Friedensbewegung (erinnern Sie sich an Lenins Worte, daß größte Äußerung der Demokratie die Frage über den Frieden ist) braucht die Perestroika wie den belebenden Sauerstoff, die auf Demokratie und Glasnost und der realen Teilnahme des Volkes am politischen Prozeß beruht.
Die Perestroika braucht aber die Friedensbewegung. Man muß doch sehen, daß mit der weiteren Behauptung des Pluralismus zentrifugale Tendenzen, die mit einer ideologisch-politischen Spaltung unserer Gesellschaft und sogar Konfrontation drohen, weitere Entwicklung finden. Die gesamtmenschliche Idee der Friedensbewegung ist eine Einheitsplattform für die positiven Handlungen im Namen des edlen Ziels von praktisch allen Bür¬gern unseres Landes, ob Parteimitgliedern oder Parteilosen, Gläubigen oder Nichtgläubigen, "Formellen" oder "Unformellen".
In der Periode der Perestroika ist die SFK-Tätigkeit in immer größerem Maße auf die Lösung aktueller Probleme der sowjetischen Gesellschaft innerhalb des Landes orientiert. Und das zieht natürlich unweigerlich die Veränderung seines Stellenwertes im gesellschaftspolitischen System nach sich. Daß jetzt die Funktionen des SFK erheblich ausgedehnt und komplizierter werden, das liegt sozusagen an der Oberfläche. Doch ist das ein Prozeß. Daher hat sich vieles noch nicht formiert und befindet sich im Stadium des Experimentes und Tests. Hier bedarf es einer gründlichen theoretischen Arbeit. Und nicht nur einer theoretischen, sondern auch einer politischen Arbeit, denn bei weitem nicht alle Leute, darunter auch "oben", unter¬stützen solch eine Evolution des SFK. Schon jetzt ist klar, daß das Komitee über Voraussetzungen dafür verfügt, um Kanal und Organisator der öffentlichen Meinungsäußerung in der UdSSR zu Fragen Frieden und Sicherheit, Ausführer dieser Meinung durch direktive und gesetzgebende Organe und Instanzen zu sein. Und nicht nur Ausführer, sondern, wenn erforderlich, Opponent.

A. Wassiljew: Hier muß man doch wohl aber den Pluralismus der öffentlichen Meinung zu friedensstiftenden Fragen und auch den Pluralismus in organisatorischer Struktur in Betracht ziehen. Denn neben dem SFK gibt es doch noch andere friedensstiftende Bewegungen und Organisationen: die Bewegung der Ärzte, Wissenschaftler, Pädagogen, Sportler, Komitees für europäische Sicherheit, Solidarität mit den afro-asiatischen Ländern, mit den Völkern Lateinamerikas.
Wladimir Orjol: Selbstverständlich ist das Sowjetische Friedenskomitee kein Monopolist in der Friedensache. Jetzt sind solche Erklärungen vergangener Jahre wie "im Namen der gan¬zen friedliebenden sowjetischen Öffentlichkeit" überhaupt nicht angebracht. Doch andererseits hat es keinen Sinn, die Friedensbemühungen der sowjetischen Öffentlichkeit künstlich zu zersplittern, neue Organisationen zu gründen, die keine reale Grundlage haben. Schauen Sie sich an, was in den von Ihnen genannten artverwandten Komitees vor sich geht. Denn wir und sie stützen sich praktisch auf ein und dasselbe aktiv in der UdSSR, und im Ausland in der überwiegenden Mehrheit auch auf diese Kräfte.

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