Redebeitrag von Dieter Herrchen (Bürgermeister der Stadt Elsterwerda) für die Hiroshima-Gedenkveranstaltung am 6. August 2017 in Herzberg

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer der heutigen Kundgebung aus Anlass des Hiroshimatages,

ich bin den Organisatoren um Herrn Bernhard Willner sehr dankbar dafür, dieses heutige Treffen für uns alle ermöglicht zu haben.

Wir gedenken der Opfer der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki und sind vereint in dem festen Bestreben, unsere Welt friedlicher und atomwaffenfrei zu machen.

Solche Zusammenkünfte, wie heute, erscheinen mir auch deshalb als besonders wichtig, weil, je weiter wir uns zeitlich entfernen, die Erinnerung an die grausamen Tragödien des Krieges immer mehr verblassen.

Wir haben uns in Europa und in anderen Teilen der Welt an ein Leben im Frieden gewöhnt. Das ist für uns zwar ein sehr großes Glück, aber umso mehr gilt es deshalb, die Dramatik der Wirklichkeit ganz öffentlich zu unterstreichen, denn sie besteht darin, dass die Menschheit heute auf einem riesigen Arsenal der tödlichsten Massenvernichtungsmittel sitzt, dessen Anwendung das Ende unseres blauen Planeten bedeuten würde.

Was sagen uns heute die Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki?

Sie, die sich selbst als Hibakusha bezeichnen, schildern ihre Situation in einer Erklärung vom April 2016 wie folgt:

Die zwei Atombomben, die am 6. und 9. August 1945 von den US-Streitkräften abgeworfen wurden, zerstörten Hiroshima und Nagasaki in einem einzigen Augenblick vollständig, sie töteten und verletzten unterschiedslos Hunderttrausende von Menschen. Mit den verkohlten Leichen, mit Körpern, deren Haut sich abschälte, und mit Menschengruppen, die sich lautlos dahinschleppten, brach die Hölle auf Erden aus. Diejenigen, die gerade noch überlebt hatten, brachen bald einer nach dem anderen zusammen. Seit mehr als 70 Jahren kämpfen wir um unser Weiterleben, immer belastet durch Spätfolgen und die Angst vor möglichen Auswirkungen der Strahlung auf unsere Kinder und Enkel. Wir wollen, dass sich eine solche Tragödie niemals wiederholt.

Wir, die Hibakusha, appellieren an alle Regierungen, einen Vertrag über das Verbot und die Abschaffung der Atomwaffen abzuschließen.“

Die Überlebenden, die Hibakusha, werden mit großer Genugtuung – wie wir alle auch – vernommen haben, dass am 07. Juli 2017 122 Staaten bei den Vereinten Nationen in New York einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen verabschiedet haben.

Endlich ist ein völkerrechtsverbindliches Abkommen entstanden, das nicht nur die Herstellung, den Einsatz und den Besitz, sondern auch die Drohung mit einem Nuklearschlag sowie die Stationierung von Atomwaffen in anderen Staaten verbietet.

Bedauerlicherweise wird in der öffentlichen Wahrnehmung die Tatsache, dass auch in Deutschland bis zum heutigen Tag immer noch Atombomben lagern, weitestgehend ausgeblendet.

Im Rahmen der nuklearen Teilhabe in der Nato ermöglicht die Bundesrepublik Deutschland die Lagerung und laufende Modernisierung von 20 US-Atomwaffen auf dem Fliegerhorst Büchel der Deutschen Luftwaffe in Rheinland-Pfalz.

Jede einzelne dieser nuklearen Bomben hat eine Sprengkraft des 26fachen der über Hiroshima gezündeten Atombombe.

Den Aktivitäten und Bemühungen der Organisationen der Friedensbewegung und der weltweiten Organisation der „Bürgermeister für den Frieden“, der „Mayors for Peace“, ist maßgeblich zu verdanken, dass der Deutsche Bundestag mit einem Beschluss vom 26.03.2010 den Abzug aller Atomwaffen aus Büchel forderte.

Entgegen dieses Beschlusses wurden ab 2015 diese 20 Abwurfatombomben durch die Streitkräfte der Vereinigten Staaten zu präzisionsgesteuerten Fernwaffen hochgerüstet. Mit der Verabschiedung des Atomwaffenverbotsvertrages vom 07. Juli 2017 verstößt mit dem bisherigen Festhalten an der Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland die Bundesrepublik gegen nun geltendes Völkerrecht.

Deshalb sollte von unserer heutigen Kundgebung auch ein deutliches Signal an die Bundesregierung gerichtet werden, um dem Vertrag für ein Atomwaffenverbot unverzüglich beizutreten und alle Atomwaffen, die auf deutschem Boden lagern, ohne weiteren Zeitverzug abzuziehen.

Das ist ein Gebot der Stunde und schon lange ein Gebot der Vernunft.

 

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung,

als Bürgermeister der Stadt Elsterwerda bin ich aus tiefer persönlicher Überzeugung im Oktober 2004 der 1982 vom Bürgermeister Hiroshimas gegründeten und heute weltweiten Organisation der „Bürgermeister für den Frieden“, der „Mayors for Peace“, beigetreten.

Ich war damals der zweite Bürgermeister des Landes Brandenburg in dieser Organisation nach der Stadt Perleberg. Heute sind wir in ca. 470 deutschen Städten und weltweit in 162 Ländern und mehr als 7300 Städten organisiert. Das erklärte Ziel der „Mayors for Peace“ ist es, die Verbreitung der Atomwaffen zu verhindern und letztlich ihre vollständige Abschaffung zu erreichen.

In diesen jetzigen Tagen treffen sich unsere Vertreter der Länder unter dem Vorsitz unseres Präsidenten, dem Bürgermeister von Hiroshima, Matsui Kazumi, zur Jahrestagung in Japan. Von dort erreichte uns ein Grußwort, das ich als Mitglied dieser weltweiten Organisation gerne übermittle.

Grußwort Mayors for Peace (siehe hier)

Diesen Wünschen des Bürgermeisters von Hiroshima kann ich mich nur anschließen und bekräftige sein Statement im Namen der „Mayors for Peace“ zur Konferenz der Vereinten Nationen am 7. Juli 2017 aus Anlass der Verabschiedung des Atomwaffenverbotsvertrages:

„Wir müssen alle Staaten ermutigen, diesem Vertrag beizutreten, sowohl die Staaten, die Atomwaffen besitzen, als auch ihre Verbündeten. Deswegen muss die ganze Weltgemeinschaft zusammenarbeiten und sicherstellen, dass der neue Vertrag ein voll effektives Rechtsmittel wird, um die Abschaffung von Atomwaffen zu erreichen.

Lasst uns heute mit der Arbeit beginnen!“

 

Sehr verehrte Anwesende,

auch wenn der Beitrag des Einzelnen gering erscheinen mag, er ist wertvoll und unverzichtbar zur Verwirklichung unserer gemeinsamen und großen Vision einer friedlichen und atomwaffenfreien Welt.

Lassen wir deshalb in unserem Engagement nicht nach, ob in der Friedensgruppe, als Einzelperson oder in Organisationen, wie den „Mayors for Peace“.